Europol hat Industrie und Regierungen vor Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gewarnt. Diese “Warnung” ist natürlich vielsagend. Die Führungskräfte der europäischen Polizeibehörden betonen in einer gemeinsamen Erklärung die Verantwortung von Strafverfolgern und Technologieunternehmen für die öffentliche Sicherheit.

“Überwachungsdaten werden immer auch für andere Zwecke benutzt werden, selbst wenn dies verboten ist”

Besonders der Schutz von Kindern soll dabei wichtig sein. Das Strohmann-ArgumentKinderschutz” darf in solch einer Erklärung selbstverständlich nicht fehlen, aber es ist längst nicht alles.

“Europol warnt Industrie und Regierungen vor Ende-zu-Ende-Verschlüsselung” – Was ist davon zu halten?

>>Heise.de<<

“Europol warnt Industrie und Regierungen vor Ende-zu-Ende-Verschlüsselung  – In der konkreten gemeinsamen Erklärung schreiben die Führungskräfte der europäischen Polizeibehörden, dass sie “anerkennen, dass Strafverfolger und Technologie-Industrie eine geteilte Pflicht zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit hätten, insbesondere der Kinder”. “Wir haben diesbezüglich eine stolze Partnerschaft komplementärer Aktionen. Diese Partnerschaft ist in Gefahr”, fügen sie hinzu.”

Ende-zu-Ende-Verschlüsselung als Mittel gegen Wirtschaftsspionage

Irgendwie bleibt der Erklärung die Frage offen: Weshalb Europol explizit die Industrie vor Ende-zu-Ende-Verschlüsselung warnt? Insbesondere Industrie und Handwerk haben mit Industriespionage zu kämpfen. Die konsequente Nutzung einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung würde wenigstens ein bisschen Abhilfe schaffen.

“Wirtschaftsspionage durch amerikanischen Geheimdienst NSA – Deutsche Unternehmen sind besorgt”

>>Versicherungsbote<<

“Wirtschaftsspionage durch amerikanischen Geheimdienst NSA – Deutsche Unternehmen sind besorgt – Der deutsche Windradhersteller Enercon, beheimatet im ostfriesischen Örtchen Aurich, staunte nicht schlecht, als er Ende der 90er Jahre ein neues Verfahren zur Stromgewinnung in den USA anmelden wollte. Jahrelang hatten Spitzeningenieure an der Technologie gebastelt, speziell für den Export versprach man sich große Potentiale. Doch das amerikanische Konkurrenzunternehmen Enertech beanspruchte die Erfindung für sich und hatte in Übersee bereits alle Patentrechte angemeldet. Dem deutschen Unternehmen gingen Umsätze in Millionenhöhe verloren, 300 neue Arbeitsplätze konnten nicht geschaffen werden.”

“Konkurrenzunternehmen Enertech beanspruchte die Erfindung für sich und hatte in Übersee bereits alle Patentrechte angemeldet”

In diesem konkreten Beispiel haben die Geheimdienst- und Polizeibehörden überwiegend durch Ignoranz und Abwesenheit geglänzt. Es wurde – mehr oder weniger – als Privatangelegenheit abgetan. – Wie auch immer. Auf alle Fälle rollt die Polizeibehörde ihre Begründung noch auf ganz andere Schwerpunkte aus. Im allgemeinen sieht die Erklärung so aus, als wenn hier nicht eine den Neutralitätsgebot unterworfene Behörde, sondern irgendeine politische Aktivistengruppe am Werke wäre.

“Auf Basis einer gesetzlichen Befugnis, mit strengen Sicherheitsmaßnahmen und Aufsicht” – Gibt es diese wirklich?

>>Heise.de<<

“Zur Gewährleistung der Online-Sicherheit seien zwei Fähigkeiten unerlässlich. Einerseits müssten Technologieunternehmen auf Untersuchungen von Strafverfolgern reagieren und diese mit Daten von verdächtigen Kriminellen bei ihren Diensten reagieren können, “auf Basis einer gesetzlichen Befugnis, mit strengen Sicherheitsmaßnahmen und Aufsicht”. Andererseits müssten Technologieunternehmen proaktiv illegale und gefährliche Aktivitäten auf ihren Plattformen aufspüren. “Dies gilt insbesondere dann, wenn es um die Erkennung von Nutzern mit sexuellem Interesse an Kindern, dem Austausch von Missbrauchsbildern und Kontaktaufnahmen für die Ausübung von Sexualdelikten geht”. “Wir sind sehr in Sorge, dass durch das Ausrollen der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung diese Fähigkeiten unterlaufen werden”, erklären die Polizeichefs. “

“Erkennung von Nutzern mit sexuellem Interesse an Kindern, dem Austausch von Missbrauchsbildern und Kontaktaufnahmen” 

Um solche Täter zu verhaften, müsste teilweise die Polizei nicht einmal das Polizeirevier verlassen. Denn bei Kriminalität in den eignen Reihen scheint offenbar keine allzu große Rolle zu spielen.

