“Wirtschaftskraft und soziale Stabilität der Lausitz basieren vorrangig auf dem einheimischen Rohstoff Braunkohle”

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Der ehemalige singende Baggerführer Gerhard Rüdiger “Gundi” Gundermann ist weit über die Grenzen der Lausitz – schon zu DDR-Zeiten – bekannt geworden und hat stets die zwei Seiten des Lausitzer Reviers betont. Diese Art der Differenzierung fehlt leider in der heutigen Zeit.

“Über die Lausitz redet niemand”

>>Welt<<

“Über die Lausitz redet niemand. Die Grube, die Gundermann besungen hat, ist heute ein See. Der Tagebau, der ihn berühmt gemacht hat, frisst sich weiter in die Landschaft. … Der singende Baggerführer wusste, was Braunkohle für die Region bedeutete. Arbeit, Identität und Heimat, Landfraß, sterbende Dörfer, Dreck und früher Tod.”

“Arbeit, Identität und Heimat, Landfraß” – “Der singende Baggerführer wusste, was Braunkohle für die Region bedeutete”

Tatsächlich wird in der heutigen Zeit nur die negativen Aspekte des Lausitzer Reviers im Vordergrund gestellt. Insbesondere die wirtschaftliche Perspektive wird zuweilen komplett ausgeblendet.

„Bischof Ipolt: Wir brauchen die Braunkohle noch“

>>Katholisch.de<<

„Bischof Ipolt: Wir brauchen die Braunkohle noch – Hoffentlich wird die Braunkohle irgendwann nicht mehr gebraucht. Derzeit brauchen wir sie aber noch. Es haben ja auch tausende Menschen Arbeit in der Kohle gefunden.“

Bischof Ipolt: „Tausende Menschen Arbeit in der Kohle gefunden“

Aus heutige Sicht mag es sich vielleicht wie eine typische Falschnachricht anhören, aber nur vor ein paar Jahrzehnten – lange nach der Wiedervereinigung – konnte man auf der Seite der Domowina sehr erstaunliche Positionen vernehmen.

“Wirtschaftskraft und soziale Stabilität der Lausitz basieren vorrangig auf dem einheimischen Rohstoff Braunkohle”

>>Domowina<<

“Seit vielen Jahrzehnten wird in der Lausitz, in traditionell sorbischem Siedlungsgebiet, Braunkohle gefördert. Braunkohlebergbau hat die Siedlungsstruktur, die Landschaft und die Menschen in der Lausitz geprägt. Wirtschaftskraft und soziale Stabilität der Lausitz basieren vorrangig auf dem einheimischen Rohstoff Braunkohle. Dieser hat mit dem deutschen Ausstieg aus der Kernenergie trotz zunehmendem Ausbau der erneuerbaren Energien auch für die sichere und wettbewerbsfähige Energieversorgung Deutschlands weiter an Bedeutung gewonnen. Auch in der Zukunft wird deshalb die Braunkohlegewinnung in der Lausitz ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Region bleiben. Die Gewinnung der Braunkohle in den Tagebauen führt zwangsläufig sowohl zu positiven als auch negativen Veränderungen der Lebensverhältnisse der in der Region lebenden Menschen. Nach 1990 wurde der Sozialverträglichkeit aller im Zusammenhang mit der Rohstoffgewinnung stehenden Maßnahmen eindeutigen Vorrang eingeräumt. Dies gilt in besonderer Weise für den „Lausitzer Weg“ bei Umsiedlungen. Den Verantwortlichen war und ist es besonders wichtig, dabei auch die Belange der sorbischen Bevölkerung zu berücksichtigen und in besonderer Weise zu würdigen. Der Erhalt der sorbischen Sprache, der sorbischen Bräuche und Tradition liegt im ausdrücklichen Interesse des Bergbauunternehmens.”

“Verantwortlichen war und ist es besonders wichtig, dabei auch die Belange der sorbischen Bevölkerung zu berücksichtigen und in besonderer Weise zu würdigen”

Grundsätzlich hat diese Einschätzung bis in die Gegenwart nichts an ihrer Gültigkeit verloren. Nur hat sich die Position der Domowina mitsamt der Bundesregierung komplett gewandelt. Nun kann der Ausstieg aus der Braunkohle nicht schnell genug gehen und die sehr berechtigten Interessen von Sorbischen Arbeitsplätze im Lausitzer Revier spielen plötzlich keine Rolle mehr. Jede Art der Differenzierung fehlt. Dabei stellt gerade die Abwanderung ein massives Problem dar.

„Das größte Problem sei jedoch die massive Abwanderung vieler Sorben aus beruflichen Gründen“

>>Technische Universität Dresden<<

„Die Sorgen der Sorben – Das größte Problem sei jedoch die massive Abwanderung vieler Sorben aus beruflichen Gründen. Abseitig aller Finanzierungsfragen ist dies wohl das größte Problem der kleinen Kultur.“

Abwanderung von Sorben: „Abseitig aller Finanzierungsfragen ist dies wohl das größte Problem der kleinen Kultur“

Gerade beim Thema Abwanderung ist die Rolle der Domowina kritisch zu beleuchten. Denn es sind im Zuge des angedachten Kohleausstiegs auch Wegzugsprämien und Abfindungen im Gespräch.

“Umzugsprämien und Abfindungen für die Lausitz”

>>Lausitzer Rundschau<<

“Umzugsprämien und Abfindungen für die Lausitz – Wirtschaftswissenschaftler der   aus Halle haben die Folgen eines beschleunigten Kohleausstiegs für die betroffenen Reviere untersucht. Ihr Zukunftsszenario für die wirtschaftlichen Perspektiven gerade in der Lausitz klingt wie eine historische Vorlage aus dem Jahr 1996.”

