Einführung von Folter? – “Prinzip der organisierten Verantwortungslosigkeit” – “Prinzip der organisierten Ahnungslosigkeit”

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Das wollen Sie gar nicht wissen” oder “Das müssen Sie gar nicht wissen” – Solche oder ähnliche Sätze sollen recht häufig innerhalb einer Behörde gefallen sein. Mehr oder weniger offen wird der Grundsatz der Verantwortungslosigkeit vorgelegt. Mit jeder Mentalität ist mittlerweile sogar Folter salonfähig geworden. Zwar wird diese nicht offen gefordert, aber durch innerhalb behördliche Zirkel sieht es ein klein wenig anders aus.

“Rettungsfolter” – “Die dies kategorisch ablehnen, ihre Position überdenken müssen”

>>Grundrechte: sowie Grundzüge der Verfassungsbeschwerde von Rolf Schmid (Buch) <<

“Ob „Rettungsfolter“ bzw. deren Androhung ein angemessenes Mittel ist, ist zwar nicht unbedenklich, allerdings werden diejenigen, die dies kategorisch ablehnen, ihre Position überdenken müssen, sollte der vom Verfasser konstruierte Fall Wirklichkeit werden. Auch das BVerfG grenzt neuerdings „Berührungen“ von „Verletzungen“ der Menschenwürde ab und macht offenbar „Berührungen“ der Menschenwürde einer Abwägung mit anderen Verfassungsgütern zugänglich.”

“Rettungsfolter” – “Von subjektiven ethischen Überzeugungen abhängig”

Die dies kategorisch ablehnen, ihre Position überdenken müssen” – Hört sich beinahe wie eine Drohung an? Tatsächlich ist man in der Rechtspraxis längst schon weiter, was manche Fälle recht anschaulich zeigen.

“Hamburger Folteropfer – Achidi John: Verdrängt und vergessen”

>>taz<<

“Hamburger Folteropfer – Achidi John: Verdrängt und vergessen  – Am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg verstarb 2001 ein 19-Jähriger nach dem Einsatz von Brechmitteln. Bis heute gibt es keine Aufarbeitung. … Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt, fünf Polizisten fixierten seine Beine und drückten seinen Oberkörper zu Boden. Währenddessen flößte ihm eine Rechtsmedizinerin mit der Magensonde 30 Milliliter des Brechsirups Ipecacuanha und 800 Milliliter Wasser ein. Infolgedessen fiel John ins Koma. Vier Tage später wurde die intensivmedizinische Behandlung abgebrochen und John verstarb noch im Krankenhaus.”

“Brechsirups” – “Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt, fünf Polizisten fixierten seine Beine und drückten seinen Oberkörper zu Boden”

Zur Vollständigkeit: Die gefundenen illegalen Substanzen hatten einen Straßenverkaufswert von ein paar Euro gehabt und der Einsatz von Brechmittel war zu dieser gesetzlich erlaubt. Dieses Grundmuster lässt auch auf andere Beispiele übertragen. Per Verfügung, Gesetz oder Urteil wird eine Praxis – wie die zwangsweise Verabreichung von Brechmittel – abgesegnet, die Exekutive – sprich Polizei – hat damit freie Hand und am Ende herrscht das Prinzip organisierte Verantwortungslosigkeit vor. Paralleles findet auch bei der zwangsweisen Entsperrung von Mobiltelefonen statt.

“Handy zu entsperren” – “Der Ermittlungsrichter ordnete an, dass dem Mann Fingerabdrücke abgenommen werden”

>>Rechtsanwalt Udo Vetter<<

“Ein Beschuldigter hatte sich geweigert, sein Handy zu entsperren. Er war vor allem nicht bereit, den passenden Finger auf den Fingerabdrucksensor zu legen. Der Ermittlungsrichter ordnete an, dass dem Mann Fingerabdrücke abgenommen werden. Mit den Prints entsperrte die Polizei selbst das Handy. Diese Maßnahme ist nach Auffassung des Landgerichts Ravensburg durch § 81b Abs. 1 StPO gedeckt. Dieser Paragraf lässt die Abnahme von Fingerabdrücken zu, soweit dies für das Strafverfahren notwendig ist. Natürlich war die Vorschrift nie und nimmer dafür gedacht, biometrische Sperren zu umgehen. Als sie in Kraft trat, war das Leben noch 100 % analog, und es ging um den Vergleich von Tatortspuren oder Identifizierung von Personen. Doch für die Ravensburger Richter ist das kein großes Problem. Sie meinen, der „statische Wortlaut“ sei eben „technikoffen“ formuliert.”

“Vorschrift nie und nimmer dafür gedacht, biometrische Sperren zu umgehen”

Was genau passiert, wenn sich jemand bei der Abnahme von Fingerabdrücken weigert? Da auf Mobiltelefonen teilweise das halbe Leben protokolliert ist, wird sich vermutlich wohl nicht jeder Betroffene seine Fingerabdrücke freiwillig abnehmen lassen. Am Ende läuft es also ebenfalls auf Gewalt bis hin zu Folter hinaus. Über solche Konsequenzen hat sich selbstredend niemand wirklich Gedanken gemacht. Am Ende wird die Polizei das Urteil als Freifahrschein nutzen und die Richter werden jede Schuld weit von sich weisen. Das Prinzip organisierte Verantwortungslosigkeit ist allgegenwärtig. Zumal die zwangsweise Herausgabe von anderen biometrischen Daten oder Passwörter nur noch als reine Formalie erscheint. Werden Beschuldigte alsbald zum “peinlichen Verhör” – vorgeladen? Dennoch drängt sich die Frage auf: Woher rührt diese Mentalität der organisierten Verantwortungslosigkeit her?

