Lausitzer Geschichte: Die Habsburger, Glaubensfragen und die sich verändernde Epoche

Als Kaiser Maximilian II. im Jahr 1576 seine letzte Ruhe fand, hatte er in seiner langen Regierungszeit nicht wenig unternommen, um im Heiligen Reich eine vermeintliche »gottselige Vergleichung der Religion in teutscher Nation« zu erzielen. Darüber hinaus gewährte sein Sohn und Nachfolger Rudolf II. eine gewisse Sicherheit, dass das begonnene Versöhnungswerk weitergeführt würde.
Am spanischen Hof von Philipp II. aufgewachsen, war sich der neue Kaiser bewusst, dass das eigene Haus Habsburg ein weitreichendes Reich regierte. Er war zwar mit den tridentinischen Ansprüchen der Gegenreformation vertraut und fühlte sich durch seinen Verfassungseid verpflichtet, den Vorrang der Römischen Kirche zu wahren. Doch bis zu seinem Rückzug von der politischen Bühne im Jahr 1612 war er selten bereit, einen Kurs einzuschlagen, der den inneren Religions- und Rechtsfrieden gefährden konnte. Wie sein Vater war er erasmisch gesinnt und strebte nach einem friedlichen Ausgleich zwischen den Reichsständen; die unberechenbare Haltung von Konfrontation und militärischer Rechthaberei erschien ihm nicht als angemessenes Mittel zur Herrschaft über dieses große Reich.
Die Anstellung des protestantischen Dänen Tycho Brahe als Hofastronom, dessen Nachfolger im Krisenjahr 1601 der überzeugte Protestant Johannes Kepler aus der Steiermark sein sollte, bekräftigte die persönliche Toleranz dieses außergewöhnlichen Habsburgers. Dennoch sah er sich aus den Reihen der katholischen Reichsstände, die ihre bisherigen Privilegien bedroht sahen, sowie von seinem eigenen Haus unter Druck gesetzt, um die Gegenreformation durchzusetzen; dies führte dazu, dass er in Einzelfällen nachgab. Im Hradschin, der Hauptburg Prags, wo bald der Große Krieg seinen Anfang nehmen sollte, widmete dieser Kaiser seine Zeit lieber der Alchemie mit Kolben, Brennspiegeln und Zirkeln als den üblichen politischen Instrumenten. Auf der Suche nach dem Stein der Weisen schien er zunehmend zu ignorieren, wie vor allem die reformierten Stände (Calvinisten) im Heiligen Reich allmählich zu Waisen wurden – von der alten »Mutter Kirche« entfremdet und von ihm selbst oft als einem »Vater des Vaterlandes« verlassen. Das Vertrauen in eine gerechte Handhabung politischer Macht schwand zusätzlich, seit Rudolfs Bruder Matthias danach strebte, die Führung in der Casa de Austria zu übernehmen. Dies tat er aus Angst, das Erzhaus könnte seinen Einfluss in der Christenheit verlieren: Hatte Rudolf II. doch gegen alle Tradition auf eine Heirat und eigene Nachkommen verzichtet.
In dieser von Erwerbssucht, Besitzstreben und Erbdenken geradezu besessenen Zeit, in der selbst Mundraub wie ein Kapitalverbrechen bestraft werden konnte und dem Tod mit einer Kälte und Verachtung begegnet wurde wie wohl zu keiner anderen Zeit in der früheren Geschichte, stellte die Weigerung des Kaisers einen Hohn auf sein eigenes Haus dar, das sich zur Führung der Welt berufen fühlte. Neben seinem ebenfalls kinderlosen Bruder Matthias, der sich von Jahr zu Jahr größere Chancen ausrechnete, Rudolfs Nachfolger als Haupt der Casa de Austria sowie König von Böhmen und Ungarn oder gar Kaiser zu werden, wartete auch der bigotte Vetter Ferdinand aus der steirischen Linie des Hauses Habsburg geduldig auf seine Gelegenheit. Dieser heftig geführte Dynastie-Konflikt ist als Bruderzwist in die Geschichte eingegangen. In dessen oft dramatischem Verlauf bemühten sich die Reichsstände – Katholiken, Lutheraner und Calvinisten – zunächst darum, ihre materiellen Besitzstände zu sichern oder auszubauen und weniger darum, den Nutzen des Reiches durch die Stärkung seiner Rechts- und Verfassungsorgane zu erhöhen; dies insbesondere nach dem von der calvinistischen Kur-Pfalz gesprengten Reichstag von 1603 in Regensburg.
