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Nur wenige Tage nach den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 verkündete US-Präsident George Bush den »Krieg gegen den Terror«. In einer viel beachteten Rede Mitte September 2001 vor beiden Kammern des Kongresses erklärte er:

»Wir werden jede uns zur Verfügung stehende Ressource einsetzen – jedes Instrument der Geheimdienste, jede Maßnahme der Strafverfolgung, jeden finanziellen Einfluss und jede erforderliche Waffe, um das globale Terrornetzwerk zu zerschlagen und zu besiegen.«

Schon bald wurde deutlich, dass sich diese Ankündigung nicht nur auf militärische Einsätze in Afghanistan und gegen andere Staaten der sogenannten »Achse des Bösen« bezog, sondern auch auf einen kompromisslosen Kampf gegen mutmaßliche Gegner im eigenen Land – ein Vorgehen, das erhebliche Einschränkungen der Bürgerrechte in Kauf nahm.

Bereits einen Monat nach den Anschlägen verabschiedeten mit überwältigender Mehrheit zunächst der Senat (96 zu 1 Stimmen) und anschließend das Repräsentantenhaus den »Patriot Act«, der den Geheimdiensten und Polizeibehörden weitreichende neue Befugnisse einräumt. Die verabschiedeten Maßnahmen umfassen unter anderem das Abhören von Telefonaten, das Mitlesen von E-Mails sowie den verdeckten Zugriff auf diverse private Datenbestände – von Telekommunikationsdaten, die von Telefonanbietern gespeichert werden, bis hin zu Informationen über das Leseverhalten in öffentlichen Bibliotheken. In den USA hatte es zuvor nie derart drastische Eingriffe in die Bürgerrechte ohne ausführliche öffentliche Debatte gegeben. Zahlreiche Senatoren und Abgeordnete beklagten noch kurz vor der Abstimmung, sie hätten nicht einmal ausreichend Zeit gehabt, die ihnen nur wenige Tage zuvor übermittelten, mehrere hundert Seiten umfassenden Gesetzesentwürfe vollständig zu prüfen. Dass die Gesetze dennoch mit großer Mehrheit angenommen wurden, deutet auf den enormen öffentlichen Druck hin, dem die Parlamentarier nach dem 11. September ausgesetzt waren.

Die Umsetzung des Patriot Act wurde und wird von der US-Regierung weitgehend als vertrauliche Angelegenheit behandelt. Dennoch gelangen immer wieder Einzelheiten an die Öffentlichkeit, die nicht nur bei engagierten Bürgerrechtlern erhebliche Besorgnis hervorrufen. So wurde im Frühjahr 2006 bekannt, dass Sicherheitsbehörden ohne richterliche Genehmigung von Telefonunternehmen Millionen von Telekommunikationsverkehrsdaten angefordert und erhalten hatten, die überwiegend US-Bürger betrafen. Presseberichten zufolge war zudem nahezu jedes Gespräch mit Auslandskontakten Teil des NSA-Überwachungsprogramms. Die NSA – National Security Agency – ist ein US-Geheimdienst, der sich auf weltweite technologische Überwachung spezialisiert hat.

Laut Medienberichten führte die NSA diese Abhörmaßnahmen bereits vier Jahre vor deren Bekanntwerden durch, um soziale Netzwerke zu identifizieren; eigenen Angaben zufolge seien jedoch nicht die Inhalte der Kommunikation ausgewertet worden. Die US-Regierung räumte inzwischen ein, dass ein erklärtes Ziel der NSA-Überwachung darin bestand, die erfassten Telefonate in einer Datenbank zu speichern. Dieses Eingeständnis wirft wiederum Zweifel an der Behauptung auf, man habe lediglich Personen überwachen wollen, die des Terrorismus verdächtigt seien. Eine weitere gravierende Überwachungsmaßnahme, die erst durch Insider-Leaks bekannt wurde, ist der Zugriff auf weltweite Zahlungsverkehrsdaten, die über das SWIFT-System abgewickelt werden.

Ähnlich wie in den USA reagierten viele andere Länder auf die Ereignisse vom 11. September 2001. Überall wurden Maßnahmen zur verstärkten Terrorismusbekämpfung diskutiert. Die Regierungen argumentierten dabei stets ähnlich: Terrorismus lasse sich nur bekämpfen, wenn Sicherheitsbehörden erweiterte Befugnisse erhalten – auch wenn dies Eingriffe in Freiheitsrechte bedeute. Umfragen zeigten, dass nach den dramatischen Ereignissen jeweils große Bevölkerungsmehrheiten bereit waren, Einschränkungen ihrer Freiheit hinzunehmen, sofern dadurch ein höheres Maß an Sicherheit gewährleistet werden könne. Trotz vorsichtiger Kritik von Bürgerrechtsorganisationen und Datenschützern wurden in vielen Ländern verschärfte Gesetze verabschiedet.

Auch in Deutschland begann nach den Anschlägen eine intensive Debatte über zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen. Bereits unmittelbar nach den Anschlägen äußerten sich zahlreiche Politiker klar dahingehend, den »Datenschutz zurückzustellen« und angebliche Datenschutz-Hürden zugunsten einer effektiven Antiterrorgesetzgebung entweder ganz oder zumindest eingeschränkt zu akzeptieren. Kritiker warnten dagegen vor einem »Wettlauf« unter Sicherheitspolitikern um möglichst harte Maßnahmen. Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern wiesen darauf hin, dass bei künftigen Gesetzesvorhaben grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien – insbesondere das Grundrecht auf freie Persönlichkeitsentfaltung, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit sowie der Erforderlichkeitsgrundsatz – beachtet werden müssten. Diese Mahnungen blieben jedoch eine Minderheitenposition.

Bereits eine Woche nach den Anschlägen verabschiedete das Bundeskabinett ein erstes Antiterrorpaket im Umfang von drei Milliarden Euro, dessen Finanzierung durch eine Erhöhung der Tabaksteuer erfolgen sollte. Die Mittel flossen hauptsächlich an die Bundeswehr, Nachrichtendienste, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sowie den Bundesgrenzschutz. Darüber hinaus wurde eine generelle Sicherheitsüberprüfung für Flughafenpersonal eingeführt.