“Mentalität der Verantwortungslosigkeit” – “Verhängnisvollste Erbe des Kaiserreich”

>>Das deutsche Kaiserreich von Christoph Nonn (Buch) <<

“Das verhängnisvollste Erbe des Kaiserreichs für die weitere deutsche Geschichte bildeten schließlich weder obrigkeitsstaatliche Traditionen noch radikaler Nationalismus, Militarismus oder Antisemitismus, sondern eine Mentalität der Verantwortungslosigkeit. … 1918 veränderte sich die Situation dann gleichsam über Nacht. Der demokratisch gewählte Reichstag wurde jetzt zum politischen Machtzentrum, die Regierung ihm verantwortlich, das Wahlvolk zum Souverän. Doch weder die Parteien noch die Bürger waren darauf vorbereitet. Es gelang ihnen nicht, die in einem halben Jahrhundert angeeignete Mentalität der politischen Verantwortungslosigkeit in wenigen Jahren zu überwinden. Das hat der Weimarer Republik, die bereits belastet war durch die Folgen des verlorenen Krieges, noch eine weitere Hypothek aufgebürdet. Wer nach kausalen Zusammenhängen zwischen der Entwicklung des Kaiserreichs und dem weiteren Verlauf der deutschen Geschichte sucht, wird sie vor allem hier finden.”

“Angeeignete Mentalität der politischen Verantwortungslosigkeit”

Bei obrigkeitsstaatlichen Traditionen und der Mentalität der organisierten Verantwortungslosigkeit scheint es keinen wirklichen Bruch in der Geschichte gegeben zu haben. So manches moderne Ministerium könnte womöglich sogar gesteigert haben.

“Das wollen Sie gar nicht wissen” – “Das müssen Sie gar nicht wissen” – “Sätze, die im Verteidigungsressort als geflügelte Worte gelten”

>>Operation Röschen von Peter Dausend & Elisabeth Niejahr (Buch) <<

“Übergroße Korrektheit, Hierarchiegläubigkeit, Mangel an Flexibilität, fehlendes Selbstbewusstsein: all das ist tief eingesunken in die Betriebsphilosophie des Verteidigungsministeriums, dieses Großapparats mit seinem gigantischen Unterbau, dieses Gewusels aus Stäben, Abteilungen, nachgeordneten Geschäftsbereichen und nachgeordneten Behörden, dieses Wusts an Zuständigkeiten und Mitspracherechten, dieses Monstrums, das sein Eigenleben führt. Über die Jahre hat ein Mix aus beflissener Unterwürfigkeit und bräsiger Starre zwei Phänomene ausgeprägt, die man so in keinem anderen Ministerium findet: das Prinzip der organisierten Verantwortungslosigkeit – und das Prinzip der organisierten Ahnungslosigkeit. … »Das wollen Sie gar nicht wissen« und »Das müssen Sie gar nicht wissen« sind Sätze, die im Verteidigungsressort als geflügelte Worte gelten.”

“Gewusels aus Stäben, Abteilungen, nachgeordneten Geschäftsbereichen” – “Wusts an Zuständigkeiten” – “Monstrums, das sein Eigenleben führt”

Diese Form der Organisationsstruktur ist auch an ganz anderen Orten anzutreffen. Das völlig Fehlen von interner Kontrollsysteme und das Prinzip der organisierten Verantwortungslosigkeit ist beileibe nicht einzigartig.

“Sekten oder sektenähnliche Organisationen” – “Fehlen interner Kontrollsysteme und das Prinzip der allgemeinen Verantwortungslosigkeit”

>>Populismus für Anfänger von Walter Ötsch & Nina Horaczek (Buch) <<

“Viele Sekten oder sektenähnliche Organisationen sind von einem nicht enden wollenden Strom von Skandalen begleitet. Die Gründe liegen auf der Hand: eine eigenwillige Personalpolitik, die das Aufkommen sachkompetenter Persönlichkeiten behindert, das Fehlen interner Kontrollsysteme und das Prinzip der allgemeinen Verantwortungslosigkeit, das die Organisation durchzieht, weil viele jede Verantwortung auf die Spitze abschieben. … Ein Guru fordert von seiner Gefolgschaft absolute Loyalität. Die Schüler sollen jede seiner Maßnahmen billigen, ihm die Stange halten und ihn verteidigen. Ein echter Guru erwidert diese Gefühle nicht. Er fordert von seinen Schülern Loyalität, ist aber nicht bereit, zu ihnen loyal zu sein. Wenn die Situation es erfordert, wird der Guru jeden wie eine heiße Kartoffel fallen lassen.”

“Fehlen interner Kontrollsysteme und das Prinzip der allgemeinen Verantwortungslosigkeit” – “Verantwortung auf die Spitze abschieben”

Deshalb wurde im Rechtsstaat der Paragraph der Untreue geschaffen, um genau dies zu verhindern: Es müssen also keine neuen Gesetze erfunden, sondern nur die bestehenden einmal richtig angewendet werden.