Seit dem Wiener Fürsten-Konkordat von 1448 entzündete sich die Reformation nicht zuletzt auch an der Frage des Verfügungsrechts über Land und Untertanen, das von der sogenannten Toten Hand beansprucht wurde. Es handelte sich dabei um eine Römisch-katholische Kirche, die infolge der Glaubensspaltung erhebliche Amortisierungen hinnehmen musste, das heißt Rückführungen von Kirchengütern in die öffentliche Hand, wodurch diese weltlicher Besteuerung oder der Nutzung durch nichtkatholische Reichsstände unterlagen. Zwar konnten mit den Verträgen von Passau (1552) und Augsburg (1555) die fortschreitenden Verluste an Besitz zugunsten der alten Kirche zumindest gebremst werden. Dennoch förderten eine Reihe auslegungsfähiger Artikel im Bereich des sogenannten »Geistlichen Vorbehaltes« das weitere Abfallen zahlreicher Stände, Fürsten und Städte zum lutherischen und vor allem reformierten Glaubensbekenntnis. Mit dem Erstarken des politischen Ständewesens auch in Böhmen und trotz aller Gegenmaßnahmen seitens der katholischen Kirche (wie etwa der Bulle Coena Domini) verschoben sich die Besitz- und Machtverhältnisse im Heiligen Römischen Reich zunehmend zugunsten der beiden protestantischen Konfessionen.
Versuche zu gütlichen Einigungen und rechtlichen Regelungen konnten in dieser Zeit wachsender Spannungen nicht verhindern, dass zwei strukturelle Faktoren von 1576 bis zum letzten Reichstag vor dem Großen Krieg (1613) in Regensburg die oft komplexen Erb- und Eigentumsfragen blockierten. Besonders die Reichsstände der Reformierten sorgten immer wieder für Unruhe: Da ihr religiöses Bekenntnis und materieller Besitzstand nicht unter den Rechtsschutz der reichsweiten Vereinbarungen von 1555 fielen, galten sie lediglich als geduldete Sekte. Im Gegensatz zu den Ständen der Lutheraner oder der »Augsburgischen Konfession« wurde ihnen somit der Status einer Konfession mit verfassungsrechtlicher Absicherung verweigert – ein Zustand, der kriegerische Auseinandersetzungen förderte und erst 1648 durch den Gerechten Frieden beendet wurde. Zudem gelang es den katholischen Reichsständen, die Reformierten an der Wahrnehmung von Sitz und Stimme für ihre Glaubensgemeinschaft bei den Reichstagen zu hindern. Dieses Ausschlussverfahren führte allmählich dazu, dass die katholischen Stände zwar formal auf Grundlage der Reichsverfassung die Mehrheit der Stimmen besaßen, tatsächlich aber innerhalb des Heiligen Reiches materiell in der Minderheit blieben. Auf diese Weise erschwerten sie sowohl die effektive Arbeit des Reichstages als auch des Reichskammergerichtes in Speyer.
Die von Aristoteles bereits geforderte Symmetrie des Besitzes als unverzichtbare Grundlage für eine rechtlich-politische Balance in einem gerecht organisierten Gemeinwesen litt seit 1576 zunehmend unter einer Verschiebung zugunsten der Reformierten, die seit 1613 mit dem Übertritt des Kurfürsten von Brandenburg zum Calvinismus an Einfluss gewannen, jedoch eine weitere Entpolitisierung des öffentlichen Lebens kaum verhindern konnten. Die Entfremdung zwischen den politischen Reichsständen sowie der Hass gegen das Haus Habsburg nahmen allmählich bedrohliche Ausmaße an, wie es etwa beim späteren Führer der Calvinisten im Reich, Christian von Anhalt (Sachsen), deutlich wurde. Katholische Gegenreaktionen, insbesondere von jesuitischer Seite, verstärkten nur die religiös begründete Widerstandshaltung sowie die Furcht vor Verlusten des eigenen Besitzes durch Gerichtsurteile, Reichsabschiede oder gewaltsame Maßnahmen.
