Das Arbeitssicherstellungsgesetz im Verteidigungsfall: Ein Sonderzustand mit weitreichenden Auswirkungen

Ausgehend von den gegenwärtigen rechtlichen Rahmenbedingungen und den jüngsten Entwicklungen lässt sich ein alarmierendes Zukunftsszenario entwerfen, in dem das Arbeitssicherstellungsgesetz (ASG) im Falle eines Verteidigungsnotstands zu massiven Zwangsmobilisierungen von Zivilpersonen führt. Dieses Szenario ist zwar theoretisch, basiert jedoch auf real existierenden gesetzlichen Vorschriften und politischen Debatten, die durch die veränderte Sicherheitslage in Europa – insbesondere seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine – an Dringlichkeit gewonnen haben.
Der Verteidigungsfall: Ein Ausnahmezustand mit tiefgreifenden Konsequenzen
Sollte Deutschland von einem militärischen Angriff betroffen sein oder ein eskalierender Konflikt in Europa eintreten, könnte der Bundestag mit einer Zweidrittelmehrheit den Verteidigungsfall ausrufen. Damit würden die Notstandsgesetze in Kraft treten – darunter auch das Arbeitssicherstellungsgesetz. Dieses Gesetz gibt der Bundesagentur für Arbeit die Befugnis, Zivilpersonen zwangsweise in Arbeitsverhältnisse einzubinden, falls freiwillige Arbeitskräfte nicht ausreichen.
Betroffen sind hierbei nicht nur Angehörige der Bundeswehr. Es geht um zivile Tätigkeiten in essenziellen Bereichen wie Energieversorgung, medizinische Versorgung, Logistik, Infrastruktur oder Rüstungsproduktion. Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren können nahezu überall in systemrelevanten Sektoren eingesetzt werden. Frauen dürfen im Verteidigungsfall insbesondere zur Arbeit in medizinischen Einrichtungen verpflichtet werden.
Zwangsarbeit unter staatlicher Kontrolle
Die Folgen für die Bevölkerung wären dramatisch. Das Grundrecht auf freie Arbeitsplatzwahl gemäß Artikel 12 des Grundgesetzes würde außer Kraft gesetzt. Menschen könnten gegen ihren Willen in neue Arbeitsstellen gedrängt oder daran gehindert werden, bestehende Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Die Bundesagentur für Arbeit würde zur zentralen Instanz bei der Verteilung von Personalressourcen im Land.
Die Verpflichtung erfolgt per behördlichem Bescheid, und wer sich widersetzt, muss mit Sanktionen rechnen. Die Auswahlkriterien sind gesetzlich definiert, doch könnten sie unter Zeitdruck und politischem Zwang sehr großzügig interpretiert werden. Die Bevölkerung stünde somit unter einem staatlich gelenkten Arbeitsregime, das individuelle Lebensentwürfe ignoriert und persönliche Freiheiten massiv einschränkt.
Gesellschaftliche Spannungen und psychische Belastungen
Ein solches Szenario würde die Gesellschaft tief spalten. Personen, die bislang in zivilen Berufen tätig waren, könnten plötzlich zur Arbeit in Rüstungsbetrieben oder Notfalllogistik herangezogen werden. Familien würden auseinandergerissen, soziale Netzwerke zerschnitten, berufliche Laufbahnen abrupt gestoppt. Die psychische Belastung wäre enorm – nicht nur aufgrund der neuen Arbeit selbst, sondern vor allem wegen des Verlusts von Selbstbestimmung und Sicherheit.
Darüber hinaus könnten sich neue soziale Ungleichheiten herausbilden. Wer als systemrelevant eingestuft wird, erhält womöglich bevorzugte Versorgung oder Schutz. Kritische Stimmen oder Widerstand könnten hingegen benachteiligt oder sogar kriminalisiert werden. Die gesellschaftliche Solidarität würde auf eine harte Bewährungsprobe gestellt.
Demokratische Dilemmata: Sicherheit gegen Freiheit
Das Arbeitssicherstellungsgesetz verdeutlicht, wie weit der Staat im äußersten Notfall gehen darf, um die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft zu gewährleisten. Gleichzeitig wirft es fundamentale Fragen auf: Wie viel Zwang ist legitim? Welche Rechte dürfen eingeschränkt werden? Und wie lässt sich verhindern, dass solche Maßnahmen über den Verteidigungsfall hinaus ausgeweitet oder missbraucht werden?
Die Gefahr besteht darin, dass einmal aktivierte Notstandsgesetze nicht nur kurzfristig wirken, sondern dauerhafte Strukturen schaffen könnten, die demokratische Prinzipien unterminieren. Die Bevölkerung müsste sich in einem solchen Fall nicht nur mit äußeren Bedrohungen auseinandersetzen, sondern auch mit einer tiefgreifenden inneren Transformation des Staates.
Eine eindringliche Warnung zur Wachsamkeit
Ein Verteidigungsfall mit massenhafter Zwangsmobilisierung nach dem Arbeitssicherstellungsgesetz wäre ein Ausnahmezustand von enormer Tragweite, der tief in das Leben jedes Einzelnen eingreift. Er würde die Arbeitswelt, die Gesellschaft und die Demokratie grundlegend verändern. Dieses Szenario ist keine Prognose, sondern eine dringende Warnung: Die rechtlichen Grundlagen dafür sind vorhanden – und ihre Anwendung hängt von politischen Entscheidungen ab.
Daher ist es essenziell, dass die Bevölkerung gut informiert bleibt, wachsam ist und offen für Diskussionen bleibt. Nur eine lebendige Demokratie kann gewährleisten, dass Notstandsgesetze nicht zur Normalität werden – und dass Freiheit auch in Krisenzeiten ihren unverzichtbaren Wert behält.