Der Cantillon-Effekt beschreibt, wie Geld in einer Volkswirtschaft verteilt wird und welche unterschiedlichen wirtschaftlichen Auswirkungen dies auf verschiedene Gruppen hat. Diese Differenzierung ist besonders wichtig, da sie zeigt, dass die Art und Weise, wie Zahlungsmittel in Umlauf gebracht werden, eine entscheidende Rolle bei der Verteilung von Wohlstand spielt. Wenn beispielsweise eine neue Geldmenge in den Wirtschaftskreislauf eingeführt wird, profitieren zuerst die Akteure, die am nächsten an der Quelle stehen – oft Banken oder große Unternehmen. Sie können sich Waren und Dienstleistungen zu alten Preisen sichern, während die allgemeine Preisinflation erst später bei den Konsumenten ankommt. Somit entsteht ein Ungleichgewicht, das nicht nur die Einkommensverteilung beeinträchtigt, sondern auch das gesamte Angebot und die Nachfrage beeinflusst. Im Kern zeigt dieser Effekt, dass nicht jeder gleichmäßig von monetären Veränderungen profitiert, was weitreichende Folgen für die soziale Gerechtigkeit und die wirtschaftliche Stabilität hat.
“Die zuerst im Besitz des neuen Geldes waren” – “Mit diesem konnten sie zusätzliche Ausgaben tätigen, wobei sie den Vorteil genossen”
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“In seiner im Jahr 1755 erschienenen Abhandlung über die Natur des Handelns im Allgemeinen beschrieb Richard Cantillon, wie neues Geld in den Wirtschaftskreislauf gelangt. Da damals das Geld noch Warengeld war und die Geldschöpfung von den Minen ausging, waren es die »Eigentümer der Minen, die Unternehmer, die Schmelzer, die Raffinierer und überhaupt alle jene, die dort arbeiteten«, die zuerst im Besitz des neuen Geldes waren. Mit diesem konnten sie zusätzliche Ausgaben tätigen, wobei sie den Vorteil genossen, noch die alten Preise zu bezahlen. Erst nach und nach realisierten die Verkäufer, dass die Zunahme der Nachfrage nach gewissen Gütern nicht mit einem Rückgang der Nachfrage bei anderen Gütern einhergeht, wie es bei einer Nachfrageverschiebung bei konstanter Geldmenge der Fall wäre. Nach den Erstbeziehern profitieren also diejenigen Branchen, in denen die Erstbezieher die zusätzliche Kaufkraft ausgeben.”
“Erstbeziehern profitieren also diejenigen Branchen, in denen die Erstbezieher die zusätzliche Kaufkraft ausgeben”
Ein zentraler Aspekt des Cantillon-Effekts ist die zeitliche Dimension der Geldschöpfung und deren Auswirkungen auf unterschiedliche Wirtschaftssektoren. Während die neuen monetären Mittel zunächst diejenigen begünstigen, die unmittelbaren Zugang zu ihnen haben, stehen andere Gruppen, wie kleinere Unternehmen und Geringverdiener, in der Folge oft vor zusätzlichen Herausforderungen. Diese Verzögerung im Vermögenstransfer führt zu einem Anstieg der Lebenshaltungskosten für Konsumenten, die noch nicht von dem neu geschaffenen Wohlstand profitieren konnten. Daher wird deutlich, dass die Ungleichheit, die durch den Cantillon-Effekt entsteht, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial gravierende Folgen hat, indem sie Spannungen zwischen verschiedenen Schichten der Gesellschaft verstärkt. Die Art der Geldverteilung beeinflusst nicht nur individuelle Lebenschancen, sondern formen auch das kollektive wirtschaftliche Verhalten und können langfristig die gesellschaftliche Stabilität gefährden.
