Lausitz als Überflugland per Schiene: “Viele Bürger vom Fernverkehr sogar abhängt und das Ganze sich im Übrigen nie amortisieren wird”

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Würde der Bau einer ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke die Lausitz abhängen? Es mag vielleicht etwas seltsam anhören. Die Lausitz ist ein zentraler Teil von Europa, aber viele Menschen kennen es nur aus dem Flugzeug oder vielleicht im Zukunft beim Vorbeifahren eines ICEs? Andere Hochgeschwindigkeitsstrecken stehen hierbei für sich selbst

ICE-Verbindungen: „Für die Region fast nutzlos“

>>Zeit<<

„Während Stuttgart 21 den Regionalverkehr erheblich beschleunigt, ist Nürnberg–Erfurt für die Region fast nutzlos. Fakten wie diese sind außerhalb der Expertendiskurse unbekannt. … Die bayerisch-ostdeutsche Verkehrslobby hat auch dank der Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Peter Ramsauer eine kritische Bestandsaufnahme und einen Prioritätenwechsel verhindert.“

“Viel zu wenige Züge würden je die Strecke benutzen” – “Aber das wollte keiner hören”

Überwiegend wird nur über die Vorzüge einer schnellen ICE-Verbindung gesprochen, während die negativen Aspekte weiteresgehend unberücksichtigt bleiben. Die Strecke Nürnberg–Erfurt stellt nur ein Teilstück der – im übertragenen Sinn – übergeordneten Verbindung Berlin-München dar.

“Übergroße Einsatz an Geld, Rodungen von Wäldern, Zerstörung von Landschaft den Reisenden sehr wenig bringt”

>>Schaden in der Oberleitung von Arno Luik (Buch) <<

“Wirklich keine tolle Sache, auch weil der übergroße Einsatz an Geld, Rodungen von Wäldern, Zerstörung von Landschaft den Reisenden sehr wenig bringt, viele Bürger vom Fernverkehr sogar abhängt und das Ganze sich im Übrigen nie amortisieren wird. Das wussten die Bahnmanager, den Politikern war klar, was sie anrichteten. Alle Verkehrsexperten, auch die damals noch vorhandenen Fachleute der Deutschen Bundesbahn und der Reichsbahn der ehemaligen DDR, die damals die Strecke von Nürnberg nach Berlin analysierten, kamen zu der Einschätzung, dass sie »am verkehrlichen Bedarf vorbeizielt«. Auch Sven Andersen, der damals in die Planungen miteinbezogen war, sagt noch heute, dass es »nicht berechtigt war, auch nur einen Cent in das Projekt zu stecken«. Viel zu wenige Züge würden je die Strecke benutzen. Aber das wollte keiner hören.”

“Viele Bürger vom Fernverkehr sogar abhängt und das Ganze sich im Übrigen nie amortisieren wird”

Die Analysen im Zuge der Wiedervereinigung haben nichts an ihrer Aktualität eingebüßt. Die Strecke ist und bleibt ein wirtschaftliches Verlustgeschäft.

“Laut seinen Berechnungen tragen die Passagiere mit den Billettpreisen nur ein Viertel der Kosten des Eisenbahnnetzes”

>>Neue Zürcher Zeitung<<

“Ob sich die Strecke je rechnen wird? Kay Mitusch vom Karlsruher Institut für Technologie muss bei dieser Frage lachen: Die Eisenbahn sei generell ein Verlustgeschäft, sagt er im Gespräch. Laut seinen Berechnungen tragen die Passagiere mit den Billettpreisen nur ein Viertel der Kosten des Eisenbahnnetzes, wenn man Abschreibungen und eine niedrige Verzinsung des eingesetzten Kapitals einbeziehe. Es ist besonders der Teilabschnitt von Erfurt nach Ebensfeld mit seinen 22 Tunneln – Übername: längste U-Bahn Deutschlands – und 29 Brücken, der ins Geld gegangen ist.”

