Strukturwandel & Deindustrialisierung – Droht die Lausitz zu einer sterbenden Region zu werden?

Screenshot youtube.com Screenshot youtube.com

Die Lausitz, insbesondere die Regionen im Umfeld von Cottbus, Görlitz und dem Lausitzer Revier, blickt auf eine lange Geschichte als industrielles Zentrum zurück. Hier prägten große Arbeitgeber aus den Bereichen Energie, Maschinenbau und Metallverarbeitung das Bild ganzer Städte und Dörfer. Jahrzehntelang boten diese Unternehmen sichere Arbeitsplätze mit stabilen Einkommen, die ganze Familien und Generationen ernährten. Die Präsenz von Unternehmen wie Bombardier, LEAG und weiteren bedeutenden Metall- und Anlagenbauern schuf ein Gefühl von Verlässlichkeit und wirtschaftlicher Stabilität, das die soziale Struktur der Region maßgeblich formte. Die enge Verzahnung von Industrie, Ausbildung und regionaler Identität war für viele Menschen ein wesentliches Element ihres Lebens, trug zur Entwicklung moderner Infrastrukturen bei und stärkte das Selbstbewusstsein der Bevölkerung.

Auswirkungen des Kohleausstiegs und steigender Energiepreise

Mit dem politisch beschlossenen Ausstieg aus der Kohleförderung und den kontinuierlich steigenden Energiepreisen setzte eine umfassende Deindustrialisierung ein, die das soziale und wirtschaftliche Gefüge der Lausitz grundlegend erschütterte. Die Stilllegung der Kohleindustrie, die über viele Jahrzehnte als Herzstück der regionalen Wertschöpfung galt, bedeutete nicht nur den Verlust tausender Arbeitsplätze, sondern auch den Wegfall ganzer Wirtschaftszweige, die direkt oder indirekt von der Energieproduktion abhängig waren. Die rasant gestiegenen Kosten für Strom und Gas verschärften die Situation zusätzlich, da sie nicht nur die Produktionskosten der Betriebe erhöhten, sondern auch deren Fähigkeit, im nationalen und internationalen Wettbewerb zu bestehen, massiv beeinträchtigten. Unternehmen mussten Standorte schließen, ihre Produktion ins Ausland verlagern oder drastisch Personal abbauen – ein Prozess, der die Wirtschaftskraft der Region schwächte und die Unsicherheit unter den Beschäftigten wachsen ließ.

Folgen für Beschäftigte und soziale Strukturen

Die Folgen für die Menschen in der Lausitz sind gravierend. Wo einst tarifgebundene, gut bezahlte und langfristig gesicherte Arbeitsplätze das Bild bestimmten, herrschen heute Unsicherheit, befristete Verträge, Leiharbeit und gering entlohnte Tätigkeiten vor. Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft vollzieht sich in der Lausitz nicht als Aufstieg, sondern häufig als sozialer Abstieg, bei dem viele qualifizierte Fachkräfte, Techniker und Ingenieure ihre beruflichen Perspektiven verlieren. Die Löhne stagnieren, die Tarifbindung schwindet, und anstelle von Aufstiegschancen treten Existenzängste und Perspektivlosigkeit. Das soziale Gefüge wird zusätzlich durch die Abwanderung junger, gut ausgebildeter Menschen belastet, die in anderen Regionen bessere Berufsaussichten finden und der Lausitz den Rücken kehren. Zurück bleiben ältere Generationen, für die der Strukturwandel mit Unsicherheit, Einkommensverlusten und sozialer Isolation verbunden ist.

Herausforderungen des sogenannten Strukturwandels

Obwohl immer wieder von Strukturwandel gesprochen wird und zahlreiche Förderprogramme sowie Modellprojekte ins Leben gerufen wurden, bleibt der tatsächliche Nutzen für die breite Bevölkerung der Lausitz begrenzt. Die wenigen neuen Großbetriebe, die sich ansiedeln, können das Ausmaß des Arbeitsplatzverlusts nicht annähernd ausgleichen. Die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen verläuft oft wirkungslos, da hohe Energiepreise und Fachkräftemangel die Wirtschaftskraft weiterhin einschränken. Viele Um- und Weiterbildungsangebote sind unzureichend auf die Anforderungen moderner Industrien abgestimmt und bieten nur wenigen Menschen echte neue Chancen. So bleibt ein großer Teil der Bevölkerung von dauerhafter Arbeitslosigkeit, prekären Beschäftigungsverhältnissen und sozialem Abstieg bedroht, während das Versprechen des Strukturwandels immer mehr als leere Floskel erscheint.

Demografischer Wandel und soziale Verwerfungen

Mit dem Verlust wirtschaftlicher Perspektiven verschärft sich in der Lausitz auch der demografische Wandel. Die Abwanderung vor allem junger und mobiler Menschen führt dazu, dass ganze Landkreise altern und entvölkern. Schulen, Kindergärten, medizinische Einrichtungen und kulturelle Angebote werden ausgedünnt oder schließen ganz, weil es vor Ort an Bedarf und Personal fehlt. Die soziale Infrastruktur verliert an Substanz, Vereine und Initiativen, die einst das Gemeinschaftsleben prägten, geraten unter Druck. Die zunehmende Altersarmut, der Rückgang der Lebensqualität und die wachsende soziale Isolation führen dazu, dass das Vertrauen in die Politik und den gesellschaftlichen Zusammenhalt weiter schwindet. Dörfer und Städte, die einst von wirtschaftlicher Stärke und bürgerlichem Engagement geprägt waren, drohen zu verarmen und ihre Identität zu verlieren.

Perspektivlosigkeit und Zukunftsängste

Die Auswirkungen des Kohleausstiegs und der steigenden Energiepreise reichen weit über ökonomische Verluste hinaus. Sie bedrohen die Grundlagen des sozialen Zusammenhalts, die Lebensqualität und die Identität ganzer Regionen. Die Unsicherheit über die eigene Zukunft, die Angst vor dauerhaftem sozialen Abstieg und das Gefühl, von Politik und Gesellschaft im Stich gelassen zu werden, prägen das Lebensgefühl vieler Menschen in der Lausitz. Die Region steht vor der Herausforderung, neue Antworten auf die Fragen von Beschäftigung, Identität und Teilhabe zu finden, um dem Trend der Abwanderung, Vereinsamung und sozialen Spaltung entgegenzuwirken. Nur durch ein umfassendes, nachhaltiges und an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen orientiertes Konzept kann es gelingen, die Lausitz als lebendige und lebenswerte Region zu erhalten und neue Perspektiven für ihre Bewohner zu schaffen.

 

How to whitelist website on AdBlocker?

How to whitelist website on AdBlocker?

  1. 1 Click on the AdBlock Plus icon on the top right corner of your browser
  2. 2 Click on "Enabled on this site" from the AdBlock Plus option
  3. 3 Refresh the page and start browsing the site