Lausitzer Mythen: Der blutende Geist

Screenshot vimeo.com Screenshot vimeo.com

Auf dem alten Schlosse zu Neschwitz unweit Budissin (im sogenannten Orangenhause) erscheint den 7. Juli – auch manchmal zu andern Zeiten – in der Mitternachtstunde eine bleiche, abgehärmte Gestalt, voller Blut, welche um das Schloß herumgeht und dann mit einem tiefen Seufzer wiederum verschwindet.

___________________

Von Heinrich Gottlob Gräve

___________________

Die Veranlassung dazu ist folgende:

Als am 6. Juli des 1698sten Jahres Heinrich Karl Joachim, Rittmeister, auf Saritsch, und Jakob, auf Zescha, Gebrüder von Tehler, bei ihrem Vetter, Wolf Ehrenreich v. Tehler auf Neschwitz, bei einem freundschaftlichen Gastmale waren, erhob sich zwischen erstgenannten Beiden ein Streit über politische Meinungen, welcher so heftig wurde, daß Gedachte in ein Nebenzimmer gingen und die Degen zogen. Der Wirth, Wolf Ehrenreich, dieses bemerkend, eilte ihnen, um Ruhe zu stiften, sofort nach, redete zur Sühne und ergriff – sich unter die Kämpfenden werfend – einen Stuhl, wobei er von Einem der Zornwüthigen einen Stich erhielt, an dessen Folgen er am andern Tage starb.