“Totentanz” – oder wie wird das Sorbische im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk überhaupt dargestellt? Allerdings bei “Totentanz” handelt es sich um einen Kriminalfilm von der Serie Spreewaldkrimi: Doch Gruselfilm eine wesentlich zutreffendere Beschreibung wäre. Der heutige Spreewald wurde durch Sorben geschaffen und sie üben noch heute einem erheblichen Einfluss aus. Und wie wird diese Region in der inszenierten Welt des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks dargestellt?
Lausitzer Spreewald: Wie wird diese Region in der inszenierten Welt des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks dargestellt?
“Der Frankfurter Blogger Lukas kehrt zur Fastnachtszeit zurück in den Spreewald, seine alte Heimat. Am Morgen nach einer großen Party wird er tot und völlig entkleidet auf einem Acker gefunden. Er feierte zusammen mit seiner alten Jugendclique in Masken und Kostümen und kommentierte alles für seine Follower im Internet, kritisch und negativ. … Kommissar Krüger ermittelt traditionell und hofft, dass seine Intuition im echten Leben wieder funktioniert. Beide hadern damit, welchen negativen Einfluss Social Media auf das soziale Zusammenleben haben kann.”
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk: Spreewaldkrimi als Gruselserie über eine Region?
Die Folge “Totentanz” ist Teil einer Fernsehkrimiserie und die übrigen Folgen sind kaum anders gelagert. Der grundsätzlicher Tenor ist fast immer derselbe: Die “guten Ermittler” gegen die bösen obskuren Einwohner des Spreewalds und selbstverständlich darf ein Mord oder ein Toter nicht fehlen. Es wirkt eher wie eine Art von Selbstinszenierung der Behörden oder Polizei auf Kosten der Region. Sorbische Themen werden entweder nur oberflächlich gestreift oder im sehr obskuren Licht dargestellt, wie im Falle der Folge “Totentanz” – Die darin erwähnte Fastnachtszeit könnte mit durchaus realen Zapust gleichgesetzt werden. Und ein toter “Blogger” kommt ebenfalls sehr gelegen, so etwas kann nun mal passieren, wenn man kritisch berichtet. Ein Schelm, wer jetzt etwas böses über die Geheimdienste denkt. Zu allen Überfluss: Die Serie Spreewaldkrimi ist kein Einzelfall, sondern reiht sich nahtlos in andere Produktionen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks ein.
Klischees und Vorurteile: “Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten”
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“Straight Outta Compton” heißt ein Film über die berühmte Hip-Hop-Crew N.W.A aus Los Angeles. In der ARD-Webserie “Straight Outta Crostwitz” spielt diese Musikrichtung ebenfalls eine Rolle, doch die Geschichte trägt sich unter den Sorben zu, einer vor allem in der Niederlausitz beheimateten Minderheit. Die junge Sorbin Hanka (Jasna Fritzi Bauer) muss regelmäßig als Schlagersängerin zusammen mit ihrem traditionell lebenden Vater (Volker Zack) auftreten, doch ihr Herz schlägt eigentlich für den Hip-Hop. Sie nimmt heimlich und inkognito an einem Rap Battle teil – was nicht lange unerkannt bleibt und die konservative sorbische Gemeinde aufrüttelt.”
“Straight Outta Crostwitz” – Zerrbild aus schlechten Klischees und Vorurteilen
Die gesamte Grundlage dieses Films spult also fast das gesamte Spektrum aller schlechten Klischees und Voruteile ab. Das es sehr wohl Sorbischen Hip-Hop gibt, das würde wohl kaum im Handlungsstrang hinein passen. Genauso müssen Jugendorganisationen wie Pawk oder moderne Trachten ausgeblendet bleiben. Zwar mag es sich bei “Straight Outta Compton” und Spreewaldkrimi nur um fiktive Handlungen von Filmen oder Serien handeln, doch wirken diese eben auch auf das Sorbische aus.
„Kommt der Bundespräsident in die Lausitz, erinnert man sich plötzlich an die Sorben“
“Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten. Gibt es eine sorbische Moderne?
Dass diese Frage gestellt wird ist schon ein Problem, weil sie zeigt, wie wenig in der deutschen Mehrheitsgesellschaft über Sorben bekannt ist. Man greift auf uns immer als Klischee zurück. Sorben sind gut, um mit Brot und Salz und in Trachten zu begrüßen. Kommt der Bundespräsident in die Lausitz, erinnert man sich plötzlich an die Sorben. Dabei gibt es bei uns Rockmusik, es gibt Literatur aller Genres, moderne Theaterstücke. Es gibt alles, was unsere deutschen Nachbarn auch haben.”
„Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten“
Die Außendarstellung des Sorbischen kann in weiten Teilen also als gefestigt gelten. Da der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk sich über öffentliche Gebühren finanziert, würde alleine diese Tatsache ein Skandal darstellen. Immerhin reden wir hier über eine Multimilliarden-Euro-Sendeanstalt: Selbst alle Sorbischen freiwilligen Theatervereine, Kultureinrichtungen und sonstige Institutionen zusammen genommen, würden nicht mal ansatzweise daran heranreichen. Hinzu kommt: Der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk leitet unter anderen seine Existenzberichtung aus diesem Umstand ab.
“Dass natürlich niemand anders [außer dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen]” – “So ne spezielle und sehr kleinteilige Geschichte ins Programm zu nehmen”
>>Eberhard Karls Universität Tübingen<<
” … leitet die öffentlich-rechtliche Pflicht, eine sorbischsprachige Sendung anzubieten – aus der, wie zu zeigen sein wird, ein bedeutender Anteil von deutschsprachigen Diskurs fragmenten resultiert – dabei auch aus der Annahme ab,
„dass natürlich niemand anders [außer dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen] bereit und in der Lage ist, […] so ne spezielle und sehr kleinteilige Geschichte ins Programm zu nehmen.“
Sorbischsprachige Sendungen weisen demnach einen spezifischen institutionellen Charakter auf.”
“Sorbischsprachige Sendungen weisen demnach einen spezifischen institutionellen Charakter auf”
Natürlich ist in dieser Aussage mehr auf den hiesiegen Kontext von sorbischsprachigen Sendungen bezogen, aber dort sieht es kaum anders aus. Der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk hat sich bei diesem Thema weitestgehend – mit Rückendeckung des Justizministeriums – nach außen hin abgeschottet. Das fiktive Schwank “Hase gegen Igel” ist nicht zu gewinnen, der Igel ist immer schon am Ziel angekommen. Kritik gegen die “neutrale Berichterstattung” wird vor Gericht mit der Argumentation der Meinungsfreiheit abgebügelt, und Kritik gegen die Rundfunkgebühr wird der Hinweis auf die vermeintliche Wichtigkeit der “neutralen Berichterstattung” angeführt: Irgendeinen primitiven Logikbruch in der Argumentation hat bisher noch kein Richter erkennen wollen. Auch ansonsten kommt eher der Eindruck auf, dass der Artikel 5 des Grundgesetzes nur für die Rundfunkgebühr gedacht sei. Speziell beim Sorbischen ist kaum eine objektive Berichterstattung zu erkennen, es wird eher ein obskures Folklore-Bild gepflegt und das könnte bei einigen Menschen viele unschöne Erinnerungen an die DDR-Zeit wach rufen.
“Von den Sorben wurde in der DDR ein merkwürdiges Folklore-Bild produziert”
“Galten die Sorben nicht offiziell als die Hätschelkinder der DDR?
Benedikt Dyrlich: Nur nach außen. Von den Sorben wurde in der DDR ein merkwürdiges Folklore-Bild produziert, das auch heute wieder Konjunktur hat. Wir Sorben wurden und werden vorgezeigt, wenn’s ums Bemalen von Ostereiern oder das Osterreiten geht. Immer wenn Ostern ist, werden wir als Folklorevolk präsentiert. Dass wir ein Kulturvolk sind mit einer Hochsprache seit der Reformation, das spielt kaum eine Rolle in der Öffentlichkeit.”
“Wenn’s ums Bemalen von Ostereiern oder das Osterreiten geht” – “Werden wir als Folklorevolk präsentiert”
Würde man die Folkloreberichterstattung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks mal ausblenden, dann würde nur sehr wenige Berichte übrig bleiben. Tatsächlich finden Sorbische Inhalte der systemimmanenten Gattungen erst seit dem Jahre 2008 darin statt.
“Sorbische Inhalte in systemimmanenten Gattungen finden sich erst ab dem Jahr 2008 und ausschließlich beim RBB”
>>Eberhard Karls Universität Tübingen<<
“Innerhalb des Jahresverlaufs werden vor allem zu Ostern und Fronleichnam, zur Vogelhochzeit (25. Januar) und zu bestimmten Erntebräuchen der Niederlausitz, wie beispielsweise dem Johannisreiten (um den 24. Juni), Fernsehsendungen zu den Sorben ausgestrahlt. … Sorbische Inhalte in systemimmanenten Gattungen finden sich erst ab dem Jahr 2008 und ausschließlich beim RBB. Dabei kann eine zeitliche Korrelation mit bestimmten sorbischen Traditionen ausgemacht werden: Ostern, Zapust und Zampern, die Vogelhochzeit und Ernte-Bräuche werden in der systemimmanenten Gattung häufig thematisiert.”
“Ostern, Zapust und Zampern, die Vogelhochzeit und Ernte-Bräuche werden in der systemimmanenten Gattung häufig thematisiert”
Zur Erinnerung: Die Wiedervereinigung fand im Jahre 1990 statt. Bis in die Gegenwart tritt die Sorbische Berichterstattung im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk eher als Nische hervor oder wenn, dann werden die Sorben eher in ein obskures Licht gerückt.
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