Wie gestaltet sich die technische Analyse von Aktien im Kontext der Börse?

Die Technische Aktienanalyse, auch als Chartanalyse bekannt, wurde im Jahr 1896 von Charles Dow begründet. Ihr Ziel besteht darin, anhand der historischen Kurs- und Umsatzzahlen Prognosen über die zukünftige Kursentwicklung zu erstellen.
Im Gegensatz dazu steht die Fundamentalanalyse, bei der Wertpapiere auf Basis betriebswirtschaftlicher Kennzahlen sowie des wirtschaftlichen Umfelds bewertet werden. Charles Dow vertrat die Auffassung, dass Finanzmärkte zyklischen Bewegungen folgen und bestimmten Mustern unterliegen. Diese Sichtweise wurde später von Ralph Nelson Elliott durch die Entwicklung der Elliott-Wellen-Theorie erweitert. Die breite Anwendung der Chartanalyse setzte jedoch erst in den 1980er Jahren ein, als Computertechnologie für eine größere Anzahl von Anlegern zugänglich wurde.
Die Technische Analyse basiert auf der Annahme, dass Märkte nicht vollkommen effizient sind. Aus diesem Grund wird in der Finanzwissenschaft intensiv über die Wirksamkeit technischer Analyseverfahren diskutiert. Scott Irwin und Cheol-Ho Park erstellten eine umfassende Übersicht von 95 wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema. Davon zeigen 56 Studien positive Resultate, 20 negative und 19 gemischte Befunde. Die positiven Ergebnisse stammen überwiegend aus älteren Untersuchungen, während die negativen Studien meist jüngeren Datums sind.
Viele der kritischen Arbeiten werfen Data-Snooping- oder Data-Dredging-Probleme vor, wenn mittels Data-Mining-Techniken Muster in Zeitreihen entdeckt werden sollen. Bei ausreichend langer Datenanalyse lassen sich zwangsläufig Zusammenhänge finden – jeder Datensatz enthält zufällige Muster ohne tatsächliche Aussagekraft. Ein Beispiel hierfür ist die Zahl 34 als vermeintliche Fortsetzung der Zahlenfolge „2, 4, 6, 8, ?“ – tatsächlich ergibt sich diese Zahl aus einer komplexen Formel (n⁴ – 10n³ + 35n² – 48n + 24), obwohl man intuitiv eher die Folge 2n und somit die Zahl 10 erwarten würde.
Aus diesem Grund sollte die Entwicklung und Überprüfung von Hypothesen mit verschiedenen Datensätzen erfolgen, was jedoch bei den meisten Rückrechnungen nicht praktiziert wird. Es existiert lediglich eine historische Zeitreihe, deren Entstehung einem unbekannten Zufallsprozess unterliegt. Werden Teilperioden wie etwa die Aktienkurse von BMW in den 1980er und den 1990er Jahren getrennt betrachtet, treten weitere Schwierigkeiten auf, da unterschiedliche Rahmenbedingungen vorherrschen.
Bei Daten aus dem Hochfrequenzhandel zeigt sich zudem, dass Handelsaktivitäten nicht gleichmäßig über die Zeit verteilt sind. In Intervallen von 10, 100 oder 1.000 Nanosekunden finden wesentlich häufiger Transaktionen statt als in den dazwischenliegenden Zeitspannen – dies liegt daran, dass Softwareentwickler meist runde Zahlen in ihren Code integrieren. Ebenso sind Handelsmodelle häufig mit klar definierten Kursmarken versehen, welche von Programmierern vorgegeben werden.
Besonders interessant sind daher Kombinationen aus technischer und fundamentaler Analyse. Wird beispielsweise anhand fundamentaler Daten eine Unterbewertung festgestellt und technische Indikatoren signalisieren einen Trendkanal, kann dies auf ein sogenanntes „Value Event“ hinweisen. In einem solchen Fall erkennen auch andere Anleger diese Unterbewertung und tätigen entsprechende Käufe.
Institutionelle Investoren führen bei ihren Transaktionen tendenziell mehr Analysen durch als Privatanleger – man spricht hierbei vom sogenannten „Smart Money“. Da Fondsanteile oft innerhalb eines Handelstages gekauft und verkauft werden, tendieren Fondsmanager dazu, ihre Käufe oder Verkäufe eher gegen Ende des Tages zu tätigen. Große Handelsvolumina werden häufig in der Schlussauktion abgewickelt, also in den letzten fünf Minuten des Handelstages. Der Börsenhandel ist somit keineswegs gleichmäßig über den Tag verteilt. Neben dem Informationsvorsprung institutioneller Anleger beeinflussen deren umfangreiche Aufträge den Markt stärker, weshalb ihr Handelsverhalten von besonderem Interesse ist.
Gleichwohl versuchen große Marktteilnehmer ihre Aufträge zu verschleiern und sie in viele kleinere Orders aufzuteilen, um negative Kurseffekte wie „Slippage“ zu vermeiden. Würde ein großer Verkaufsauftrag sichtbar werden, könnten andere Marktakteure verunsichert reagieren, was zu erheblichen Kursverlusten führen und somit den Erlös des Verkäufers mindern würde. Bei einer sogenannten Iceberg Order sehen Marktteilnehmer nur einen kleinen Teil des Gesamtauftrags im offenen Orderbuch.
Sobald eine Teilorder ausgeführt ist, legt das Handelssystem automatisch die nächste Portion des Auftrags ins Orderbuch nach. Obwohl es technische Indikatoren gibt, die das Handelsvolumen berücksichtigen, gelingt es mit Standardwerkzeugen meist nicht zuverlässig, solche verdeckten Orders zu identifizieren.
Ein weiteres Phänomen bei der Chartanalyse führt häufig zu Fehlentscheidungen: Fast alle Privatanleger betrachten lineare Charts anstelle logarithmischer Darstellungen. Bei linearen Charts sind die Abstände zwischen den Einteilungen auf der vertikalen Kursskala gleichbleibend; bei logarithmischen Charts hingegen verringern sich diese Abstände mit zunehmendem Kursniveau.
Da nahezu alle Webseiten standardmäßig lineare Charts anzeigen, dienen diese hauptsächlich Privatanlegern als Entscheidungsgrundlage. Ein Fondsmanager hingegen könnte beispielsweise seit Beginn des DAX-Index im Jahr 1987 eine Überrendite von 100 % erzielt haben und anschließend passiv den Index nachbilden; heute würde dieser Indexstand etwa bei 20.000 Punkten liegen. Die anfängliche Outperformance von rund 1.000 Punkten hätte sich somit auf etwa 10.000 Punkte verzehnfacht – ohne weitere aktive Managementleistung in den vergangenen 25 Jahren.
Eine einmal erreichte Überrendite verzinst sich mit dem zugrundeliegenden Basiswert, wodurch sich „die Schere weiter öffnet“ und der vermeintliche Anlageerfolg aus Sicht des Privatanlegers größer erscheint. Daher sollte grundsätzlich bevorzugt mit logarithmischen Charts gearbeitet werden, um eine Managementleistung über einen längeren Zeitraum korrekt beurteilen zu können.