„Eure Armut kotzt mich an“ – Strukturwandel der Energiekosten: „Hartz-IV-Satz deckt Stromkosten nicht ausreichend ab“

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Strukturwandel und der stille Abschied aus der sozialen Verantwortung? In Zeiten explodierender Energiepreise ist es besonders wichtig, die Auswirkungen auf einkommensschwache Haushalte zu analysieren.

“Bundesregierung “unverschämtes Kleinrechnen” der Regelsätze in Hartz IV vorgeworfen”

>>Spiegel<<

“Lebensfern und in keiner Weise bedarfsgerecht” … Die Sätze würden vom Ministerium “unverschämt kleingerechnet”. … Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat der Bundesregierung “unverschämtes Kleinrechnen” der Regelsätze in Hartz IV vorgeworfen. In dem Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums zur Neuermittlung der Regelsätze würden Fehler und Schwächen der bisherigen Methodik fort- und festgeschrieben, erklärt der Sozialverband.”

Hartz IV: “Regelsätze würden Fehler und Schwächen der bisherigen Methodik fort- und festgeschrieben”

Leider zeigt sich dabei immer deutlicher, dass unsere Gesellschaft einen bedenklichen Abschied aus ihrer sozialen Verantwortung nimmt. Ein Beispiel dafür sind die Regelsätze von Hartz IV, welche im Hinblick auf Stromkosten kleingerechnet wurden. Der aktuelle Hartz-IV-Satz deckt diese Kosten unzureichend ab und lässt viele Menschen in prekären Lebenssituationen zurück.

„Hartz-IV-Satz deckt Stromkosten nicht ausreichend ab“

>>Verivox<<

„Hartz-IV-Satz deckt Stromkosten nicht ausreichend ab – Strompauschale im Durchschnitt 22 Prozent zu niedrig bemessen … Für Hartz-IV-Empfänger, die Strom aus der Grundversorgung beziehen, ist die Lücke noch deutlich größer. Hier übersteigen die tatsächlichen Stromkosten … den Regelsatz um 38 Prozent.“

„Übersteigen die tatsächlichen Stromkosten – „Den Regelsatz um 38 Prozent“ 

Die Strompauschale wurde einfach zu niedrig bemessen – eine Lücke zwischen staatlichen Sozialleistungen und realen Stromkosten entsteht somit zwangsläufig. Aber es kommt sogar noch schlimmer, teilweise werden sogar Wechselprämien bei einem Anbieterwechsel als Einkommen behandelt.

„Hartz-IV-Empfänger im teuren Grundversorger-Tarif gefangen“

>>Berliner Zeitung<<

„Hartz-IV-Empfänger im teuren Grundversorger-Tarif gefangen – Wechselt man den Stromanbieter, kann das Jobcenter die Prämie beim Arbeitslosengeld II anrechnen. … Bundessozialgerichts (Az. B 4 AS 14/20 R). Eine einmalige Prämie für den Wechsel des Stromanbieters gilt als Einkommen. Dieses ist auf den Bezug von Grundsicherung anzurechnen. … Beim Heidelberger Vergleichsportal Verivox, das permanent auch den hiesigen Strommarkt analysiert, ist man ob des Urteils verständnislos. … Lücke zwischen staatlichen Leistungen und realen Kosten … “

Strom und Hartz IV: „Lücke zwischen staatlichen Leistungen und realen Kosten“

Es ist besorgniserregend festzustellen, dass gerade in einer relativ modernen Zeit – wo neue Technologien wie Elektromobilität oder intelligente IT-Lösungen den Alltag beeinflussen – bestimmte Bevölkerungsgruppen durch steigende Energiepreise noch stärker benachteiligt werden. Theoretisch sollte dieser Entwicklung das Grundgesetz entgegenzuwirken.

