Nigeria: Erstaunen über US-Einschätzung zur Religionsfreiheit

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Lage der Christen im Land laut Pastoren und Analysten unverändert dramatisch

Am 15. November veröffentlichte das US-Außenministerium seine jährliche Einschätzung zur weltweiten Bedrohung der Religionsfreiheit – und sorgte dabei für einige Verwunderung. Besonders die milde Einordnung Nigerias stieß sowohl bei dort lebenden Christen als auch bei zahlreichen Fachleuten auf Unverständnis. Denn in keinem anderen Land werden annähernd so viele Christen aus religiösen Motiven ermordet wie in Nigeria.

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Von Open Doors

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Nigerianische Kirchen bitten US-Regierung um Erklärung

Mit der Liste der „besonders besorgniserregenden Länder“ (Countries of Particular Concern, CPC) weist das US-Außenministerium alljährlich auf Staaten hin, in denen es zu „systematischen, andauernden und ungeheuerlichen Verstößen gegen die Religionsfreiheit“ kommt. Diese Einstufung dient häufig als Grundlage für die Verhängung von Sanktionen seitens der US-Regierung. Erst im vergangenen Jahr hatten die USA Nigeria erstmals auf diese Liste gesetzt und dafür viel Zustimmung von Experten im Bereich Religionsfreiheit erhalten.

Die jetzige Streichung des Landes von der Liste bezeichnete US-Außenminister Blinken als „faktenbasiert“, ohne nähere Einzelheiten zu nennen. Vertreter der „Christlichen Vereinigung von Nigeria“ (CAN) zeigten sich „ratlos“ im Hinblick auf die Statistiken, die der Entscheidung durch die US-Regierung zugrunde gelegt wurden. Sie verwiesen im Gespräch mit der Nachrichtenplattform „Sahara Reporters“ darauf, dass Christen weiterhin von islamistischen Gruppen und anderen islamischen Vereinigungen im Land verfolgt würden: „Wir bitten die US-Regierung dringend, uns zu helfen, indem sie uns wissen lässt, was sich [seit der Veröffentlichung der Liste im Vorjahr] bis heute geändert hat.“

Der nigerianische Pastor und Friedensaktivist Gideon Para-Mallam äußerte die Befürchtung, dass durch die Streichung Nigerias „das Ausmaß der Straf- und Gesetzlosigkeit, unter der das nigerianische Volk in der gegenwärtigen Situation leidet“, weiter zunehmen könnte.

Auch die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (USCIRF), die die Länder für die CPC-Liste vorschlägt, zeigte sich schockiert über die „unerklärliche“ Streichung Nigerias von der Liste: „Wir bitten das Außenministerium dringend, seine Einschätzung anhand der in seinem eigenen Bericht dargelegten Fakten nochmals zu überdenken.“

„Nigeria steuert auf eine katastrophale Situation zu“

Frans Veerman, geschäftsführender Direktor der Open Doors Forschungsabteilung World Watch Research (WWR), betonte: „Die Situation in Nigeria hat sich nicht verbessert und es gibt keinen klaren Grund, warum Nigeria den CPC-Status verlieren sollte. Untersuchungen über die Gewalt im Land haben ergeben, dass die Zahl der Getöteten höher ist als im vergangenen Jahr. Vieles deutet darauf hin, dass Nigeria auf eine katastrophale Situation zusteuert. Viele Ortschaften wurden geplündert oder dauerhaft besetzt, Ernten vernichtet und Ackerland besetzt. Auch gewaltlose Anfeindungen gegen Christen sind an der Tagesordnung, insbesondere in den Scharia-Staaten.“

Auf dem Weltverfolgungsindex 2021 steht Nigeria an 9. Stelle der Länder, in denen Christen am stärksten wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Die zahlreichen gewaltsamen Übergriffe betreffen jedoch auch moderate Muslime, die nicht zu einer der militanten Gruppen gehören.