Proteste in der Landwirtschaft als Dauerveranstaltung

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Ob eine Sternfahrt mit Traktoren, Aufstellen von mahnenden Kreuzen oder gewöhnlicher Protest von Landwirten: Immer häufiger tragen Bauern ihren Unmut öffentlich vor. Die Gründe kommen bestimmt nicht aus heiteren Himmel gefallen: Gefühlt im Wochenrhythmus werden neue Beschränkungen erlassen und das negative Bild über Landwirtschaft wird Medial ebenfalls immer weiter befeuert.

Dauerveranstaltung: Protestkundgebungen der Landwirte

Allerdings sind die Proteste nicht nur auf Deutschland beschränkt, sondern ebenso in anderen Ländern finden vergleichbare Kundgebungen statt. Und bei genauer Betrachtung: So ganz Einzigartig stellt sich die Situation – aus der Geschichte heraus betrachtet – keineswegs dar.

Bauernproteste in Polen: „Mit landesweiten Straßenblockaden und einer Demonstration in Warschau“

>>SUS-Redaktion<<

„Mit landesweiten Straßenblockaden und einer Demonstration in Warschau haben mehrere tausend Landwirte in Polen ihren Forderungen nach einer stärkeren Unterstützung Ausdruck verliehen.“

Bauernproteste in Polen: „Forderungen nach einer stärkeren Unterstützung“

Auch wenn es einen anderen Anschein erwecken mag: Hinter dem Protesten ist durchaus eine Struktur zu finden. Genauso sind die Probleme der polnischen Landwirte durchaus mit denen in Deutschland vergleichbar. In einigen – nach außen hin – unscheinbarer Verein sind mittlerweile mehr Landwirtschaftsbetriebe als in so manchen offiziellen Bauernverband organisiert.

„Fast 1.500 Mitgliedsbetriebe und mehr als 100 Fördermitglieder aus ganz Deutschland“ 

>>Bauer Willi<<

„Fast 1.500 Mitgliedsbetriebe und mehr als 100 Fördermitglieder aus ganz Deutschland zeigen als Botschafter ihren Einsatz für die heimische Landwirtschaft.“

„Einsatz für die heimische Landwirtschaft“

Diese neue Form der Solidarität stößt aber nicht überall auf Gegenliebe: Die Bauern-Vereinigung „Land schafft Verbindung“ wurde in der Wikipedia kurzerhand gelöscht, dafür wird gegenläufigen Bewegungen – auf der selben Plattform – viel Raum geboten: Unter Neutralität ist gewiss etwas anderes zu verstehen. In welche tendenzielle Richtung die Berichterstattung geht: Das macht recht deutlich der staatliche Rundfunk vor.

„Patriotisch und antideutsch“ – Warum beim Bauernprotest in Polen der staatliche Rundfunk plötzlich ins patriotische Lager wechselt

>>Staatsfunk „Mitteldeutsche Rundfunk“ <<

„Patriotisch und antideutsch – „Mützen runter!“, kommandiert Kolodziejczak denn auch weiter und lässt aus den Lautsprechern ein altes polnisches Lied erklingen, das vor 100 Jahren als Manifest gegen die Unterdrückung des Polentums durch Preußen entstand. „Wir lassen uns nicht vom Feinde quälen“, „der Deutsche wird uns nicht ins Gesicht spucken“, „wir lassen die Würde Polens nicht erdrücken, so Gott uns helfe“

Divide et impera: Teile und Herrsche in Berichterstattung

Hier zeichnet sich recht deutlich die Flexibilität in der „Haltung“ in der Berichterstattung ab: Während ansonsten das Zeigen einer „Reichsflagge“ bei Protesten praktisch als rechtsextreme Kundgebung gebrandmarkt wird, sollen hier widerum „Patriotismus“ und „Antideutsch“ plötzlich ganz wichtige Themen sein. Der staatliche Rundfunk kann also blitzschnell seine „Haltung“ um 180 Grad drehen, sofern es gerade in die Berichterstattung passt. Ohnehin dringt das Anliegen der polnischen Bauern kaum in dem Bericht durch, dafür nimmt die vermeintliche Antideutsche-Haltung der polnischen Proteste viel Raum ein.

Warum polnische und deutsche Bauern vor dem gleichen Problemen stehen

Divide et impera – Teile und Herrsche in Berichterstattung. Zudem tragen die „Deutschen“ an der misslichen Lage der polnischen Bauern keinerlei Schuld, sondern die Übeltäter sind wohl eher innerhalb der Regierungen zu suchen: Aber diese einfache Schlussfolgerung wird dann im Bericht doch lieber verschwiegen. Ohnehin müssen sich die Bauern in beiden Ländern faktisch mit den selben Problemen herumplagen. Dabei würde ein europäischer Bauernprotest nur eine Neuauflage ein ganz alten Idee bedeuten.

16 Jahrhundert und Gegenwart: Was das adeliges Jagdrecht war – Das ist heute der moderne Naturschutz

>>1517: Weltgeschichte eines Jahres von Heinz Schilling (Buch) <<

„1517 kam es im Oberrheintal zu gefährlichen Bauernunruhen, die die Obrigkeiten sogleich alarmierten, weil sie an die Freiburger Bundschuhverschwörung von 1513 und den Württembergischen «Armen Konrad» im Jahr darauf erinnerten. Im Herzogtum Württemberg hatten sich die Bauern – empört über eine neue Steuer und vielleicht mehr noch über den Versuch, sie hinters Licht zu führen, indem die Steuer durch eine Veränderung der Maße und Gewichte indirekt und damit verschleiert eingetrieben wurde – zu einem Widerstandsbündnis zusammengeschlossen, dem auch unterbürgerliche Schichten der Amtsstädte beigetreten waren. Der Steuerprotest hatte sich rasch zu einem weit grundsätzlicheren Beschwerdebündel erweitert, so gegen die Willkür der herzoglichen Beamten, gegen die Einschränkung der bäuerlichen Waldnutzung, gegen die Schäden, die die adligen Jäger oder das für ihre Jagd gehegte Wild auf den Feldern der Bauern anrichteten. … Hatten die Bauern bislang stets nur «einzelne Herrschaftstitel angefochten», so stellten sie nun «die bestehenden Formen von Herrschaft und Staatlichkeit an sich in Frage». … Zum Aufstand bereite Bauern schwören auf die Bundschuh-Fahne.“

„Zum Aufstand bereite Bauern schwören auf die Bundschuh-Fahne“

Teilweise spiegeln die Anfänge der Bauernunruhen rund um die Bundschuh-Bewegung im 16. Jahrhundert – recht tagesaktuelle Probleme wider. Damals musste das Wild für die Adeligen zur Jagd geschont werden, heutzutage ist an deren Stelle der moderne Naturschutz getreten. Auch die damaligen Widerstände gegen Abgaben, Steuern und vielerlei Beschränkungen rufen Erinnerungen an die Gegenwart wach. Genauso das Unbehagen der herrschenden Klasse im Zuge dieser Proteste ist Unverändert geblieben.