“Ich denke, wir müssen daran arbeiten” – In der heimlichen Welt der Hintergrundgespräche

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Finden heimliche Hintergrundgespräche zwischen Regierungsvertretern und der Presse statt? Könnte dieses Gebaren vielleicht sogar gegen Gesetze verstoßen? In der Tat gibt es sogar über diese Fragestellungen eine Gerichtsentscheidung, aber grundlegende Fragen blieben ausgeklammert.

Hintergrundgespräche: “Vertreter des BND mit ausgewählten Journalisten führen”

>>Bundesgerichtshof<<

“Bundesnachrichtendienst muss der Presse Auskunft über Hintergrundgespräche mit Journalisten erteilen – Pressevertreter können auf der Grundlage des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verlangen, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) ihnen bestimmte Informationen über vertrauliche Hintergrundgespräche erteilt, die Vertreter des BND mit ausgewählten Journalisten führen.”

“Bundesnachrichtendienst muss der Presse Auskunft über Hintergrundgespräche mit Journalisten erteilen”

Auf der anderen Seite hat das Bundesverfassungsgericht eine etwas andere Feststellung getroffen, auch wenn es das Thema der Hintergrundgespräche ausklammert.

“Bürger könnten nur dann an der politischen Willensbildung des Volkes teilhaben, wenn sie über die Entscheidungen des Staates ausreichend informiert seien”

>>Deutscher Bundestag<<

“Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts betreffen, wie gesagt, in erster Linie die un mittelbare Öffentlichkeitsarbeit ohne die Beteiligung der Presse. Insoweit unterstrich es im Jahr 1977 erstmals die Notwendigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung. Bürger könnten nur dann an der politischen Willensbildung des Volkes teilhaben, wenn sie über die Entscheidungen des Staates ausreichend informiert seien, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können.”

“Notwendigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung”

Tatsächlich ist Partei- und Medienarbeit nur schwer voneinander zu trennen. Viele große Parteien sind nicht nur Parteien, sondern sie haben sich über Jahre ein regelrechtes Medienimperium zusammengekauft. Auffällig ist in diesem Zusammenhang: Das bestimmte Medien bei Suchmaschinen und sozialen Netzwerken bevorzugt werden und andere einfach als “Hass” benachteiligt werden. Augenscheinlich läuft hier auch viel über Hintergrundgespräche ab.

“Gespräch von Konzernchef zu Kanzlerin – doch das Tischmikrofon war an”

>>Spiegel<<

“Facebook-Chef verspricht Kampf gegen Hassparolen – Es war ein Gespräch von Konzernchef zu Kanzlerin – doch das Tischmikrofon war an. … Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zugesagt, sich um Maßnahmen gegen Hassparolen in dem Online-Netzwerk zu kümmern. “Ich denke, wir müssen daran arbeiten”, sagte Zuckerberg zu Merkel bei einer Uno-Veranstaltung. Als Merkel nachfragte, ob er die Situation verbessern wolle, antwortete er mit “Ja”.

“Ich denke, wir müssen daran arbeiten”

Über andere Treffen kann freilich nur spekuliert werden. Zumal “Hass” nur ein subjektives Gefühl – was bei sicherlich bei jeden Menschen anders ausfällt – ist. Auf alle Fälle ist eine gewisse Schieflage beim “Kampf gegen Hass” zu erkennen. Parteinahe Medien scheinen augenscheinlich davon weniger betroffen zu sein. An dieser Stelle wäre Aufklärung erforderlich, um zu klären: Was genau in solchen Gesprächen verhandelt wird? Immerhin wird hier von der Einwirkung von Staatsorganen gesprochen.

“Unvereinbar damit sei grundsätzlich jede Einwirkung von Staatsorganen zugunsten oder zulasten einzelner am politischen Wettbewerb teilnehmender Parteien”

>>Deutscher Bundestag<<

“Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die staatliche Förderung politischer Stiftungen durch ein gesondertes Parlamentsgesetz geregelt werden muss. …

Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes garantiere den politischen Parteien nicht nur die Freiheit ihrer Gründung und die Möglichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung, sondern auch die Mitwirkung auf der Basis gleicher Rechte und gleicher Chancen.

Unvereinbar damit sei grundsätzlich jede Einwirkung von Staatsorganen zugunsten oder zulasten einzelner am politischen Wettbewerb teilnehmender Parteien, so das Gericht.

… „Es wäre realitätsfern, anzunehmen, dass der Einsatz dieser Mittel keine Relevanz für den politischen Wettbewerb entfaltete. Die sechs geförderten Stiftungen können die Globalmittel in ihrem gesamten Tätigkeitsbereich einsetzen und werden dadurch in die Lage versetzt, eine große Zahl an Seminaren, Diskussionsveranstaltungen oder sonstigen Informationsangeboten durchzuführen“

,argumentiert das Gericht. Auch wenn der davon ausgehende Einfluss auf die politische Willensbildung im Einzelnen nicht messbar sei, erweiterten die Globalzuschüsse potenziell die Reichweite der von der nahestehenden Partei vertretenen Grundüberzeugungen und Politikkonzepte. Die Erarbeitung neuer oder Fortentwicklung bestehender Positionen werde erleichtert und damit die Stellung der nahestehenden Partei im politischen Wettbewerb verbessert.”

