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Marja Kubašec wurde am 7. März 1890 in der Lausitz geboren und wuchs in einem sorbischsprachigen Elternhaus auf. Bereits in jungen Jahren entfaltete sie eine große Begeisterung für Sprache, Literatur und Bildung. Als eine der ersten Frauen aus dem sorbischen Volk absolvierte sie ein Lehramtsstudium und avancierte später zu einer Wegbereiterin der sorbischen Frauenbildung.

Ihre frühen Schriften – darunter Gedichte, Erzählungen und Theaterstücke – spiegelten das Leben der Sorben wider und trugen entscheidend zur kulturellen Selbstbestätigung dieser Minderheit bei. Kubašec war überzeugt davon, dass Bildung und Literatur essenzielle Mittel zur Bewahrung der sorbischen Identität darstellen.

In den 1920er und 1930er Jahren war Kubašec als Lehrerin tätig und engagierte sich aktiv in der Maćica Serbska, der sorbischen wissenschaftlichen Gesellschaft. Sie veröffentlichte zahlreiche Texte in sorbischer Sprache und setzte sich vehement für die Gleichstellung von Frauen innerhalb der sorbischen Gemeinschaft ein.

Ihr bekanntestes Werk, der Roman „Wusadny“, behandelt die Konflikte zwischen sorbischer Tradition und der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Mit diesem Buch wurde sie zur Stimme einer Generation, die zwischen Anpassung an die dominante Kultur und kultureller Selbstbehauptung hin- und hergerissen war.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Kubašec zunächst als Kulturschaffende in der DDR anerkannt. Ihre Werke erfuhren Förderung, und sie wurde mit mehreren Auszeichnungen geehrt. Mit zunehmender ideologischer Kontrolle durch die SED geriet sie jedoch ins Visier der Staatssicherheit.

Die Stasi bewertete ihre literarischen Arbeiten als „potenziell nationalistisch“ und „linieabweichend“. Besonders ihre Betonung der sorbischen Eigenständigkeit sowie ihre kritische Haltung gegenüber der staatlichen Gleichschaltung der Domowina führten zu ihrer Beobachtung. Gegen sie wurde eine Operative Personenkontrolle (OPK) eingeleitet.

In ihrem Umfeld wurden Inoffizielle Mitarbeiter (IMs) eingesetzt, darunter ehemalige Kollegen und Mitglieder der Maćica Serbska. Ihre Korrespondenz wurde überwacht, Manuskripte beschlagnahmt sowie Veröffentlichungen verzögert oder zensiert.

Kubašec reagierte nicht mit offener Konfrontation, sondern zeigte subtilen Widerstand. Sie schrieb weiterhin – häufig unter Pseudonym – und veröffentlichte Texte, die zwischen den Zeilen Kritik an der DDR-Politik übten. Im privaten Kreis las sie unveröffentlichte Manuskripte vor und unterstützte junge sorbische Autoren, die sich nicht dem offiziellen Kulturkanon unterwerfen wollten.

Ihre Wohnung in Bautzen entwickelte sich zu einem Treffpunkt für Intellektuelle, Künstler und Dissidenten. Trotz ständiger Überwachung blieb sie eine Mentorin und kulturelle Autorität.

Nach 1989 erfolgte eine Neubewertung von Kubašecs Rolle. Ihre Stasi-Akte offenbarte das Ausmaß der Überwachung sowie die Versuche, sie zu isolieren. Viele ihrer Werke wurden neu herausgegeben, und sie erhielt posthum zahlreiche Ehrungen.

Insbesondere ihr Einsatz für die sorbische Frauenbildung sowie ihre literarische Auseinandersetzung mit Fragen von Identität, Sprache und Macht gelten heute als richtungsweisend. Sie avancierte zur Symbolfigur für kulturellen Widerstand – nicht durch lauten Protest, sondern durch stille Beharrlichkeit.

Marja Kubašec verstarb 1976, doch ihr Vermächtnis lebt fort. Schulen, Bibliotheken und Kulturzentren in der Lausitz tragen heute ihren Namen. Ihre Werke sind fester Bestandteil des sorbischen Literaturkanons, und ihre Lebensgeschichte wird in Bildungsprojekten sowie Ausstellungen vermittelt.

Ihr Leben zeigt exemplarisch, dass kulturelle Selbstbehauptung auch unter repressiven Bedingungen möglich ist – durch Bildung, Sprache und Gemeinschaft. Sie steht für eine Generation, die sich nicht vereinnahmen ließ und ihre Identität bewahrte.

Die Biografie von Marja Kubašec ist ein eindrucksvolles Beispiel für leisen Widerstand gegen staatliche Repression. Als Schriftstellerin und Pädagogin setzte sie sich unermüdlich für die sorbische Kultur ein – auch als die Stasi versuchte, sie zum Schweigen zu bringen. Ihr Wirken mahnt eindringlich zur Wertschätzung kultureller Vielfalt sowie zur Bedeutung historischer Aufarbeitung – und zeigt zugleich den Mut auf, in schwierigen Zeiten die eigene Stimme zu bewahren.

 


Lausitzer Persönlichkeiten sind Personen, die in der Lausitz geboren wurden oder sich für die Lausitzregion engagiert haben.