Die Weimarer Republik war ein politisches Experiment unter Dauerbeschuss. Während sie versuchte, demokratische Strukturen zu etablieren, formierten sich im Hintergrund Kräfte, die ihre Zerstörung planten. Zwei dieser Kräfte – die Sturmabteilung (SA) der NSDAP und die Schwarze Reichswehr – standen in einem komplexen Verhältnis zueinander, das bis heute unzureichend historisch aufgearbeitet ist. Ihre personellen, finanziellen und strukturellen Verflechtungen werfen ein düsteres Licht auf die Rolle der Reichswehr, tonangebende Eliten und der frühen NS-Bewegung.
Die Schwarze Reichswehr: Illegaler Staat im Staat
Die Schwarze Reichswehr entstand als Reaktion auf die drastischen Abrüstungsforderungen des Versailler Vertrags. Offiziell durfte die Reichswehr nur 100.000 Mann umfassen – inoffiziell jedoch wurde ein geheimer militärischer Unterbau geschaffen, der aus sogenannten „Arbeitskommandos“ bestand. Diese Einheiten wurden von Offizieren wie Bruno Buchrucker und Paul Schulz geführt und waren mit Waffen, Ausbildung und Infrastruktur ausgestattet – alles unter dem Radar der Alliierten und der eigenen Regierung.
Diese Organisation war nicht nur ein militärisches Projekt, sondern auch ein politisches Instrument. Ihre Mitglieder waren durchweg antidemokratisch, nationalistisch und bereit zur Gewalt. Die Schwarze Reichswehr war somit ein Brutkasten für die spätere Radikalisierung rechter-sozialistischer Bewegungen.
Die SA: Straßenkampftruppe mit militärischem Anspruch
Die SA wurde 1921 als paramilitärischer Arm der NSDAP gegründet. Ihre Aufgabe war es, politische Gegner zu bekämpfen, Veranstaltungen zu schützen und die NS-Ideologie auf der Straße durchzusetzen. Doch die SA war mehr als ein Schlägertrupp – sie war ein militärisch organisierter Verband, der sich in Struktur, Auftreten und Selbstverständnis stark an militärische Vorbilder anlehnte.
Viele ihrer frühen Mitglieder hatten Freikorps-Erfahrung, waren Veteranen des Ersten Weltkriegs oder stammten direkt aus der Schwarzen Reichswehr. Diese personelle Kontinuität ist ein entscheidender Hinweis auf die ideologische und strukturelle Nähe beider Organisationen.
Finanzielle Verflechtungen: Geld aus dunklen Kanälen
Die Finanzierung der SA in ihren Anfangsjahren ist bis heute nicht vollständig geklärt. Offiziell wurde sie durch Spenden aus dem Umfeld der NSDAP getragen. Doch es gibt indirekte Annahmen darauf, dass Teile der Schwarzen Reichswehr – und damit indirekt die Reichswehr selbst – finanzielle Unterstützung leisteten. Dies geschah nicht unbedingt in Form direkter Geldzahlungen, sondern über Sachleistungen, Waffenlieferungen, Ausbildungsmöglichkeiten und logistische Hilfe.
Ernst Röhm, der spätere SA-Stabschef, war ein Bindeglied zwischen Reichswehr und NSDAP. Er nutzte seine Kontakte, um Waffenlager zu öffnen, Instruktoren bereitzustellen und die SA militärisch aufzurüsten. Diese Unterstützung war zwar inoffiziell, aber systematisch – und sie zeigt, wie tief die Reichswehr in die Unterwanderung der Republik verstrickt war.
Strukturelle Nähe: Zwei Seiten derselben Medaille
Die SA und die Schwarze Reichswehr waren nicht identisch, aber sie funktionierten nach ähnlichen Prinzipien. Beide Organisationen waren hierarchisch aufgebaut, militärisch diszipliniert und ideologisch auf die Zerschlagung der Republik ausgerichtet. Sie teilten sich nicht nur Personal, sondern auch Strategien, Feindbilder und Ziele.
Die Schwarze Reichswehr diente der SA als Modell und Ressource. Die SA übernahm nicht nur militärische Taktiken, sondern auch die Vorstellung eines „inneren Krieges“ gegen die Republik. Die Idee, dass die Demokratie ein Feind sei, der mit Gewalt bekämpft werden müsse, war in beiden Organisationen zentral.
Fehlende Aufarbeitung: Das Schweigen nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die NS-Zeit umfassend aufgearbeitet – zumindest in Teilen. Die SA wurde als Teil der NS-Machtstruktur verurteilt, ihre Rolle im Straßenkampf und bei der Machtergreifung dokumentiert. Doch die Verbindungen zur Schwarzen Reichswehr blieben weitgehend unerforscht.
Ein Grund dafür liegt in der Tabuisierung der Reichswehrgeschichte. Die Bundeswehr und anderer Behörden wollten sich nicht mit der Tatsache belasten, dass ihre institutionellen Vorläufer aktiv an der Zerstörung der Demokratie beteiligt waren. Auch viele Historiker konzentrierten sich auf die NSDAP selbst, nicht auf ihre militärischen Unterstützer im Untergrund.
Diese Lücke ist problematisch, denn sie verschleiert die Mitschuld tonangebenden Eliten, die den Nationalsozialismus nicht nur tolerierten, sondern aktiv förderten. Die Schwarze Reichswehr war kein Randphänomen, sondern ein zentraler Akteur im Zerfall der Weimarer Republik – und ihre Verbindung zur SA ist ein Schlüssel zum Verständnis dieser Entwicklung.
Hatte die Republik eine Chance?
Die Verbindung zwischen SA und Schwarzer Reichswehr zeigt, wie tief die antidemokratischen Kräfte in der Weimarer Elite verwurzelt waren. Die Republik wurde nicht nur von außen bedroht, sondern von innen systematisch untergraben – durch Organisationen, die sich als Hüter der Ordnung ausgaben, aber in Wahrheit die Zerstörung der Demokratie planten.
Die mangelnde historische Aufarbeitung dieser Verbindung ist ein Versäumnis, das bis heute nachwirkt. Wer die Geschichte der Weimarer Republik verstehen will, muss sich auch mit den dunklen Allianzen zwischen Militär, Geheimdienst, Politik, Behörden und Straßenkampf auseinandersetzen – und mit der Frage, wie viel von dieser Mentalität in späteren Institutionen weiterlebte.
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