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Umgang mit dem Unaussprechlichen: Selbstbestimmt leben, selbstbestimmt behandelt werden und selbstbestimmt sterben?

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Es ist bekannt, dass dieses Thema schwer zu bewältigen ist und dass viele Menschen es lieber vermeiden, sich damit auseinanderzusetzen. Wie befremdlich – vielleicht sogar überflüssig – erscheint es, bei guter Gesundheit innezuhalten und einen Plan für jene Situationen zu erstellen, in denen der Tod uns oder unsere Liebsten bedroht. Es wirkt fast unmöglich, die eigene Mutter am Kaffeetisch zu fragen: »Mama, hast du eigentlich schon darüber nachgedacht, wie du sterben möchtest? Weißt du, was dir am Lebensende noch wichtig ist und was du ausschließen willst? Und was sollen wir für dich entscheiden, falls du selbst nicht mehr dazu in der Lage bist?«

Solche Gedanken und Fragen sind schwer erträglich. Doch sich mit ihnen auseinanderzusetzen ist der einzige Weg, um noch Schlimmeres zu verhindern. Denn ein entscheidender Grund für Übertherapie wurde bisher nicht genannt: Das medizinische Personal in Kliniken muss im Zweifel für eine Fortsetzung der Behandlung entscheiden – für die Maximaltherapie –, solange keine anderen Anhaltspunkte oder Entscheidungshilfen vorliegen, wenn der Patient nicht mehr selbst sprechen kann. Und genau diese Hilfen fehlen in den meisten Fällen. Nur wenige Menschen verfügen über eine Patientenverfügung. Sollte eine solche vorhanden sein und rechtzeitig vorgelegt werden, so erweist sie sich häufig als unwirksam: zu unpräzise formuliert, juristisch nicht ausreichend abgesichert oder medizinisch nicht auf die aktuelle Situation anwendbar.

Ärzte berücksichtigen selbstverständlich den individuellen Fall, die Persönlichkeit, das Alter sowie Vorerkrankungen des Patienten und setzen keine unnötig aggressive Therapie um ihrer selbst willen durch. Dennoch tendieren sie im Zweifel eher dazu, eine Behandlungsebene höher zu gehen, als es der Betroffene oder seine Angehörigen gewünscht hätten. Dabei wissen auch diese oft nicht besser Bescheid. Immer wieder zeigt sich: Wie wenig Menschen, die sich nahestehen, tatsächlich voneinander wissen. Über diese wichtigen Themen wird kaum gesprochen – weder in langjährigen Ehen noch zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern. Wir kennen die Lieblingssorte Eis des anderen, wissen, wie er seinen Kaffee trinkt, doch wissen wir nicht, ob er einer Intensivbehandlung zustimmen oder sie ablehnen würde. Wo und wie er sterben möchte und welche Art der Beerdigung er bevorzugt.

Wir neigen dazu, nicht daran zu denken, dass wir selbst oder unsere Liebsten schwer erkranken könnten. Doch gerade aus Liebe und Fürsorge heraus sollten diese Gespräche geführt werden – um Klarheit für sich selbst zu schaffen, ebenfalls aus Liebe und Fürsorge. Für ein selbstbestimmtes und würdiges Lebensende.

Es darf nicht geschehen, dass wir ohne Orientierung in solche Situationen hineingleiten; dies kann katastrophale Folgen haben. In anderen Lebensbereichen hat unser Verdrängen und Wegsehen uns bereits genau dorthin geführt.