Lausitzer Geschichte: Warum die Tschechen den Lausitzer Sorben am nächsten stehen

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Die Verbindung der Lausitzer Sorben nach Böhmen – respektive Tschechien – war schon immer sehr eng. Zeitweise hat die Lausitz zu Böhmen gehört. Über die Jahrhunderte ist der Kontakt zum südlichen Nachbarn nie wirklich abgebrochen. Sogar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde hitzig darüber diskutiert: Ob die Lausitz erneut wieder zu Tschechien gehören sollte. Und noch immer teilen sich die Lausitz und Böhmen eine gemeinsame Geschichte miteinander.

„Die Tschechen stehen den Lausitzer Sorben am nächsten“

>>Radio Prag<<

„Die Tschechen stehen den Lausitzer Sorben am nächsten – Jahrhunderte lang hatten sie ein enges Verhältnis zu Böhmen, und diese Partnerschaft half ihnen, ihre Kultur und Identität zu bewahren. … Die Mutter des heiligen Wenzels, des tschechischen Nationalen Hauptpatrons aus den 10. Jahrhundert, gehörte zu einem slawischen Stamm aus der Nähe von Berlin. Kein Wunder, dass die böhmischen Könige mit dem deutschen Reich um das Lausitzer Gebiet kämpften: zur Zeit der Luxemburger wurde Lausitz sogar ein Bestandteil des böhmischen Königreichs, erklärt Josef Lebeda von dem Freundeskreis Lausitz:

„Johann von Luxemburg nahm Bautzen 1320 ein. Damit stand ein bedeutender Teil der Lausitz unter seiner Herrschaft. Sein Sohn Kaiser Karl IV. ordnete den deutschen Kurfürsten an, die slawische Sprache ihrer Hörigen zu lernen und auch ihre Kinder in diesem Sinne zu erziehen. Diese Verhältnisse dauerten bis 1635, wann die Habsburger die Lausitz an das protestantische Sachsen abtraten.“

„Zur Zeit der Luxemburger wurde Lausitz sogar ein Bestandteil des böhmischen Königreichs“

Im 19. Jahrhundert lebte die Verbindung zu Böhmen erneut auf. Innerhalb der slawischen Völker wurden viele Kontakte untereinander gepflegt. Besonders Prag kristalisierte sich dabei als bevorzugter Studienorten von jungen Sorben heraus.

„Geschichte der Lausitzer Sorben spielten Verbindungen zu slawischen Völkern eine wichtige Rolle“

>>Kakanien Revisited<<

„In der jüngeren Geschichte der Lausitzer Sorben spielten Verbindungen zu slawischen Völkern eine wichtige Rolle. Seit dem 19. Jahrhundert kann von der Herausbildung einer spezifischen Wechselseitigkeit gesprochen werden. Die geistigen Träger der sorbischen Nationalbewegung entwickelten mit vergleichbaren Bewegungen unter den Polen, Tschechen, Slowaken, Serben und Slowenen vielfältige Kontakte. Breslau sowie Prag gehörten zu den bevorzugten Studienorten junger Sorben.“

„Breslau sowie Prag gehörten zu den bevorzugten Studienorten junger Sorben“

Bis etwa zum Jahre 1950 blieb die Verbindung sehr eng. Es waren sogar spezielle Schule für die zukünftige Sorbische Elite in Tschechien eingerichtet. Zur damaligen Zeit haben viele Sorbische Interlektuelle eine weiterführende Schule in Tschechien – respektive der damaligen Tschechoslowakei – besucht.

„Das Miteinander der slawischen Nachbarn hat eine lange Tradition“

>>Süddeutsche Zeitung<<

„Das Miteinander der slawischen Nachbarn hat eine lange Tradition. So besuchten zwischen 1945 und 1950 rund 300 sorbische Kinder Schulen in Varnsdorf, Česká Lípa und Liberec. Auch die erste Lehrergeneration für das sorbische Bildungswesen wurde in Tschechien ausgebildet.“

„Die erste Lehrergeneration für das sorbische Bildungswesen wurde in Tschechien ausgebildet“ 

Die erste Lehrergeneration des Sorbischen Bildungswesen wurde – nach dem Zweiten Weltkrieg – also komplett in Tschechien ausgebildet. Dazu wurden sogar mehr Schulen auf tschechischen Territorium – ausschließlich für Sorben – eingerichtet.

„Ende des Jahres 1945 starteten sie ein Schulbildungsprojekt für Kinder und Jugendliche aus der Lausitz“

>>Serbski institut – Sorbisches Institut<<

„Ende des Jahres 1945 starteten sie ein Schulbildungsprojekt für Kinder und Jugendliche aus der Lausitz. Die Resonanz war enorm. An eigens für diesen Zweck gegründeten Schulen in Varnsdorf, Česká Lípa und Liberec erhielten zwischen 1945 und 1950 geschätzt 800 sorbische Kinder und Jugendliche eine höhere Schulbildung. Rückblickend scheint die erklärte Absicht der damaligen Initiatoren, den Aufbau einer neuen Elite der nationalen Minderheit der Sorben zu befördern, aufgegangen zu sein. Zahlreiche Beobachter weisen auf die enorme Bedeutung der so genannten „Varnsdorfer Zeiten“ für die Elitenbildung der Sorben hin.“

„Aufbau einer neuen Elite der nationalen Minderheit der Sorben zu befördern“

Das starke Interesse zum Herausbilden einer Sorbischen Elite muss hierbei im Kontext der Zeit gesehen werden: Als im Jahre 1933 Adolf Hitler die Macht übernommen hatte, da wurden die Sorben unterdrückt. Das slawische Volk sollte komplett verschwinden. Nicht wenige Sorben wurden deshalb ins Konzentrationslager eingewiesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg rückte die „Sorbische Frage“ in den Fokus hinein.

Jan Cyz: „Wir wollen deutsche Gesetze nicht mehr befolgen“

>>Lausitzer Rundschau<<

„In der unmittelbaren Nachkriegszeit forderten nicht wenige Sorben einen Anschluss ihres Siedlungsgebietes, also eines Großteils der Lausitz, an die benachbarte Tschechoslowakei beziehungsweise einen eigenen Staat. … „Wir wollen deutsche Gesetze nicht mehr befolgen“, rief beispielsweise Jan Cyz in einem Schreiben auf, verfasst im Jahr 1946 in Bautzen. … Als Gründe führt der Kirchenmann unter anderem die ständige Gefahr der „Germanisierung“ des kleinsten slawischen Volkes ebenso an als auch die Tatsache, dass die Sorben zu den ganz wenigen Völkern Europas gehören, die über kein eigenes Staatsgebiet verfügen.“

„Anschluss ihres Siedlungsgebietes, also eines Großteils der Lausitz, an die benachbarte Tschechoslowakei beziehungsweise einen eigenen Staat“

Alleine die konsequente Ausbildung der Sorbischen Elite in Tschechien zeigte deutlich: Solche Forderungen waren nicht nur aus der Luft gegriffen, sondern hatten einen ersten Hintergrund. Erst mit der Gründung der DDR ebbte schließlich die Diskussion – mehr oder weniger unfreiwillig – ab.