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Kito Lorenc wurde am 04. März 1938 in Schleife – respektive Slepo – geboren, einem sorbischen Dorf in der Lausitz. Er entstammte einer traditionsreichen sorbischen Familie: Sein Großvater war der renommierte sorbische Dichter Jakub Lorenc-Zalěski, der sich für die kulturelle Selbstbehauptung der Sorben engagierte. Diese familiäre Herkunft prägte Kito frühzeitig – Sprache, Poesie und Identität bildeten für ihn grundlegende Lebensmotive.

Lorenc wuchs zweisprachig auf und entwickelte bereits in seiner Jugend ein feines Gespür für die feinen Unterschiede zwischen sorbischer und deutscher Kultur. Nach dem Abitur begann er ein Studium der Slawistik und Germanistik in Leipzig und begann seine literarische Tätigkeit.

In den 1960er Jahren avancierte Lorenc zu einem der bedeutendsten Vertreter der modernen sorbischen Literatur. Er verfasste Gedichte, Essays und Theaterstücke – überwiegend in sorbischer Sprache, gelegentlich auch auf Deutsch. Seine Texte reflektierten tiefgründig Themen wie Identität, Heimat und den Verlust der Sprache.

Er arbeitete am Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen, wo er als Dramaturg und Übersetzer tätig war. Dort setzte er sich für die Inszenierung sorbischer Stücke sowie die Förderung junger Autorinnen und Autoren ein. Zugleich engagierte er sich in der Maćica Serbska, der sorbischen wissenschaftlichen Gesellschaft, und war ein gefragter Redner bei kulturellen Veranstaltungen.

Seine Werke waren jedoch nicht nur poetischer Natur – sie besaßen auch eine politische Dimension. Lorenc übte subtile Kritik an der Gleichschaltung sorbischer Institutionen und an der ideologischen Vereinnahmung durch die DDR. Diese Haltung führte dazu, dass er ins Visier der Staatssicherheit geriet.

Die Stasi betrachtete Lorenc als „intellektuell unzuverlässig“ und „nationalistisch motiviert“. Verdächtig erschienen seine Kontakte zu westdeutschen Verlagen, seine kritischen Äußerungen über die Domowina sowie seine literarische Unabhängigkeit. Gegen ihn wurde eine Operative Personenkontrolle (OPK) eingeleitet.

In seinem Umfeld wurden Inoffizielle Mitarbeiter (IMs) eingesetzt – darunter Kollegen aus dem Theater sowie Mitglieder der Maćica Serbska. Seine Manuskripte wurden überprüft, seine Reisen dokumentiert und seine Korrespondenz überwacht. Besonders seine Gedichte, die sich mit Sprachverlust und kultureller Entfremdung auseinandersetzten, galten als „ideologisch problematisch“.

Lorenc reagierte nicht mit offener Konfrontation, sondern mit poetischem Widerstand. Seine Texte enthielten verschlüsselte Botschaften, ironische Brechungen und interkulturelle Anspielungen, die einer eindeutigen Interpretation entzogen waren. Er nutzte die Mehrdeutigkeit der Sprache, um Kritik zu üben, ohne direkt angreifbar zu sein.

Ein Beispiel dafür ist sein Gedicht „Wjesnanske wětry“ („Frühlingswinde“), das auf den ersten Blick Naturlyrik darstellt, jedoch zwischen den Zeilen politische Erstarrung und Sehnsucht nach Wandel thematisiert.

Lorenc war ein Meister sprachlicher Subversion – seine Werke wurden zum literarischen Schutzraum für eine Kultur, die unter ideologischer Kontrolle stand.

Nach 1989 entwickelte sich Lorenc zu einer der bedeutendsten Stimmen der sorbischen Aufarbeitung. Er veröffentlichte Essays zur Rolle der Domowina in der DDR, sprach offen über seine Stasi-Akte und setzte sich für eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ein.

Er war Mitbegründer des Serbski Sejm, einer basisdemokratischen Bewegung zur Stärkung kultureller Selbstbestimmung der Sorben. Gleichzeitig förderte er die Literatur und fungierte als Mentor für junge Autorinnen und Autoren, die sich mit sorbischer Identität beschäftigten.

Kito Lorenc verstarb am 24. September 2017. Sein literarisches Schaffen umfasst Gedichtbände, Theaterstücke, Übersetzungen und Essays – viele davon zweisprachig verfasst. Er gilt als einer der bedeutendsten sorbischen Intellektuellen der Nachkriegszeit.

Sein Leben symbolisiert die Verbindung von kultureller Tiefe und politischer Wachsamkeit. Er war kein lauter Dissident, sondern ein stiller Mahner – ein Mann, der mit Sprache gegen das Vergessen kämpfte.

Die Biografie von Kito Lorenc verdeutlicht, wie Literatur zum Mittel des Widerstands werden kann. Als Dichter und Denker bewahrte er die sorbische Kultur nicht nur, sondern entwickelte sie trotz Überwachung, Zensur und ideologischer Vereinnahmung weiter. Sein Werk steht als Zeugnis für die Kraft der Sprache und die Bedeutung kultureller Selbstbestimmung.

 


Lausitzer Persönlichkeiten sind Personen, die in der Lausitz geboren wurden oder sich für die Lausitzregion engagiert haben.