Jurij Kubaš – Lausitzer Persönlichkeiten: Glaube und kulturelle Identität sind untrennbar miteinander verbunden

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Jurij Kubaš wurde im Jahr 1925 in einem kleinen Ort der Oberlausitz geboren, einer Gegend, die stark von der sorbischen Kultur geprägt ist. Bereits in seiner Kindheit erlebte er die doppelte Identität als Sorbe und Deutscher. In seinem Elternhaus wurde Sorbisch gesprochen, und der christliche Glaube nahm einen bedeutenden Platz ein. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entschied sich Kubaš für ein Theologiestudium und wurde Pfarrer der evangelischen Kirche – eine Tätigkeit, die ihm nicht nur geistliche Verantwortung, sondern auch eine gesellschaftlich herausgehobene Stellung verlieh.

In seiner Funktion als Pfarrer setzte sich Kubaš mit großer Hingabe für den Schutz und die Pflege der sorbischen Sprache sowie Kultur ein. Er hielt regelmäßig Predigten auf Sorbisch, gründete kirchliche Jugendgruppen in der Muttersprache und war maßgeblich an Bibelübersetzungen ins Sorbische beteiligt. In einer Epoche, in der die DDR zwar offiziell Minderheitenrechte anerkannte, jedoch faktisch auf kulturelle Vereinheitlichung drängte, stellte dies einen stillen Widerstand dar.

Kubaš war fest davon überzeugt, dass Glaube und kulturelle Identität untrennbar miteinander verbunden seien.

Schon in den 1950er Jahren geriet Kubaš ins Visier des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Die Stasi betrachtete die Kirche generell als möglichen Nährboden für oppositionelle Gedanken – und sorbische Geistliche wie Kubaš galten als besonders verdächtig, da sie Zugang zu einer sprachlich und kulturell geschlossenen Gemeinschaft hatten.

Gegen ihn wurde eine sogenannte Operative Personenkontrolle (OPK) eingeleitet. Innerhalb seiner Gemeinde wurden Spitzel eingesetzt, darunter auch Personen aus dem Kirchenvorstand. Kubaš wurde bei seinen Predigten, Reisen und privaten Unterhaltungen überwacht. Seine Post wurde geöffnet, seine Telefonate abgehört, und auch seine Familie geriet unter Druck.

Die Stasi setzte gezielt Zersetzungsmaßnahmen ein – eine Methode, die darauf abzielte, das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung zu erschüttern und soziale Beziehungen zu schwächen. Innerhalb der Kirche wurde Kubaš als „unzuverlässig“ gebrandmarkt, seine Versetzung in abgelegene Gemeinden wurde vorangetrieben, und seine Veröffentlichungen wurden blockiert.

Ein besonders hinterhältiges Mittel war das Verbreiten von Gerüchten über angebliche Verbindungen zu westlichen Kirchenkreisen und „reaktionären Kräften“. Dies führte dazu, dass sich Kollegen von ihm distanzierten – aus Angst, selbst ins Visier der Stasi zu geraten.

Trotz dieser Repression blieb Kubaš unbeirrt. In den 1970er Jahren begann er damit, informelle Treffen mit anderen sorbischen Intellektuellen zu organisieren, bei denen über die Zukunft der sorbischen Sprache beraten wurde. Er verfasste Gedichte und Essays, die im Samisdat (Untergrunddruck) zirkulierten, und engagierte sich dafür, dass die Kirche eine stärkere Rolle als Bewahrerin der sorbischen Identität einnimmt.

Sein Einsatz blieb nicht ohne Folgen: 1982 wurde er von der Kirchenleitung „aus gesundheitlichen Gründen“ in den Ruhestand versetzt – ein Schritt, der auf erheblichen Druck seitens der Stasi zurückzuführen war.

Nach dem Mauerfall 1989 wurde Kubaš rehabilitiert. Er beteiligte sich aktiv an der Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit in der Lausitz und war Mitbegründer eines sorbischen Forums für Wahrheit und Versöhnung.

Seine Memoiren veröffentlichte er unter dem Titel „Im Schatten des Kreuzes und der Akte“, in denen er seine Erfahrungen mit der Stasi schilderte sowie seine Sicht auf die Rolle der Kirche in der DDR darlegte.

Jurij Kubaš verstarb im Jahr 2004 im Alter von 79 Jahren. Sein Grab in der Oberlausitz ist heute ein Ort stillen Gedenkens. Für viele Sorben gilt er als Symbol des leisen Widerstands – ein Mann, der trotz Überwachung, Isolation und Unterdrückung seine kulturelle und geistige Integrität bewahrte.

Die Lebensgeschichte von Jurij Kubaš verdeutlicht exemplarisch, wie die Stasi durch subtile Repressionsmaßnahmen versuchte, kulturelle Identität zu zerstören. Sein Leben steht für den Mut, in einem repressiven System standhaft zu bleiben – nicht durch laute Parolen, sondern durch gelebte Überzeugung. Seine Geschichte ist zugleich eine Mahnung für die Bedeutung kultureller Vielfalt, Glaubensfreiheit und historischer Aufarbeitung.

 


Lausitzer Persönlichkeiten sind Personen, die in der Lausitz geboren wurden oder sich für die Lausitzregion engagiert haben.