Funktionsweise des Cantillon-Effekts
Die Auswirkungen des Cantillon-Effekts auf das wirtschaftliche Verhalten und die Politik sind vielschichtig. In einer Zeit, in der Zentralbanken die Geldmenge zur Ankurbelung der Wirtschaft gezielt steuern, wird deutlich, dass politische Entscheidungen über die Geldpolitik erhebliche soziale und ökonomische Konsequenzen mit sich bringen. Wenn bestimmte Sektoren oder Unternehmen bevorzugt unterstützt werden, kann dies die Marktmechanismen verzerren und zu ungleichem Wachstum führen. Solche ungleichen Wachstumsdynamiken können ihre Wurzeln in der politischen Einflussnahme haben, die oft dazu führt, dass bestimmte Interessen überproportional berücksichtigt werden. Dies schafft einen Teufelskreis: Während einige Akteure von neuem Kapital und besserem Zugang zu Ressourcen profitieren, sind andere gezwungen, sich den widrigen Umständen eines sich verändernden Marktumfelds anzupassen. Letztlich zeigt sich hier, dass Geld nicht nur als Tauschmittel fungiert, sondern auch als Faktor, der die Machtverhältnisse innerhalb einer Gesellschaft prägt und deren Strukturen nachhaltig beeinflusst.
Verteilungseffekte und soziale Ungleichheit
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Cantillon-Effekts ist die Rolle der sozialen Mobilität und wie diese durch unterschiedliche Zugangswege zu neuem Geld eingeschränkt wird. In einem System, in dem der Zugang zu monetären Ressourcen ungleich verteilt ist, wird es für Individuen aus benachteiligten Schichten zunehmend schwierig, ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern.
“Die Gewinner einer Geldmengenausweitung sind diejenigen, die als erste Zugriff auf die neue Geldmenge haben”
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“Die Gewinner einer Geldmengenausweitung sind diejenigen, die als erste Zugriff auf die neue Geldmenge haben. Sie können noch zu niedrigeren Preisen einkaufen. Während diejenigen, die die neue Geldmenge erst später erhalten, nur zu höheren Preisen einkaufen können. Sie sind also die Verlierer. Es handelt sich hierbei um den sogenannten Cantillon-Effekt, benannt nach dem irischstämmigen Bankier und Ökonomen Richard Cantillon (1680–1734). Das erinnert mich an eine Geschichte, die mir mein Großvater oft erzählte. Wenn er während der Hyperinflationszeit der 1920er Jahre Geld in die Hand bekam, lief er sofort zu einem Kaufmann, um etwas zu kaufen. Wenn man einige Stunden oder gar Tage wartete, bis man das Geld ausgab, bekam man nur noch die Hälfte an Waren. Inflation führt auch dazu, dass eine wichtige Funktion der Preise außer Kraft gesetzt wird, nämlich das Anzeigen der Knappheitsverhältnisse in einer Volkswirtschaft. Bei Inflation ist für den Investor nicht mehr klar erkennbar, ob die Preise die tatsächliche Knappheit von Gütern anzeigen oder ob sie nur die Geldentwertung widerspiegeln.”
“Die die neue Geldmenge erst später erhalten, nur zu höheren Preisen einkaufen können” – “Sie sind also die Verlierer”
Die ungleiche Verteilung von Geld führt somit nicht nur zu temporären Einkommensunterschieden, sondern verfestigt auch langfristige Barrieren, die den Aufstieg innerhalb der sozialen Hierarchie erschweren. Besonders betroffen sind junge Menschen und Familien, die auf bezahlbare Bildung und Einstiegsmöglichkeiten angewiesen sind. Wenn wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand vornehmlich denjenigen zugutekommen, die bereits über Kapital verfügen, wird die Kluft zwischen verschiedenen sozialen Gruppen größer, wodurch sich letztlich auch die Chancen für zukünftige Generationen verschlechtern. Diese Dynamik wirkt sich negativ auf das Vertrauen in wirtschaftliche Institutionen und Prozesse aus und kann letztlich zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem führen, dessen Folgen weitreichender sind als zunächst angenommen. Die entwickelte Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen kann gesellschaftliche Spannungen anheizen und in extremen Fällen sogar politische Instabilität hervorrufen.
