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Preissenkungen, die auf gestiegener Effizienz beruhen, können sich positiv auf die Wirtschaft auswirken. Ein solches Szenario war im 19. Jahrhundert zu beobachten: Starkes Wirtschaftswachstum, stabile oder sogar steigende Löhne sowie eine positive Deflation prägten diese Zeit. Im Gegensatz dazu basieren die Preissenkungen der Deflation im 20. und 21. Jahrhundert ausschließlich auf mangelnder Nachfrage, hohen Schuldenständen und geplatzten Bewertungsblasen. Dies führt dazu, dass Unternehmen Investitionen zurückhalten, da diese keine ausreichenden Gewinne mehr versprechen. Gleichzeitig verschieben Konsumenten ihre Ausgaben, da Produkte immer günstiger werden.

Die negative Deflation mündet in eine schwere Wirtschaftskrise mit hoher Arbeitslosigkeit. Sinkende Preise bei Waren und Dienstleistungen vermindern die Gewinnerwartungen der Unternehmen, die daraufhin Investitionen reduzieren und verstärkt Kostensenkungen anstreben. Dies führt zu steigender Arbeitslosigkeit und sinkenden Einkommen. Der Konsum nimmt ab, die Nachfrage nach Gütern schrumpft, und die Steuereinnahmen des Staates verringern sich. Die gesamte Wirtschaftsleistung geht zurück, was in einer Wirtschafts- und Börsenkrise gipfelt.

Für hoch verschuldete Regierungen, Unternehmen und Haushalte ist eine negative Deflation besonders problematisch. Zwar fallen Preise, Gewinne und Löhne, der Rückzahlungswert von Krediten und Schulden bleibt jedoch unverändert. Schuldner sind daher die großen Verlierer, da sie weiterhin den vollen nominalen Wert ihrer Verbindlichkeiten begleichen müssen, obwohl die realen Werte ihrer Vermögensgegenstände sinken. Aus diesem Grund unternehmen betroffene Regierungen – etwa in der EU, Japan oder den USA – alles, um eine Deflation zu verhindern, obwohl mehrere Versuche, die Wirtschaft durch expansive Geldpolitik anzukurbeln, bisher ohne durchschlagenden Erfolg blieben.

Besitzer von Geldvermögen profitieren hingegen von einer Deflation, da die Kaufkraft ihres Kapitals steigt. Gleichzeitig kommt es vermehrt zu Insolvenzen verschuldeter Unternehmen, was negative Folgen für Arbeitnehmer und Gläubiger hat. Eine mögliche Folge ist eine Schuldendeflation, also eine Finanzkrise, die sich durch Sparmaßnahmen der Wirtschaftsakteure und der Bevölkerung weiter verschärft und die Wirtschaftskrise vertieft.

Der ehemalige Präsident der US-Notenbank, Ben Bernanke, und viele seiner Kollegen gehen davon aus, dass Deflation durch geld- und fiskalpolitische Maßnahmen, notfalls auch durch quantitative Lockerung – also den Ankauf von Staatsanleihen oder Wertpapieren durch Zentralbanken zur Belebung der Konjunktur – rasch beendet werden kann. Diese Annahme erwies sich jedoch als zu optimistisch. Trotz mehrerer großer Gelddruckprogramme blieb die Wirkung für den Großteil der Bevölkerung begrenzt. So sanken die realen Einkommen in den USA in der letzten Dekade trotz dieser Maßnahmen um fast zehn Prozent, in Deutschland um etwas mehr als ein Prozent. Während die Wohlhabenden durch Kursgewinne profitieren, gelangt nur ein kleiner Teil der Geldschwemme zu den Durchschnittsverdienern.

Im Zuge der Finanzkrise ab 2007 wurde die Gefahr einer Deflation erkannt. Die ergriffenen Maßnahmen erwiesen sich jedoch als problematisch: Banken wurden gerettet, Verluste bei Großvermögen vermieden und ein hoher Schuldenberg aufgebaut. Die breite Bevölkerung blieb dabei weitgehend außen vor und trägt heute noch die Last dieser Entwicklung. In Japan ist seit den 1990er-Jahren trotz massiver quantitativer Lockerungen und umfangreicher Infrastrukturprogramme ein Rückgang des Preisniveaus zu beobachten. Auch in den USA, Japan und Europa laufen die Gelddruckmaschinen seit Jahren auf Hochtouren, während die realen Einkommen weiterhin sinken und die Nachfrage schwach bleibt. Die Produktivität und Effizienz der Wirtschaft lassen zu wünschen übrig, und selbst die Gewinnentwicklung der Unternehmen verlangsamt sich.

