Strukturwandel: “Zukunftsszenario für die wirtschaftlichen Perspektiven gerade in der Lausitz klingt wie eine historische Vorlage aus dem Jahr 1996”

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Die Folgen der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe sind vielfältig und tiefgreifend. Im Endeffekt wurde damit Sozialhilfeniveau nach unten gedrückt. Im Zuge der Diskusion rund um Umzugs- oder Wegzugsprämien werden die Konsequenzen für die Betroffenen  offensichtlich.

“Umzugsprämien und Abfindungen für die Lausitz”

>>Lausitzer Rundschau<<

“Umzugsprämien und Abfindungen für die Lausitz – Wirtschaftswissenschaftler der   aus Halle haben die Folgen eines beschleunigten Kohleausstiegs für die betroffenen Reviere untersucht. Ihr Zukunftsszenario für die wirtschaftlichen Perspektiven gerade in der Lausitz klingt wie eine historische Vorlage aus dem Jahr 1996.”

“Zukunftsszenario für die wirtschaftlichen Perspektiven gerade in der Lausitz klingt wie eine historische Vorlage aus dem Jahr 1996”

Die wirtschaftlichen Perspektive soll also Wegziehen lauten, nur ohne Umzugsprämien oder Abfindungen. Schon seit längerer Zeit findet ein Sozialabbau statt. Insbesondere durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ist es augenfällig geworden. Durch den Wegfall dieser finanziellen Hilfe werden sie in eine prekäre Lage gedrängt und sind gezwungen, andere Wege zu finden, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

“Die Arbeitslosenhilfe wurde 1956 als Fürsorgeleistung – vergleichbar der Sozialhilfe – eingeführt”

>>Kampf um die Armut von Ulrich Schneider (Buch) <<

“Die Arbeitslosenhilfe wurde 1956 als Fürsorgeleistung – vergleichbar der Sozialhilfe – eingeführt und aus Bundesmitteln gezahlt, wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld erloschen war. In den meisten Fällen betraf das Langzeitarbeitslose, die mehr als ein Jahr arbeitslos gemeldet waren.”

“Arbeitslosenhilfe” – “Wenn der Anspruch auf Arbeitslosengeld erloschen war”

Mit der Agenda 2010 wurde nicht nur die Arbeitslosenhilfe ersatzlos gestrichen, sondern noch viele weitere soziale Rechte abgeschafft. Am Ende hat das heute berüchtigte Hartz-IV-Behördenkonstrukt gestanden.

“Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt” – “Die als Hartz I bis Hartz IV bekannt geworden sind”

>>Kinder der Ungleichheit von Carolin Butterwegge & Christoph Butterwegge (Buch) <<

“Das eigentliche Herzstück der Agenda 2010 waren vier Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, die als Hartz I bis Hartz IV bekannt geworden sind. Mit dem Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz I), das am 1. Januar 2003 in Kraft trat, wurden die Barrieren der Bedürftigkeitsprüfung erhöht, welcher sich Bezieher/innen von Arbeitslosenhilfe unterziehen mussten. Während die Vermögensfreibeträge deutlich gesenkt und die Mindestfreibeträge für verdienende (Ehe-)Partner/innen um 20 Prozent gekürzt wurden, entfiel der Erwerbstätigenfreibetrag ganz.”

“Die Barrieren der Bedürftigkeitsprüfung erhöht”

Eine erhöhte Barriere bei der Bedürftigkeitsprüfung bedeutet, dass viele Menschen, die zuvor Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hatten, nun leer ausgehen. Diese Gruppe von Arbeitssuchenden ist besonders gefährdet und würde dringend Unterstützung benötigen. Ein weiterer gravierender Aspekt ist die Degradierung von hochqualifizierten Akademikern oder Facharbeitern zu Hilfsarbeitern.

“So gut wie jede Arbeit war nun vom ersten Tag der Arbeitslosigkeit an rechtlich zumutbar und musste angenommen werden”

>>Kein Wohlstand für alle!? von Ulrich Schneider (Buch) <<

“Die Arbeitslosenhilfe schaffte Rot-Grün komplett ab und erfand stattdessen »Hartz IV«, was im Grunde nichts anderes war als Sozialhilfe für Erwerbsfähige. Viele Arbeitslose hatten nun deutlich weniger im Portemonnaie als vor der Agenda-Politik. Die Zahl all derer, die auf Sozialhilfeniveau leben mussten, stieg durch diese »Reformen« binnen eines halben Jahres von 4,5 Millionen auf 7,2 Millionen Menschen. Hinzu kam, dass Arbeitslose mit Hartz IV nicht nur in die Armut geschickt wurden, sondern auch jeglichen berufsbiografischen Schutz verloren. So gut wie jede Arbeit war nun vom ersten Tag der Arbeitslosigkeit an rechtlich zumutbar und musste angenommen werden. Die Opfer dieser Neuregelung konnten es gar nicht fassen. Über Nacht vom Akademiker oder Facharbeiter zum Hilfsarbeiter degradiert. Hilfesuchend wandte sich damals ein arbeitsloser Bauingenieur, Ende fünfzig, an mich, der in einem Ein-Euro-Job mit Kindern an einer Grundschule Papierflieger basteln sollte.”

“Arbeitsloser Bauingenieur” – “Ein-Euro-Job mit Kindern an einer Grundschule Papierflieger basteln”

Dies führt nicht nur dazu, dass diese Personen unter ihrem eigentlichen Potenzial arbeiten müssen, sondern auch ihre berufsbiografische Entwicklung stark beeinträchtigt wird. Ein arbeitsloser Bauingenieur sollte plötzlich an einer Grundschule Papierflieger basteln müssen. Durch den Verlust des berufsbiografischen Schutzes stehen viele Menschen vor existentiellen Herausforderungen. Eine jahrelange Beschäftigung als Facharbeiter oder gar Akademiker kann durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe schnell zunichtegemacht werden. Deshalb sind auch keine Wegzugsprämien mehr nötig, weil der Umzug in eine andere Gegend quasi per Verwaltungsakt einfach angeordnet werden kann.

“Jeder Zehnte will die Lausitz verlassen”

>>Weisswas24.de<<

“Jeder Zehnte will die Lausitz verlassen – Dazu wurden im Februar 1.000 Menschen aus der Lausitz befragt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben sind und wie sie die Region wahrnehmen.”

Abwicklung des Lausitzer Reviers: Abstimmung mit dem Füßen hat begonnen

Die Mobilität in eine andere Gegend oder bisweilen anderes EU-Land wird dadurch einfach abverlangt. Es wäre eigentlich an der Zeit, eine offene Debatte darüber zu führen, um die Situation der Betroffenen besser zu reflektieren. Insbesondere die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe hat dazu geführen, dass Menschen mit Potenzial und Talent in prekären Verhältnissen landen. Eigentlich wäre es die Aufgabe der politischen Verantwortlichen, den angedachten Kohleausstieg aufzuheben und den Menschen in der Lausitz eine Perspektive zu bieten und sie bei ihrer beruflichen Entwicklung zu unterstützen.