“Zukunftsszenario für die wirtschaftlichen Perspektiven gerade in der Lausitz klingt wie eine historische Vorlage aus dem Jahr 1996”

Schon im Zuge der Wiedervereinigung und des desaströsen wirtschaftlichen Niedergangs wurden Wegzugsprämien gezahlt. Die Kritik der Domowina hielt sich hierbei in engen Grenzen, sofern diese überhaupt vorhanden war. Auf alle Fälle schweigt sich die Domowina zum Thema aus, obwohl es – theoretisch – ihre Kernaufgabe wäre. Nichtsdestoweniger gehen einige dieser Ideen sogar noch viel weiter.

„Ludwig plädiert dafür, den Leuten offen zu sagen, wie sich die Lage entwickeln wird“

>>Berliner Zeitung<<

„Wir können doch nicht einfach ganze Landstiche aufgeben.“ – Verlassene Dörfer – Ludwig plädiert dafür, den Leuten offen zu sagen, wie sich die Lage entwickeln wird. „Wie viele Ärzte und Schulen gibt es? Welche Busse? Welche Dienstleistungen? Wer das weiß, kann entscheiden, ob er bleibt oder in eine bestimmte Region zieht.“

„Kann entscheiden, ob er bleibt oder in eine bestimmte Region zieht“

>>top agrar<<

„Das Leibniz-Institut hat empfohlen, ländliche Räume in Ostdeutschland aufzugeben, statt weiter Geld zu investieren.“

„Ländliche Räume in Ostdeutschland aufzugeben“ 

Allen voran dürfte damit auch die Lausitz gemeint sein. Es wird darin empfohlen, die ländliche Räume einfach aufzugeben. Die Domowina hält auch hierbei still. Hierbei drängt sich die Frage auf: Ob die Interessen der Sorben bei der Domowina überhaupt eine Rolle spielen? – Die Frage ist deshalb interessant, weil in der Anfangsphase der DDR genau die gegenteilige Politik betrieben wurde.

“Nicht zuletzt wurde das Kombinat Schwarze Pumpe als „Grab des Sorbentums“ bezeichnet”

>>Der Märkische Bote<<

“Nicht zuletzt wurde das Kombinat Schwarze Pumpe als „Grab des Sorbentums“ bezeichnet. Kein Wunder, wurde die einheimische Bevölkerung geradezu von den rein deutschen Arbeitern überrannt. Dieser Prozess hatte aber schon weit vor der Grundsteinlegung am 31. August 1955 begonnen. Lebten am Ende des 19. Jahrhunderts im Nachbardorf Terpe noch 96 Prozent Sorben, waren es 1954 lediglich noch zehn Prozent. In Spreewitz sank der Anteil von 89 auf 32 Prozent. Zwar gab es während der Aufbauzeit von den DDR-Oberen Bestrebungen, ein zweisprachiges Kombinat zu etablieren, doch waren diese Bemühungen alsbald zum Scheitern verurteilt. Kein Wunder, zählten nicht mal zehn Prozent der Arbeiter zu den Sorben. Und noch weniger bekannten sich letztendlich zu ihrer slawischen Herkunft. Innerhalb von nur zwei Generationen wurde die westslawische Sprache abgelegt. … Kurzum lässt sich festhalten, dass durch Aufbau und Betrieb des Kombinats die Bevölkerungsstruktur total umgekrempelt wurde.”

“Innerhalb von nur zwei Generationen wurde die westslawische Sprache abgelegt”

Schon damals hat die Domowina formal ihre Rolle als Dachverband aller Sorben gespielt und eine Stellungsnahme ist ihr bis heute nicht abzuringen. Allgemein tun sich hierbei auch allgemeine finanzielle Aspekte auf.

“Unternehmen zweimal Geld für ihre geplanten Bergbauaktivitäten abknöpfen” – “Suche nach den Rohstoffen und – wenn alles glattgeht – ein zweites Mal bei der Gewinnung”

>>Deutschlands verborgene Rohstoffe von Christoph Seidler (Buch) <<

“Der Bergbau wird zunächst an einigen wenigen Punkten wieder wirtschaftlich wichtig werden. Davon werden die Unternehmen profitieren, die das Wagnis eingehen, die alten Lagerstätten mit neuen Mitteln zu erschließen. Weil dadurch auch relativ langfristige Jobs entstehen, werden auch regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt. Manchen sächsischen Politikern ist das aber nicht genug. In den Büros im Regierungsviertel von Dresden wird deswegen darüber debattiert, wie viel der Unternehmensgewinne in die Kassen des Freistaats Sachsen fließen sollen. Im Grundsatz kann das Land den Unternehmen zweimal Geld für ihre geplanten Bergbauaktivitäten abknöpfen, einmal bei der Suche nach den Rohstoffen (»Feldesabgabe«) und – wenn alles glattgeht – ein zweites Mal bei der Gewinnung (»Förderabgabe«).”

“Manchen sächsischen Politikern ist das aber nicht genug” – “Unternehmensgewinne in die Kassen des Freistaats Sachsen fließen sollen”

Im Lausitzer Revier wird jede Menge an Geld verdient und damit auch Steuern gezahlt. Wohin fließt das ganze Geld eigentlich hin? Sicherlich dürfte über Umwege nur ein Bruchteil zurück in die Lausitz kommen.