„In Mecklenburg-Vorpommern haben Polizeibeamte in zwei Fällen Minderjährigen Avancen gemacht”

>>Spiegel<<

„In Mecklenburg-Vorpommern haben Polizeibeamte in zwei Fällen Minderjährigen Avancen gemacht. Die Männer machten sich dabei zunutze, dass sie beruflich mit den Mädchen zu tun hatten und so an deren Kontaktdaten gelangen konnten. … Der Polizist, der sich den Fall schildern ließ, kontaktierte das Mädchen anschließend und lud sie per SMS zu einem Fotoshooting ein. „Besonders gravierend ist dabei, dass diese Jugendliche sexuell freizügig in Erscheinung getreten und psychisch instabil gewesen ist“, heißt es … “

“Der Polizist, der sich den Fall schildern ließ, kontaktierte das Mädchen anschließend und lud sie per SMS zu einem Fotoshooting ein”

Leider ist dies kein isolierter Vorfall. Die Mitarbeiter der Behörden, die für die Überwachung zuständig sind, könnten diese behördlichen Daten für private Zwecke missbrauchen. Einige Angestellte der Behörden nutzten das Überwachungssystem, um ehemalige, gegenwärtige und potenzielle Partner zu verfolgen – diese Vorgehensweise wurde als “LoveInt” (Love Intelligence) bezeichnet.

„Diese Taktik wurde als »LoveInt« (Love Intelligence) betitelt“

>>Überwachtes Netz: Edward Snowden und der größte Überwachungsskandal der Geschichte von Markus Beckedahl & Andre Meister (Buch) <<

„Die Regierungsmitarbeiter, die für die Überwachung zuständig sind, werden diese außerdem für persönliche Zwecke missbrauchen. Einige NSA-Mitarbeiter nutzten das US-Überwachungssystem, um ehemalige, gegenwärtige und potenzielle Liebhaber zu verfolgen – diese Taktik wurde als »LoveInt« (Love Intelligence) betitelt. Die NSA sagt, dass die Verantwortlichen erfasst und bestraft wurden – wir wissen allerdings nicht, wie viele Verantwortliche die NSA nicht aufdecken konnte. Diese Ereignisse sollten uns nicht überraschen, denn auch die Polizei benutzt oft den Zugang zu Führerschein-Listen, um attraktive Autofahrer zu identifizieren und zu verfolgen – die Strategie ist bekannt als »running a plate for a date« (Ein Kennzeichen für eine Verabredung). Überwachungsdaten werden immer auch für andere Zwecke benutzt werden, selbst wenn dies verboten ist.“

„Polizei benutzt oft den Zugang zu Führerschein-Listen, um attraktive Autofahrer zu identifizieren und zu verfolgen“

Jedoch wird diese Form der Überwachung nicht nur in ausländischen Ländern durchgeführt. Auch hierzulande werden Bürger auf ähnliche Weise ausspioniert. Es ist unklar, wie viele Fälle es genau gibt – oder man möchte es einfach nicht sagen.

„Nachdem der Beamte die Frau zufällig kennengelernt hatte, …“

>>Golem<<

„Nachdem der Beamte die Frau zufällig kennengelernt hatte, … fragte er … zunächst die Halterdaten ihres Autos ab und nutzte dazu das Zentrale Verkehrsinformationssystem (ZEVIS) des Kraftfahrtbundesamtes. Die so gewonnenen Personalien nutzte der Polizist, um über eine sogenannte SARS-Anfrage bei der Bundesnetzagentur an die Festnetz- und Mobilfunknummern der Frau zu kommen. Schließlich rief der Polizist sie an, ohne dass es dazu einen dienstlichen Grund gegeben oder die Frau eingewilligt hätte.“

“Sogenannte SARS-Anfrage bei der Bundesnetzagentur an die Festnetz- und Mobilfunknummern der Frau zu kommen”
Die Verantwortung für die Aufklärung derartige Straftaten liegt meist allein beim Opfer. Die interne Solidarität innerhalb der Behörden erschwert die Ermittlungen weitestgehend. Trotzdem lassen solche enthüllten Fälle vermuten, dass eine effektive Kontrolle dieser Überwachungsprogramme praktisch nicht existiert. Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist eines der wenigen Mittel, um sich einer nahezu totalen Überwachung noch zu entziehen.