Die Grundidee des Vollgeldes

Der Geldschöpfungsprozess verdeutlicht, dass Banken durch ihre Kreditvergabe die Geldmenge nahezu unbegrenzt erhöhen können. Ein gewisser Hemmschuh wird hierbei lediglich durch den jeweiligen Mindestreservesatz gesetzt. Das Geld, das dem Bankensystem anvertraut wird, kann nicht vollständig für Kredite eingesetzt werden, da die Mindestreserve zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit praktisch in der Hinterhand gehalten werden muss.
Das Potenzial zur Geldschöpfung im Bankensystem verringert sich mit steigendem Mindestreservesatz (und nimmt entsprechend bei einem sinkenden Reservesatz zu). Dieses Potenzial wird durch den Geldschöpfungsmultiplikator ausgedrückt (100 geteilt durch den Reservesatz). Wenn die EZB einen Mindestreservesatz von 10 Prozent festlegen würde, könnten die Banken die Geldmenge, grob gesagt, verzehnfachen. Bei einer Reservepflicht von 20 Prozent wäre eine Verfünffachung der Geldmenge möglich – und so weiter. Da die EZB gegenwärtig lediglich eine Mindestreserve von einem Prozent verlangt, ergibt sich aktuell ein Multiplikator von 100.
Hier setzt die Grundidee des Vollgeldes an. Der Begriff „voll“ steht für das Gegenmodell zur derzeit praktizierten Mindestreservepolitik der EZB, nämlich für einen Mindestreservesatz von 100 Prozent. In diesem Fall würde der Geldschöpfungsmultiplikator auf 1 sinken; Kreditvergaben wären dann nur noch in Höhe einer entsprechenden Einlage möglich. Und zwar nicht mehr durch die Banken selbst, da diese den Gegenwert als Barreserve halten müssen, sondern durch eine zentrale Institution (Staatsfonds, Zentralbank usw.).
Bei einer Kundeneinlage von 100 Euro könnte eine Bank momentan 99 Euro als Kredit vergeben; 1 Euro bleibt als Reserve in der Kasse. Mit diesem Kredit wird eine Rechnung des Kreditnehmers beglichen; das Geld wird als Einlage zu einer anderen Bank transferiert. Diese Bank wiederum muss 99 Cent als Barreserve halten und kann ihrerseits 98,01 Euro als Kredit vergeben. Das Geld gelangt als Einlage zu einer dritten Bank, die nun 97,03 Euro Kredit vergeben kann. Würde dieser Mechanismus unendlich fortgeführt werden, hätten wir praktisch eine Verzehnfachung der ursprünglich aufgrund der Kundeneinlage vorhandenen Geldmenge. Mit dem Vollgeld würde dieser unendliche Prozess direkt bei der ersten Bank enden. Diese müsste nämlich die gesamte Summe als Barreserve halten. Die Bank wäre bei der Kreditvergabe außen vor.
Gegen die Einführung des Vollgeldes wird insbesondere das Argument vorgebracht, dass die Zentralbank oder eine staatliche Institution als Kreditversorger der Aufgabe einer kompetenten und verantwortungsvollen Steuerung der Kreditvergabe nicht gewachsen ist. Eine solche Steuerung ist zweifelsohne herausfordernd. Andererseits stellt das Vollgeld jedoch ein Mittel zur Bekämpfung von Exzessen an den Finanzmärkten dar. Es ist ein äußerst effektives Instrument, denn letztlich ist es die übermäßig exzessive Kreditvergabe der Banken für fragwürdige Zwecke, die zur Entstehung von Blasen und folglich zu Finanzkrisen führt.