Verkündigung der Kirche als „Bedrohung für das offizielle Narrativ“
(Open Doors, Kelkheim) – In Nicaragua ist die Ausübung des Glaubens zu einem Akt des Widerstands geworden. Unter dem Regime von Daniel Ortega sind sowohl evangelische als auch katholische Religionsgemeinschaften mit einer systematischen Strategie der wirtschaftlichen Erpressung konfrontiert, die als Regulierung getarnt ist. Sie sieht vor, dass Gemeinden monatliche Zahlungen leisten müssen, um weiterhin im Land tätig sein zu können.
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Von Open Doors
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Steuer mit deutlichen Folgen für die Kirche
Vertreter der Christen im Land berichten übereinstimmend mit Menschenrechtsaktivisten, dass die Regierung Kirchen und christlichen Werken willkürliche Steuern auferlegt, um kirchliche Einrichtungen, Schulen oder Sozialprogramme weiterhin betreiben zu dürfen. „Entweder sie leisten die monatliche Zahlung, oder sie werden geschlossen, ihr Eigentum wird beschlagnahmt und sie werden des Landes verwiesen“, erklärt die nicaraguanische Anwältin Martha Patricia Molina; sie ist Autorin des Berichts „Nicaragua: A Persecuted Church“.
Camila, eine lokale Mitarbeiterin von Open Doors, kennt die schweren Folgen der finanziellen Belastung für die Kirchen. Gerade in den ärmeren ländlichen Gebieten würden christliche Gemeinden durch die entsprechende Gesetzesreform vom August 2024 regelrecht „finanziell erstickt“.
Erpressung ohne rechtliche Spuren
Die Praxis der Behörden ist allerdings schwierig zu dokumentieren: „Es gibt keine Verfügungen oder Quittungen. Zudem haben die Betroffenen Angst, sich zu äußern. Wenn du etwas sagst, werden sie dich holen“, sagte ein von dem Nachrichtenportal Infobae befragter Priester. Die Anwältin Molina hat inzwischen Dutzende von Zeugenaussagen von im Exil lebenden Geistlichen gesammelt. Demnach zahlen viele Gemeinden, um ihrer Auflösung zu entgehen oder die vom Staat beschlagnahmten Immobilien weiter nutzen zu können. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Praxis weit verbreitet ist und auch bei anderen zivilen Organisationen angewendet wird“, meint sie.
Seit 2018 hat das Regime mehr als 5.600 NGOs mit Begründungen geschlossen, die von angeblichen administrativen Unregelmäßigkeiten bis hin zu Anschuldigungen wegen „destabilisierender Aktivitäten“ reichen.
Die Kirche als ideologische Zielscheibe
„Die Wahrheit, die die Kirche verkündet, stellt eine Bedrohung für das offizielle Narrativ dar“, erklärt Pastor Emiliano. In den Augen des Regimes ist der Glaube ein subversiver Akt, wenn er nicht mit den Normen der Machthaber übereinstimmt. „Entweder man schließt sich ihnen an und praktiziert ein falsches Christentum, oder man trägt die Konsequenzen“, beschreibt Pastor Emiliano die implizite Botschaft der Regierung. Die Spannungen sind nicht neu. Im Jahr 2018 spielte die katholische Kirche eine Schlüsselrolle als Vermittlerin bei den sozialen Protesten, was den endgültigen Bruch ihrer Beziehung zum Staat markierte. Seitdem ist die Verfolgung ausgefeilter geworden und umfasst steuerliche, rechtliche und erpresserische Elemente.
Trotz der Angst beschließen viele Gemeinden, Widerstand zu leisten. Open Doors hat seit 2021 mehr als 20.000 Pastoren und Leiter durch Schulungen in den Bereichen Verwaltung, finanzielle Ressourcen und Lehre unterstützt. Einige Christen sehen die Verfolgung sogar als eine Gelegenheit, zu den Wurzeln des christlichen Glaubens zurückzukehren. Camilas Vorschlag: „mehr beziehungsorientierte Jüngerschaft und weniger institutionelle Strukturen“.
Allein im Jahr 2024 dokumentierte Open Doors mehr als 500 Übergriffe gegen Christen oder Kirchen in Nicaragua. Über 60 % der Fälle standen im Zusammenhang mit Schließungen, Beschädigungen oder Beschlagnahmungen von Eigentum. Bei den anderen Vorfällen handelte es sich um Überwachung, Inhaftierung, Zwangsumsiedlung und wirtschaftliche Erpressung.
Auf dem Weltverfolgungsindex 2025 steht Nicaragua an 30. Stelle unter den Ländern, in denen Christen am stärksten wegen ihres Glaubens verfolgt werden.
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