Welch gravierende Folgen das Ineinandergreifen von Gegenreformation und Enteignung haben konnte, zeigt exemplarisch die Vertreibung Johannes Keplers. Am 2. August 1600 wurde er – wie viele andere Glaubensgenossen – aus der Steiermark ausgewiesen. Der eifrige und besitzgierige Erzherzog Ferdinand verfügte diese Maßnahme per Dekret eigenmächtig und ohne Entschädigung, ohne Rücksicht auf die politischen Stände.
Mit solchen Übergriffen – man scheute sich nicht, Bücher und Bibeln zu verbrennen, Kirchen zu zerstören, Terror zu verbreiten und Verhaftungen vorzunehmen – sicherte Ferdinand, entgegen der Vereinbarung zur Toleranz im »Brucker Libell« von 1578, allmählich die Steiermark für die Römische Kirche und errichtete, nach der Zerschlagung der politischen Ständestruktur durch dieses Erbland der Habsburger, eine patrimoniale Machtbasis. Auf absolutistische Weise hatte er damit ein erfolgreiches Beispiel geschaffen, ohne nennenswerten Widerstand von innen oder außen erleben zu müssen. Es ist daher wenig überraschend, dass er dieses Vorgehen – eine Kombination aus der Zerschlagung von Ständerechten, der Kontrolle des Ausnahmezustands und der Konzentration von Machtkompetenzen – in stets neuen Varianten und auf unterschiedlichen Ebenen wie einen Akt der Selbstjustiz erprobte.
Bei der Wahl von Matthias zum Kaiser im Jahr 1612 musste er jedoch zunächst zurücktreten. Doch bereits 1617 gelang es ihm mit einem Doppelschlag, der Welt zu demonstrieren, welche Ansprüche er in naher Zukunft verwirklicht sehen wollte. Er ließ sich nämlich, nachdem er die Wahlverfassungen Böhmens und des Heiligen Reiches gebrochen hatte, 1617 die Nachfolge im Königsamt sichern und war überzeugt, damit auch ungehindert über Böhmens Kurstimme bei der bevorstehenden Kaiserwahl verfügen und sich selbst dafür empfehlen zu können. Von der patrimonialen Auffassung des Fürstenstandes war er vollständig überzeugt: Land und Leute durften gemäß dieser Machtideologie wie persönliches Eigentum behandelt werden, ohne dass vertragliche Zustimmungen auf Land- oder Reichstagen eingeholt werden mussten. Im Geiste dieses Patrimonialismus schloss er auch mit Philipp III. von Spanien die sogenannten Oñate-Abkommen ab, die regelten, wie die Länder der Wenzelskrone und insbesondere Böhmen künftig vom Hause Habsburg als Erbgut behandelt werden sollten, obwohl das Königsamt in dieser Monarchie seit 1547 nach dem Prinzip der Erbwahl vergeben wurde.
Die zeitgenössische Stimme hatte durchaus recht, die besorgt feststellte, dass sich der Stil am kaiserlichen Hof merklich veränderte. Alles wurde auf Extreme, Bedrohungen und Exekutionsmittel ausgerichtet. Für dieses Verständnis von Politik, das alle denkbaren Mittel des Terrors einsetzte, um die Rekatholisierung voranzutreiben und gleichzeitig die Besitzbasis des Hauses Habsburg zu erweitern, musste in der Hofburg nicht einmal auf das Arsenal des Machiavellismus zurückgegriffen werden. Denn die eigene Propaganda hatte unter anderem mit dem abrupten »Tractatus de autonomia« von 1586 bereits Vorarbeit geleistet, indem sie die Bestrafung von Ketzern zur unbedingten Pflicht eines Landesherrn erklärte.
Die Calvinisten konnten also von dieser militanten Haltung des Erzhauses noch weniger Rücksicht erwarten als die Lutheraner. Das Änderungsprinzip des »Cuius regio, eius religio« seit den 1570er Jahren bot zusätzliche Unterstützung dafür, dass man durch den Erwerb und das Erben von Land auch die Menschen zum alten Glauben zwingen konnte, sofern sie nicht das Recht auf Auswanderung (Ius emigrationis) unter Aufgabe ihres Eigentums in Anspruch nehmen wollten. Angesichts solcher Möglichkeiten des Wandels ist es nicht verwunderlich, dass sich insbesondere die Jesuiten als Stoßtrupp der Kurie mit großem Eifer am Bekehrungswerk des Tridentinischen Konzils beteiligten.