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Wer bezahlt schon gerne Steuern? Meistens erfolgt dies aus der Einsicht in die Notwendigkeit, manchmal aber auch nur aufgrund des gesetzlichen Zwangs, der die Bürger dazu bringt, den geforderten Betrag an das Finanzamt zu entrichten. Es gibt zahlreiche Methoden, um die Steuerlast möglichst gering zu halten oder die Zahlung ganz zu umgehen. Dabei sind die Möglichkeiten zur legalen oder illegalen »Steuergestaltung« sehr unterschiedlich verteilt. Während bei Arbeitnehmern die Lohnsteuer direkt vom Gehalt einbehalten wird, bestehen für Selbstständige und Unternehmen deutlich größere Spielräume zur Steuervermeidung.

Es ist offensichtlich, dass die Finanzbehörden bestrebt sind, der weit verbreiteten Praxis der Steuerhinterziehung entgegenzuwirken. Dies ist nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch gerechtfertigt. Dennoch stellt sich die Frage, wie weit die Finanzämter dabei gehen dürfen und welche Mittel ihnen dafür zur Verfügung stehen. Zudem interessieren sich auch andere staatliche Institutionen, wie Sozial- oder Strafverfolgungsbehörden, gelegentlich für Daten über finanzielle Verhältnisse, Bankverbindungen und Zahlungsströme. Besonders relevant aus datenschutzrechtlicher Sicht sind hierbei vor allem die Befugnisse der Behörden, auf personenbezogene Daten zuzugreifen, die von Banken gespeichert werden.

In Diskussionen über den staatlichen Zugriff auf Finanzinformationen fällt häufig der Begriff »Bankgeheimnis«. Dieses ist jedoch in erster Linie ein Missverständnis. Viele Bankkunden und die Öffentlichkeit gehen irrtümlich davon aus, dass Zahlungsverkehrsdaten gesetzlich besonders geschützt seien – ähnlich wie Telefondaten durch das Fernmeldegeheimnis, medizinische Informationen durch die ärztliche Schweigepflicht oder Sozialdaten durch das Sozialgeheimnis.

Diese Annahme ist jedoch falsch und weit verbreitet. Das Bankgeheimnis beruht in Deutschland (im Gegensatz zur Schweiz oder Österreich) ausschließlich auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Kreditinstituten und Kunden. Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit über alle kundenbezogenen Fakten und Bewertungen ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Banken verankert. Diese Pflicht beginnt bereits bei der Anbahnung der Geschäftsbeziehung und gilt auch nach deren Beendigung fort. Allerdings hat das Bankgeheimnis heute kaum noch Bedeutung; Einwände mit Verweis auf das Bankgeheimnis sind daher rechtlich nicht haltbar.

Unabhängig vom rechtlichen Status des Bankgeheimnisses gelten Informationen über finanzielle Verhältnisse, Geschäftsbeziehungen, Zahlungen an oder von Sozialversicherungsträgern sowie die Begleichung von Arztrechnungen als besonders schützenswert. Um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen, verpflichtet sich die Kreditwirtschaft selbst zu einer strengen Vertraulichkeit. Daraus folgt eine Zweckbindung: Bankdaten dürfen ohne Zustimmung des Kunden weder an Auskunfteien noch an andere Dritte weitergegeben noch für andere Zwecke verwendet werden. Das Bankgeheimnis hat somit zivilrechtliche Konsequenzen. Gibt eine Bank unbefugt Auskünfte über finanzielle Verhältnisse eines Kunden an Dritte weiter, kann dieser Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche geltend machen.

Staatliche Auskunftsansprüche und Zugriffsrechte auf Finanzdaten bestehen für unterschiedliche Zwecke, beispielsweise im Rahmen von Besteuerungsverfahren oder zur Bekämpfung von Kriminalität. Diese Befugnisse wurden mehrfach erweitert. So haben Gesetze zur Terrorismusbekämpfung Strafverfolgungs- und Polizeibehörden sowie Nachrichtendiensten (wie dem Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischen Abschirmdienst) das Recht eingeräumt, Informationen über Kundenbeziehungen und Zahlungsverkehr einzuholen. Zudem wurde ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen etabliert: Alle Kreditinstitute müssen eine spezielle Datei führen, auf die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) automatisiert zugreifen kann und deren Daten sie an Strafverfolgungsbehörden weiterleitet. Online abrufbar sind hierbei Kontenstammdaten der Kunden, um schnell zu erkennen, mit welchen Instituten eine Person oder ein Unternehmen Kontoverbindungen unterhält.

Dieses Verfahren war ursprünglich zur Bekämpfung internationalen Terrorismus und Geldwäsche gedacht und wurde durch das »Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit« im Jahr 2003 auf Finanzämter und weitere Behörden ausgeweitet. Der Kontodatenabruf ist insbesondere zulässig, wenn er zur Festsetzung oder Erhebung von Steuern erforderlich ist. Darüber hinaus erhalten weitere Behörden Zugriff auf Bankdaten, sofern sie ein Gesetz anwenden, das »an Begriffe des Einkommensteuergesetzes« anknüpft. Welche Behörden dies genau sind, bleibt unklar, da das Einkommensteuerrecht zahlreiche Begriffe verwendet (wie Einkommen, Einkünfte oder Kindergeld). Sowohl Kreditinstitute als auch Kontoinhaber erfahren zunächst nichts von einem Datenabruf. Aktuell prüft ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, ob das Kontenabrufverfahren mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist.

Eine mögliche Lösung könnte die sogenannte Abgeltungssteuer sein, bei der Kapitalerträge stärker als bisher direkt an der Quelle – also bei den Banken – besteuert werden. Sollten die im Frühjahr 2007 angekündigten Pläne der Bundesregierung umgesetzt werden, entfiele damit auch der Grund für den Kontodatenabruf durch Finanzbehörden. Dennoch hält das Bundesfinanzministerium bislang an seinen Vorhaben fest, die Kapazitäten zum automatisierten Abruf von Kontodaten erheblich auszubauen – es ist von bis zu 5000 Abrufen täglich die Rede.

Allerdings dürfte das Ministerium seine Pläne überdenken müssen, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Juli 2007 bestimmte gesetzliche Vorgaben zum Kontodatenabruf teilweise für verfassungswidrig erklärt hat. Besonders wichtig ist dabei die Feststellung des Gerichts, dass Kontoabfragen nicht routinemäßig oder »ins Blaue hinein« erfolgen dürfen und sich auf konkrete Verdachtsfälle beschränken müssen.

Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass das staatliche Interesse am Einblick in finanzielle und vermögensbezogene Verhältnisse der Bürger abnehmen wird. Vielmehr ist zu erwarten, dass angesichts immer aussagekräftigerer Zahlungsverkehrsdaten künftig verstärkt auf Transaktionsinformationen zugegriffen wird – insbesondere zur Aufklärung von Straftaten oder zur Ermittlung steuerlich relevanter Sachverhalte. Eine datenschutzfreundliche Lösung könnte darin bestehen, das Bankgeheimnis – wie in einigen südlichen Nachbarländern – gesetzlich zu schützen. Ob dies jedoch tatsächlich umgesetzt wird, erscheint derzeit mehr als fraglich.