Sprache der Geheimdienste: “Gibt es das: einen lauten Knall inmitten vieler Menschen, den aber nur sehr wenige hören können?”

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Was, wenn aus einer liebevoll-herzlichen Umarmung plötzlich ein fester-unlösbarer Klammergriff wird, welche einen die Luft abdrückt? Etwas zu sehr in Rätseln gesprochen? Oder vielleicht findet ein großer Knall statt? Ist es nun ein wenig offensichtlicher?

“Gibt es das: einen lauten Knall inmitten vieler Menschen, den aber nur sehr wenige hören können?”

>>Die Ibiza-Affäre: Innenansichten eines Skandals von Bastian Obermayer & Frederik Obermaier (Buch) <<

“Gibt es das: einen lauten Knall inmitten vieler Menschen, den aber nur sehr wenige hören können? So würden wir beschreiben, was sich am Abend des 11. April 2019 in Wien ereignet. Dort erklärt der deutsche Satiriker Jan Böhmermann per Videobotschaft sein Fernbleiben bei der Verleihung der »Romy«, wo er einen Preis überreicht bekommen hätte. Er sagt, er hänge gerade »ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt« mit seinen »FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchenvilla auf Ibiza« fest – wo er darüber verhandele, »ob und wie ich die Kronen-Zeitung übernehmen kann und die Meinungsmacht in Österreich an mich reißen kann«. Das alles kommt uns, bis auf das Koks, ziemlich bekannt vor. Und wir fragen uns, was zur Hölle hier gerade passiert.”

“Das alles kommt uns, bis auf das Koks, ziemlich bekannt vor”

Der “laute Knall” bezieht sich auf keine Explosion, sondern auf eine sehr erklärungsbedürftige Fragestellung: Wie konnte ein angeblicher “Satiriker” über Informationen verfügen, welche – zu diesem Zeitpunkt – nur in Geheimdienstkreisen bekannt waren? Vermutlich konnten die allermeisten Menschen mit dem Inhalt der Videobotschaft wenig anfangen, aber ein FPÖ-Politiker dürfte jenen “lauten Knall” vernommen haben. Später stellte sich heraus, dass die Angaben des Satirikers – bis auf wenige Details – stimmen und der betreffende FPÖ-Politiker musste zurücktreten. Inwieweit sich Geheimdienst in die Politik des Auslands und Inlands einmischen, dass muss aus logischen Gründen hier mal offen bleiben. Aber das Sammeln von Kompromat dürfte hiermit als gesichert gelten. Viele staatliche Stellen oder deren Zuträger tragen fleißig Kompromat zusammen. Meist ohne dies selbst zu wissen, – oder weil sie es selbst nicht wahr haben wollen.

“Kritische Eigenauskünfte sowie Informationen, Einschätzungen und «Kompromat», also kompromittierendes Material, über Dritte liefern”

>>Tito – Der ewige Partisan von Marie-Janine Calic (Buch) <<

“Wer in der Komintern arbeitete, musste der Kaderabteilung des Exekutivkomitees in dichter Folge Arbeitsberichte, kritische Eigenauskünfte sowie Informationen, Einschätzungen und «Kompromat», also kompromittierendes Material, über Dritte liefern. Sie war nicht nur für Auswahl und Steuerung der ausländischen Führungskräfte verantwortlich, sondern auch dafür, Ethik und Disziplin in den Schwesterparteien zu prüfen sowie Verrat, Konspirationsverletzung, Mangel an Wachsamkeit und Fraktionskämpfe zu ahnden. Sie funktionierte praktisch als eine Art interner Geheimdienst der Komintern.”

“Sie funktionierte praktisch als eine Art interner Geheimdienst der Komintern”

Man könnte diese Form der Informationssammlung auch als Vorratsdatenspeicherung bezeichnen. Mag sich etwas befremdlich anhören, aber zuweilen wurden diese Informationen auch genutzt.