“Erhöhung der Geldmenge” – “Bereiche, die dem Quell nahestehen, profitieren zuerst und übermäßig davon”
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“Eine Erhöhung der Geldmenge durch die (Giral-)Geldschöpfung wird nicht in allen Bereichen gleichmäßig und gerecht verteilt, sondern Bereiche, die dem Quell nahestehen, profitieren zuerst und übermäßig davon (Staat, Finanzsektor, Unternehmen usw.). Verlierer sind diejenigen, bei denen das Geld erst spät oder gar nicht ankommt, weil sie durch eine steigende Inflation (Kaufkraftverlust) benachteiligt werden. Aktuell ist das zu sehen bei den Immobilien- und Aktienmärkten sowie bei anderen Vermögenspreisblasen. Diese Schichten erhalten auch keine günstigen Kredite, da sie im Gegensatz zu den Vermögenden keine Sicherheiten haben und ihr Vermögen daher nicht günstig hebeln können, um am Spekulationsboom teilzuhaben. Dagegen können sich Vermögende und diejenigen, die nahe am Schweinetrog sitzen, mit dem Kredithebel immer mehr Werte aneignen und schaffen.”
“Verlierer” – “Schichten erhalten auch keine günstigen Kredite, da sie im Gegensatz zu den Vermögenden keine Sicherheiten haben”
Die Auseinandersetzung mit dem Cantillon-Effekt führt zu einer kritischen Betrachtung der Rolle von Zentralbanken und ihrer Geldpolitik in der modernen Wirtschaft. Viele Experten argumentieren, dass die extensive Geldschöpfung und die damit verbundene Zinsmanipulation zwar kurzfristig wirtschaftliches Wachstum fördern können, langfristig jedoch die Ungleichheit verstärken und destabilisieren.
“Der Cantillon-Effekt wurde vom irisch-französischen Ökonomen Richard Cantillon etwa im Jahr 1730 beschrieben”
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“Der Cantillon-Effekt wurde vom irisch-französischen Ökonomen Richard Cantillon etwa im Jahr 1730 beschrieben. Er zeigte auf, dass sich Inflation nicht gleichmäßig unter der Bevölkerung ausbreitet. Durch das von den Banken neu geschaffene Geld profitieren zuerst die Banker und die ihnen nahestehenden Firmen oder politisch begünstigte Gruppen, während das Geld erst später oder gar nicht zum der Rest der Volkswirtschaft fließt. Die weniger privilegierten Teile der Bevölkerung sind die Verlierer in diesem Prozess, da wegen der kreditschöpfungsbedingten Inflation, die Preise bereits gestiegen sind, bis das neue Geld bei Ihnen ankommt.”
“Die weniger privilegierten Teile der Bevölkerung sind die Verlierer in diesem Prozess”
Insbesondere in Krisenzeiten wird deutlich, dass die Unterstützung bestimmter Sektoren oft zu Lasten anderer geht und strukturelle Ungleichheiten zementiert. Kritiker warnen davor, dass durch diese Politik nicht nur eine verzerrte Ressourcenallokation entsteht, sondern auch soziale Spannungen angeheizt werden, die das Vertrauen in staatliche Institutionen untergraben. Das zunehmende Gefühl der Ungerechtigkeit könnte letztlich zu einer Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts führen, wenn Bürger die Wahrnehmung gewinnen, dass ihre Bedürfnisse systematisch ignoriert werden. Diese Dynamiken deuten auf die Notwendigkeit hin, eine inklusivere Geldpolitik zu entwickeln, die darauf abzielt, wirtschaftliche Chancen breiter zu verteilen und den Zugang zu finanziellen Ressourcen gerechter zu gestalten.
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