„Und neue Industriearbeitsplätze?“ – Mythen und Realität des Strukturwandels

Screenshot leag.de Screenshot leag.de

Ich glaube kaum, dass die Ansiedlung von Dienstleistungsunternehmen oder Bundesbehörden sinnvolle Strukturpolitik ist. … Beispielsweise sind viele der hochwertigen, überdurchschnittlich bezahlten Arbeitsplätze in der Lausitz die von hoch qualifizierten Industrie-Facharbeitern. Die Politik muss vor allem überlegen, wie adäquate Ersatzarbeitsplätze entstehen können.“ Was der Industriepräsident hier anspricht: Das gelebte Mantra der hohen Politik. Adäquate Ersatzarbeitsplätze sollen gut bezahlte Arbeitsplätze im Braunkohlesektor ersetzen. Tatsächlich dürfte der Kohleausstieg eine fatale Kettenreaktion in Gang setzen: Auch Arbeitsplätze in der verarbeitende Industrie sind akkut gefährdet.

Im Umlauf: Ominöse Papiere von sogenannten Ersatzarbeitsplätze

>>taz<<

„Tausende neuer Jobs sollen als Ersatz für die Braunkohleindustrie entstehen. Darauf haben sich Bund und Länder in Eckpunkten für ein „Strukturstärkungsgesetz“ geeinigt. „Ziel der Bundesregierung ist der Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in strukturschwachen und vom Strukturwandel betroffenen Regionen im Umfang von 5.000 Arbeitsplätzen innerhalb von zehn Jahren“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt.“

„5.000 Arbeitsplätzen innerhalb von zehn Jahren“ – Und woher?

Und dieses ominöse „Papier“ ist nicht öffentlich einsehbar. Allgemein ist wenig konkretes zu dem Thema Ersatzarbeitsplätze zu erfahren. Selbst die genannten 5.000 Arbeitsplätze würden nicht einmal die direkt beschäftigten Leag-Arbeitsplätze ersetzen – von den zahlreichen Zulieferfirmen ganz zu schweigen. Auch sind keinerlei Informationen darüber zu finden: Was das für Arbeitsplätze eigentlich sein sollen?

„Lausitzer Braunkohlewirtschaft gut bezahlte, hochqualifizierte Tätigkeiten mit einer guten Rente“

>>Der Tagesspiegel<<

„Sie wollen von der Politik wissen, ob wir es ernst meinen mit der Schaffung von angemessenen Ersatzarbeitsplätzen, die eben nicht schlecht bezahlte Dienstleistungsjobs, etwa im Callcenter, sein dürfen. Heute haben wir in der Lausitzer Braunkohlewirtschaft gut bezahlte, hochqualifizierte Tätigkeiten mit einer guten Rente.“

„Und neue Industriearbeitsplätze?“

>>Hannoversche Allgemeine Zeitung<<

„Und neue Industriearbeitsplätze? „Die Kumpels fragen: ‚Wo bleiben wir in dem Prozess?‘, sagt Ute Liebsch, die Bezirksleiterin der IG BCE in Cottbus.“

Lausitzer Bergleute: „Wo bleiben wir in dem Prozess?“

Das Gutachten des ifo Instituts geht jedenfalls einem Schritt weiter: Dort ist faktisch keine Rede mehr von irgendwelchen Ersatzarbeitsplätzen. Hauptsächlich wird da auf den Bevölkerungsrückgang abgestellt und die Zulieferfirmen könnten sich ja irgendwo andere Geschäftsfelder suchen. Wie das funktionieren soll, dazu schweigt sich das Papier ebenfalls aus. Allzu konkret wird man da zwar auch nicht, aber von den allseits beschworenen Ersatzarbeitsplätzen: Davon will eigentlich niemand mehr etwas wissen.

Lausitz – Bevölkerungsrückgang: Von ungefähr 1,5 Millionen auf 1 Millionen Menschen

>>ifo Institut<<

„Im Jahr 1995 lebten in der Lausitz noch mehr als 1.430 000 Menschen, 2015 waren es noch knapp 1.170 000. Damit hat die Lausitz in nur zwei Jahrzehnten rund 18% ihrer Bevölkerung verloren. Die für das Arbeitskräfteangebot besonders wichtige Alterskohorte der Bevölkerung zwischen 18 bis 65 Jahren hat sich im gleichen Zeitraum um über 220.000 Personen verringert, dies entspricht einem Minus von 24 % (Statistisches Bundesamt 2017). Die demografische Perspektive der Lausitz zeigt, dass sich dieser negative Trend weiter fortsetzen wird. Die Lausitz wird sich auf hohe Bevölkerungsverluste einstellen müssen, falls nicht ungewöhnlich hohe Wanderungsgewinne den natürlichen Bevölkerungsrückgang ausgleichen.“

Wie hohe Stromkosten die verarbeitende Industrie aus dem Land jagd

Die verarbeitende Industrie sagt vielmehr, dass man schon jetzt weltweit mit den höchsten Stromkosten zu kämpfen habe. Weitere Kraftwerksabschaltungen: Würden die Kosten von Strom noch weiter in die Höhe treiben und so noch mehr Industirearbeitsplätze vernichten. Ironischerweise wird der Kohleausstieg als „leuchtendes Beispiel“ international angepriesen: Tatsächlich dürfte der Kohleausstieg, mehr als abschreckendes Gespenst dienen.