“Kannte die Schwächen all seiner Genossen” – “Wusste, wie er dieses Wissen am besten ausnutzen”

>>Eine Geschichte Russlands von Orlando Figes (Buch) <<

“Stalin benutzte die politische Polizei, um Parteivertreter auszuspionieren und belastendes Material (kompromat) zu sammeln oder zu fälschen, das bei Bedarf gegen sie verwendet werden konnte. Auf diese Weise wurde die Partei gesäubert und Tausende potenzielle Oppositionelle ausgeschlossen. Sie konnten verhaftet, sogar getötet werden, ohne dass jemand peinliche Fragen gestellt hätte. Stalin spionierte auch gerne selbst seine Genossen aus. Er hatte eine »geheime Abteilung« im Sekretariat, dessen Mitarbeiter ein ganzes Büro voller Akten über Parteiführer füllten, die detailliert deren Schwächen und Ängste aufführten. Diese Informationen stammten aus abgefangenen Briefen und von der Polizei abgehörten Gesprächen. In einer Schublade in seinem Schreibtisch hatte Stalin ein geheimes Telefon, mit dem er private Gespräche hoher Regierungsvertreter im Kreml belauschen konnte. Er kannte die Schwächen all seiner Genossen – deren Mätressen, Kokain-Konsum, ihre homosexuelle Neigung – und wusste, wie er dieses Wissen am besten ausnutzen konnte.”

“Stalin benutzte die politische Polizei, um Parteivertreter auszuspionieren und belastendes Material (kompromat) zu sammeln”

Auch Stalin hat Vorratsdatenspeicherung betrieben, obwohl das Wort zu dieser Zeit noch nicht erfunden war. Dieses drückende Klima der Angst hat faktisch alle in dieser Zeit gefügig gemacht. Und wie sieht es heute aus? Die staatlichen Sammelstellen von Datenbanken werden immer zahlreicher und immer häufiger miteinander vernetzt. Die allergrößten Nutznießer dieser Entwicklung dürften sicherlich die Geheimdienste sein. Die staatliche Umarmung kann – im übertragen Sinn – einen die Luft zum Atmen nehmen. Wenngleich diese Erfahrung auch andere gemacht haben.

“Eine ungeplante Umarmung” – “Der Bundeskanzler hat sich zu keiner Zeit bedroht gefühlt”

>>Süddeutsche Zeitung<<

“Eine ungeplante Umarmung – “Der Bundeskanzler hat sich zu keiner Zeit bedroht gefühlt”, … Der Zwischenfall ereignete sich, nachdem Scholz vom Frankfurter Sitz der Europäischen Zentralbank zum Flughafen gefahren worden war. Der Wagen des Mannes konnte demnach trotz nicht angemeldeten Kennzeichens zusammen mit dem Kanzlerkonvoi die Sicherheitsschranke des Flughafens passieren. Als der Kanzler seine Limousine auf dem Rollfeld verließ, stürmte der Fahrer des Autos auf Scholz zu, schüttelte ihm die Hand und umarmte ihn. Erst in diesem Augenblick seien die Personenschützer auf die potenziell bedrohliche Situation aufmerksam geworden.”

“Gibt es das: einen lauten Knall inmitten vieler Menschen, den aber nur sehr wenige hören können?”

>>Spiegel<<

“Üblicherweise werden die Reisebewegungen von Spitzenpolitikern in Deutschland gut überwacht. Das gilt auch und erst recht für den Bundeskanzler. Daher wirft der nun gemeldete Vorfall aus Frankfurt erhebliche Fragen auf. Ein Autofahrer hat sich demnach mit seinem Privatwagen unbefugt dem Konvoi von Bundeskanzler … angeschlossen und ihn nach dem Aussteigen umarmt, ohne dass die Personenschützer rechtzeitig eingeschritten sind.”

“Üblicherweise werden die Reisebewegungen von Spitzenpolitikern in Deutschland gut überwacht”

Der Mann mit zuweilen großen neurologischen Erinnerungslücken sollte sich diese Umarmung zu Herzen nehmen. Da der Sicherheitsdienst über jeden Schritt des Regierungsmitglieds informiert ist, kann das Wort “Sicherheit” vermutlich auch doppeldeutig verstanden werden. Sollte er seinen politischen Standpunkt ändern, dann wird ihn vermutlich weder irgendwelche neurologischen Erinnerungslücken oder andere Formen der geistigen Umnachtung retten. Zuweilen wirft es die Frage auf: Ob einige Sicherheitskräfte möglicherweise noch zusätzlich für eine dritte Partei tätig sind?