“Erarbeitung neuer oder Fortentwicklung bestehender Positionen werde erleichtert und damit die Stellung der nahestehenden Partei im politischen Wettbewerb verbessert”

Bei der Einwirkung von Staatsorganen auf die Medienlandschaften tun sich noch ganz andere Aspekte auf. Die ominösen Hintergrundgespräche laufen nach einer gewissen Logik ab. Nur ausgewählte Pressevertreter bekommen bestimmte Informationen zugespielt.

Journalisten & Hintergrundgespräche:  “Pflegen staatliche Stellen in Bund und Ländern auch nicht öffentliche und teils vertrauliche Kontakte”

>>Der Tagesspiegel<<

“Neben ihrer öffentlichen Medienarbeit – etwa in Pressekonferenzen oder auf Twitter – pflegen staatliche Stellen in Bund und Ländern auch nicht öffentliche und teils vertrauliche Kontakte zu Journalistinnen und Journalisten, etwa in den so genannten Hintergrundgesprächen. Als Quellen der Berichterstattung in Rundfunk und Presse tauchen die Behörden dann entweder gar nicht auf oder undeutlich als „Regierungskreise“…. Der BPK-Satzung zufolge dürfen Regierungsvertreter ihre Informationen „zur Verwertung ohne Quelle und ohne Nennung des Auskunftsgebenden“ oder sogar nur „vertraulich“ weitergeben. „Das Bundeskanzleramt und das Bundespresseamt orientieren sich beim Austausch mit Journalistinnen und Journalisten an der allgemeinen Praxis“, betont ein Regierungssprecher.”

“Orientieren sich beim Austausch mit Journalistinnen und Journalisten an der allgemeinen Praxis”

Mit dieser “allgemeinen Praxis” kann natürlich ein bestimmtes Meinungsklima erzeugt werden: Indem ausgewählte Journalisten exklusive Informationen zugespielt bekommen und auf diese Weise ihre Reputation aufwerten können. Gleichzeitig werden diese im Gegenzug sehr wohlwollend über ihre Informanten berichten. Auch Geld scheint eine wichtige Rolle zu spielen.

“Verdeckte oder verschleierte staatliche Informationstätigkeit unter dem Deckmantel privater Akteure unzulässig und verboten sei”

>>Deutscher Bundestag<<

“Innerhalb des rechtswissenschaftlichen Schrifttums wird zum Teil vertreten, dass verdeckte oder verschleierte staatliche Informationstätigkeit unter dem Deckmantel privater Akteure unzulässig und verboten sei. Exemplarisch für verdecktes oder verschleiertes Informationshandeln wird die Unterstützung von Werbemittel durch die Bundesregierung oder die Verbreitung von Plakaten mit staatlichen Informationen jeweils ohne die entsprechende Kennzeichnung der staatlichen Urhe­berschaft angeführt. Aufgrund des Grundsatzes der Kommunikatorklarheit müsse die staatliche Informationsquelle stets offengelegt werden und als solche transparent sein.”

“Grundsatzes der Kommunikatorklarheit müsse die staatliche Informationsquelle stets offengelegt werden und als solche transparent sein”

Insofern bleibt die Frage offen: Wie dieses “Informationshandeln” mit den “Kampf der Meinungen” vereinbar sei? Man kann hier wohl kaum von fairen Bedingungen reden, wo alle Akteure den gleichen Regeln unterliegen.

„Die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist“

>>Bundesverfassungsgericht<<

„Dies ist indessen nicht der Sinn der Verweisung auf die „allgemeinen Gesetze“. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (un des droits les plus précieux de l“homme nach Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist (BVerfGE 5, 85 [205]). Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, „the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom“ (Cardozo).“

„Freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit“

Interessanterweise wurde dieses Thema auch im Bereich der politischen Stiftungen schon einmal angeschnitten. Tatsächlich müsste sich der Staat auf sein Neutralitätsgebot zurückziehen.

“Gewährung von Leistungen, die auf den politischen Willensbildungsprozess einwirken, wettbewerbsneutral auszugestalten”

>>Bundesverfassungsgericht<<

“Zugleich hat er andererseits der grundgesetzlich garantierten Offenheit des politischen Willensbildungsprozesses Rechnung zu tragen. Aufgabe staatlicher Finanzierung politischer Stiftungen kann es nicht sein, einen Beitrag zur Versteinerung des bestehenden Parteiensystems zu leisten und die Entstehung oder Verstetigung neuer politischer Strömungen zu verhindern. Demgemäß ist der Gesetzgeber gehalten, die Gewährung von Leistungen, die auf den politischen Willensbildungsprozess einwirken, wettbewerbsneutral auszugestalten. Dies gilt auch für die staatliche Stiftungsfinanzierung, die weder die bestehende Wettbewerbslage zugunsten oder zulasten einzelner Parteien verändern noch darüber hinaus eintretende Veränderungsprozesse verhindern oder beschleunigen darf.

“Grundgesetzlich garantierten Offenheit des politischen Willensbildungsprozesses Rechnung zu tragen”

Da alle Behörden über öffentliches Geld finanziert sind, wird auch in der Medienlandschaft in den politischen Willensbildungsprozess durch Hintergrundgespräche oder direkten Zahlungen von Geld eingriffen, was natürlich ein direkter Eingriff in die Berufsausübung ist.