Demografische Faktoren, wie die alternde Bevölkerung und das zurückhaltende Konsumverhalten der Babyboomer-Generation, wurden in den theoretischen Modellen der Zentralbanken unzureichend berücksichtigt. Die Folge sind dramatisch gestiegene Staats- und Notenbankschulden, deren Begleichung letztlich auf den Steuerzahler zurückfällt. Gleichzeitig birgt das Finanzsystem heute mehr Risiken als vor der Krise.

Das Platzen von Spekulationsblasen, etwa im Immobiliensektor, führte zu Vermögensdeflation, besonders wenn Vermögenswerte kreditfinanziert waren. Sinkende Vermögenspreise verursachen Überschuldung bei Haushalten, Kreditausfälle und Belastungen für Banken. Da weniger neue Kredite vergeben werden, schrumpft die Geldmenge. In den USA sparen Privathaushalte seit Jahren verstärkt und reduzieren ihre Verbindlichkeiten deutlich – eine Entwicklung, die den Konsum weiter schwächt und die Deflation fördert. Obwohl die US-Wirtschaft beeindruckende Wachstumszahlen meldet, entsprechen diese nicht immer der Realität. Die Bürger spüren den realen Einkommensrückgang und die rapide schrumpfende Mittelschicht.

Steigende Kosten für Mieten, Gesundheitswesen, Bildung sowie kommunale Gebühren, die in den offiziellen Inflationszahlen nur unzureichend abgebildet werden, verringern das verfügbare Einkommen zusätzlich und verstärken deflationäre Tendenzen. Der Ökonom Heiner Flassbeck beschreibt dieses Phänomen als „Schuldendeflation“, die ihren Ursprung in spekulativen Wetten auf dauerhaft steigende Vermögenspreise und Währungen hat. Wenn diese zusammenbrechen, kommt es zu massiven Verkäufen, deren Preise unter dem Überangebot kollabieren.

Auch die Marktliberalisierung, etwa durch Freihandelsabkommen wie TTIP, wirkt preissenkend und fördert somit die Deflation. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer trägt ebenfalls deflationäres Potenzial. Wirtschaftssanktionen, beispielsweise gegen Russland, können diesen Effekt verstärken.

Ohne die Interventionen der Federal Reserve, der Europäischen Zentralbank und der Bank von Japan wäre die westliche Weltwirtschaft längst in einer langanhaltenden negativen Deflation versunken. Um einen Kollaps zu verhindern, ist mit einer Fortsetzung dieser Maßnahmen zumindest bis zur US-Präsidentschaftswahl im November 2016 zu rechnen. Kleine Zinserhöhungen dienen vor allem dazu, den Eindruck einer funktionierenden Geldpolitik zu vermitteln, basieren jedoch auf teils unzuverlässigen Daten. Mittelfristig bergen diese Marktmanipulationen erhebliche Risiken, da hohe Verschuldungsgrade bereits minimale Zinssteigerungen zu dramatischen Folgen führen können, bis hin zur Staatsinsolvenz. Zudem ist in den kommenden Jahren mit einer Vertrauenskrise in die großen Fiatwährungen Yen, Euro und US-Dollar zu rechnen, wobei der US-Dollar voraussichtlich als letzte große Währung an Wert verlieren wird.

Demografische Faktoren erscheinen dabei gewichtiger als politische Gelddruckprogramme, wie das Beispiel Japan zeigt. Trotz aller Versuche, Inflation zu erzeugen, sind inflationäre Risiken in den nächsten zwei bis drei Jahren gering. Mittel- bis langfristig steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit einer Hyperinflation, eines wirtschaftlichen Kollapses und einer damit verbundenen Staatsentschuldung durch eine tiefgreifende Währungsreform. Vorläufig bleibt „Cash King“. Es empfiehlt sich, nur selektiv in attraktiv bewertete, nichtzyklische oder antizyklische Aktien zu investieren. Auch langfristige Anleihen solventer Emittenten sind vorerst eine Überlegung wert. Bevor jedoch das tendenziell deflationäre Umfeld in ein inflationäres mit schwerwiegenden ökonomischen Folgen umschlägt, sollten Anleihen und Aktien verkauft und liquide Mittel in nachhaltige Werte investiert werden, die sich in einem inflationären Klima bewähren.

Insgesamt zeigt sich, dass die wirtschaftlichen Zusammenhänge komplex sind und die bisherigen geldpolitischen Maßnahmen nur begrenzt Wirkung entfalten konnten. Die Herausforderungen bleiben groß, und die Entwicklungen der kommenden Jahre werden entscheidend sein für die Stabilität des globalen Wirtschaftssystems.