Bundesverfassungsgericht: „Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“

>>Bundesverfassungsgericht<<

„Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat.“

Bundesverfassungsgericht zu Existenzminimum: „Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden“

Eine mögliche Maßnahme wäre beispielsweise die Überprüfung der aktuellen Regelsätze von Hartz IV hinsichtlich angemessener Deckung der tatsächlichen Stromkosten. Der Schutz vor Armut darf nicht vom Zugang zur notwendigen Energieversorgung abhängen. Es ist Zeit, den Abschied aus der sozialen Verantwortung zu stoppen und diejenigen zu unterstützen, die von steigenden Energiepreisen besonders betroffen sind. Leider haben die Entscheidungsträger offenkundig eine andere Philosophie entwickelt.

„Eure Armut kotzt mich an“

>>Süddeutsche Zeitung<<

„Vorurteile in Deutschland : Eure Armut kotzt mich an – Flächendeckende Schmähung: Die Reichen verachten die Armen. – Vorurteile in Deutschland: Eure Armut kotzt mich an Flächendeckende Schmähung: Die Reichen verachten die Armen.“

„Die Reichen verachten die Armen“

Die explodierenden Energiepreise sowie die unzureichende Deckung der Stromkosten durch staatliche Sozialleistungen zeigen auf, dass Handlungsbedarf besteht. Wie weltfremd die behördlichen Annahmen von der Lebenswirklichkeit sind, lässt sich an so mancher Gerichtsentscheidung festmachen.

Behinderungsquote von 70 Prozent: Beatmungsgerät und keine funktionierende Stromversorgung

Ein Hartz-IV-Empfänger, der mit Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen hat, ist in Zahlungsverzug gekommen. Für die Begleichung der Stromkosten steht ihm kein Darlehen vom Jobcenter zu. Das Landessozialgericht wies auf diesen Grundsatz der “zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten” hin und bezog sich dabei insbesondere auf § 2 Absatz 2 SGB II. Der Betroffene hat mit einer Behinderungsquote von 70 Prozent zu kämpfen, welcher nachts auf ein Beatmungsgerät angewiesen ist und somit eine funktionierende Stromversorgung benötigt.

Stromschulden und Strom abgestellt

>>Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen<<

“Der Antragsteller ist auf eine funktionierende Stromversorgung auch nicht nur zur Deckung seiner Grundbedürfnisse angewiesen, sondern hat darüber hinaus auch durch Vorlage eines Attestes nachgewiesen, nachts auf eine Stromversorgung für seine Atemmaske im Rahmen seiner CPAP-Therapie aus gesundheitlichen Gründen angewiesen zu sein. Schonvermögen, dass der Antragsteller vorrangig zur Behebung der Notlage einzusetzen hätte, besteht nach dem derzeitigen Sachstand nicht. … Die Schuldenübernahme ist jedoch nicht gerechtfertigt, weil der Antragsteller nicht alle ihm zumutbaren Selbsthilfemöglichkeiten erfolglos ausgeschöpft hat. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II müssen Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Der Selbsthilfegrundsatz ist zur Auslegung und zur Ermittlung der Reichweite der Obliegenheiten der leistungsberechtigten Person bei der Ausfüllung von Anspruchsvoraussetzungen heranzuziehen (vgl. Kador in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 2 Rn. 5).”

“Nachts auf eine Stromversorgung für seine Atemmaske im Rahmen seiner CPAP-Therapie aus gesundheitlichen Gründen angewiesen zu sein”

Das gesamte Urteil besteht weitestgehend nur aus Textbausteinen, welche gefühlt unzähligen anderen Urteilen einfach hinein kopiert werden. Die Richter erkannten zwar die gesundheitlichen Probleme des Klägers an sowie seine finanziellen Schwierigkeiten, forderten jedoch einseitige Bemühungen seitens des Hartz-IV-Empfängers ein – ohne jedoch genau anzugeben, wie diese Stromkostenlücke geschlossen werden sollte. Durch Maßnahmen wie einer Überprüfung der Regelsätze von Hartz IV oder verstärkter Aufklärungsarbeit können Lösungen gefunden werden, um einkommensschwache Haushalte vor weiterer Benachteiligung zu schützen.