Berlin-München: “Längste U-Bahn Deutschlands – und 29 Brücken”

All diese Kunstbauten müssen kostenintensiv gewartet werden, was langfristig ins Geld geht. Die Ticketpreise werden vermutlich auch zukünftig nur ein Teil der Kosten einspielen. Eine öffentliche Diskussion über das Für und Wider von Hochgeschwindigkeitsstrecken zwischen Metropolen findet praktisch kaum statt. Dabei muss die Allgemeinheit diese Verbindungen durch ihre Steuern finanzieren. Die Passagiere nehmen das Gebiet zwischen den Großstädten auf ganz eigene Weise wahr. Innerhalb der USA hat sich hiefür schon eine Begrifflichkeit etabliert.

“US-Jargon »Fly-over-states« heißen, weil dort eigentlich niemand hin will, der nicht muss”

>>Stars & Stripes und Streifenhörnchen von Streck, Michael (Buch) <<

“In Amerika ist alles größer, was schon mit der Größe des Landes beginnt. Das hat Vor- und Nachteile. Vorteilhaft ist, dass man durch den sträflich vernachlässigten Bundesstaat Nebraska fahren kann und dort nur alle 20 Minuten einen anderen Wagen sieht, der durch Nebraska rollt. Von Nachteil ist, dass man stets ein Flugzeug besteigen muss, um in sträflich vernachlässigte Bundesstaaten wie Nebraska zu gelangen, die paradoxerweise im US-Jargon »Fly-over-states« heißen, weil dort eigentlich niemand hin will, der nicht muss. Ich musste.”

“Fly-over-states” – “Sträflich vernachlässigten Bundesstaat Nebraska”

In diesem Kontext könnte man die Lausitz ebenfalls als “sträflich vernachlässigten Bundesstaat” sehen. Es ist ein Überflugland, das man leicht übersieht, und mehr als alles andere braucht es eine Investition in den Verkehr, um es endlich aufzuwerten. Nur eine ICE-Verbindung für die Lausitz würde genau das Gegenteil bewirken.

ICE-Verbindungen: „Kritische Bestandsaufnahme und einen Prioritätenwechsel verhindert“

>>Sächsische.de<

„Sachsens Regierungschef strebt aber an, dass der Schnellzug nicht nur bis Görlitz verkehrt, sondern weiter nach Wroclaw oder Krakau. Die Idee für einen ICE nach Görlitz ist nicht ganz neu. Der Görlitzer Landrat … setzte sich vor Jahren bereits mit dem damaligen Zgorzelecer Landrat für ein solches Angebot ein. Seine Initiative blieb aber erfolglos.“

Abgehängte Lausitz – Schnellzug von Berlin nach Breslau

Im Endeffekt würde es also um eine Strecke zwischen Berlin und Wroclaw oder Krakau gehen. Inwiefern die Züge überhaupt in der Lausitz halten würden? Diese Frage lässt sich schon heute bei bestehenden Hochgeschwindigkeitsstrecken beobachten. Die These Lausitz als Überflugland mag vielleicht verwundern, aber entlang der Bahngleise wird andernorts das Mobilfunknetz ausgebaut.

“Wer mit der Bahn fährt” – “Deutlich besseres Handynetz als früher”

>>Süddeutsche Zeitung<<

“Wer mit der Bahn fährt, hat in Deutschland inzwischen häufig ein deutlich besseres Handynetz als früher. … Bahn-Vorständin … wertet das Tempo beim Handynetzausbau als “Rückenwind für die Verkehrswende”. Der Telekom-Deutschlandchef … sagt, dass sich die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn auszahle. Man komme schneller voran als zunächst angenommen. “Wir sind voll im Umsetzungsmodus.”

Mobilfunk im ICE: “Tempo beim Handynetzausbau” – “Man komme schneller voran als zunächst angenommen”

Statt flächendeckenden Ausbau wird faktisch nur entlang der Bahnlinie gebaut. Eine Hochgeschwindigkeitsstrecke würde also keineswegs dazu beitragen, dass mehr Touristen in die Region strömen. Der Bau der Strecke würde auch nicht helfen, lokale Unternehmen zu stärken und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Insgesamt muss gesagt werden, dass der Bau einer ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke die Lausitz weiter abhängen würde, da auf bestehenden Trassen nun ICE-Züge verkehren.