Hamburger Appell für mehr Baukultur in der städtischen Verkehrsinfrastruktur

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Es gibt einige schöne Brücken, Bahnhöfe und Straßenzüge in Deutschland. Leider gibt es aber auch sehr viel hässliche Verkehrsinfrastruktur, die das Stadtbild zerstören, eine Stadt in zwei Hälften spalten und teilen statt zu verbinden.

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Von Martin Randelhoff

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Auf dem letzten Baukonvent der Bundesstiftung Baukultur wurde mit dem einstimmigen Beschluss des Hamburger Appells für mehr Baukultur in der städtischen Verkehrsinfrastruktur versucht, einen Weg aufzuzeigen wie Verkehrsinfrastrukturprojekte in Zukunft besser geplant, gebaut und entworfen werden können.

Die Aufgabe der ist es, die Möglichkeiten guten Planens und Bauens als gesellschaftlicher Anspruch für lebendige Städte einer breiten Öffentlichkeit bewusst zu machen und die hohe Leistungsfähigkeit von Architekten und Ingenieuren in Deutschland auf dem Weltmarkt besser darzustellen.

Natürlich können nicht alle Straßen mit Straßencafes und Parks versehen werden. Insbesondere an Straßen mit hoher Verkehrsbedeutung und damit einem hohen Verkehrsaufkommen, werden immer funktionale Aspekte dominieren. Man kann aber versuchen, an jenen Orten, die eine Verbesserung zum Positiven erfahren könnten, diese auch anzustreben.

Die Ästethik tritt oftmals hinter der Funktionalität zurück. 

Eine unmittelbare Folge dieser Entwicklung ist die Verwandlung von Städten, also Lebensraumer vieler tausender wenn nicht gar Millionen Menschen, in Betonwüsten. In Folge flüchten viele – getrieben von der Hässlichkeit – an die Stadtränder und auf das Land. Das Grüne gefällt den meisten Menschen viel stärker als das Graue.

Straßen wie diese mögen zwar Ingenieure und Betonbauer erfreuen, haben aber nichts mehr mit Ästhetik und Lebensqualität zu tun:

Aufgeständerte Autobahn in den USA
Foto: Exothermic @ FlickrCC BY-SA 2.0

Der Hamburger Appell des Baukonvents der bietet einige interessante Ansatzpunkte, die man in Zukunft in die Bereiche Verkehrsplanung, Stadtentwicklung, Infrastrukturplanung, Landschaftsplanung, und viele andere, integrieren sollte.

Hamburger Appell

  1. Dimension Kultur
    *Eine Kultur der Mobilität basiert auf gegenseitiger Rücksichtnahme und gleichzeitigem Schutz der jeweils schwächeren Verkehrsteilnehmer*
    Der Konvent der Baukultur empfiehlt, eine bedarfsgerechte und angemessene Entschleunigung des Verkehrs in den Städten. Das ist eine Voraussetzung für eine neue ganzheitliche Gestaltung der Verkehrsräume, in der die Interessen der verschiedenen Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt berücksichtigt werden.
  2. Dimension Systeme
    *In einer mobilen Gesellschaft gibt es in den Städten einen möglichst gleichberechtigten Zugang zu einem breit gefächerten Angebot von Infrastrukturen und Verkehrsmitteln*
    Der Konvent der Baukultur empfiehlt, eine stärkere organisatorische und räumliche  der Verkehrsmittel. Um das Leitbild einer nachhaltigen Mobilität in unseren Städten umzusetzen, sollen multi- und intermodale Mobilität auf der Basis eines qualifizierten öffentlichen Verkehrsangebotes bundesweit gefördert und entwickelt werden.
  3. Dimension Administration
    *Integriertes Denken und vernetztes Arbeiten sind die Grundvoraussetzung für das Entstehen von Gestaltqualitäten im öffentlichen Raum*
    Der Konvent der Baukultur empfiehlt, den Entwurf und die Planung von Verkehrsinfrastrukturen grundsätzlich im Einvernehmen mit dem für die städtebauliche Entwicklungen zuständigen Ressort zu verantworten. Dieses muss über qualifiziertes Fachpersonal verfügen, das im Planen, Entwerfen und Bauen versiert ist. Darüber hinaus müssen interdisziplinär besetzte Projektteams ressortübergreifende Verantwortlichkeiten etablieren.
  4. Dimension Finanzierung
    *Nachhaltige Mobilität gelingt durch die zielorientierte und transparente Verteilung der Mittel zwischen ÖPNV, Radfahrern, Fußgängern und motorisierten Individualverkehr.
    Der Konvent der Baukultur empfiehlt, die Finanzierung nachhaltiger Mobilität und Infrastrukturen langfristig sicherzustellen. Zusätzliche Einnahmen sollen nutzungs- und emissionsabhängig im gesamten Verkehrsnetz erzielt werden. Die eingenommenen Finanzmittel sollen ausschließlich für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur eingesetzt werden, dabei vornehmlich für die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, die Förderung einer nachhaltigen, emissionsarmen Mobilität, sowie für den verstärkten, auch gestalterisch qualitätsvollen Erhalt und Umbau von Straßen.
  5. Dimension Mittelbewilligung
    *Öffentliche Mittel stärken Verkehrsräume nur, wenn sie die jeweils auf den spezifischen Ort bezogene Integration der einzelnen Verkehrsträger zur Bedingung für eine Förderung machen*
    Der Konvent der Baukultur empfiehlt, öffentliche Mittel für Verkehrsräume nur zu gewähren, wenn damit eine nachhaltige und nachweisbare Qualitätsverbesserung des öffentlichen Raums in seiner Gesamtheit einhergeht. Nur mit integriert angelegten Programmen lassen sich baukulturelle Ansprüche in Abwägung mit wirtschaftlichen oder technischen Optimierungen sichern. Dies ist auf Grundlage von Zielvereinbarungen möglich, die als Teil einer Planungskultur von den Prozessbeteiligten im Vorfeld abgestimmt wird. Der Bundesverkehrswegeplan soll ermöglichen, dass anstelle von einzeln geplante Fernstraßen integrierte Verkehrslösungen finanziert werden.
  6. Dimension Verfahren
    *Im Wettbewerb der Ideen werden die besten Lösungen für die Planung und Gestaltung von Verkehrsräumen und -bauwerken gefunden*
    Der Konvent der Baukultur empfiehlt, für den Bau von Verkehrsinfrastrukturen vermehrt interdisziplinäre Entwurfswettbewerbe durchzuführen. Um dies in der Praxis durchzusetzen, empfiehlt sich, die Durchführung konkurrierender Verfahren, als Voraussetzung für die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu prüfen.
  7. Dimension Gestaltung
    *Verkehrsräume werden als Stadträume gestärkt, wenn sie die unterschiedlichen Verkehrsarten in Einklang mit dem städtebaulichen Umfeld bringen*
    Der Konvent der Baukultur empfiehlt, Verkehrsinfrastrukturen als Räume mit urbanen Qualitäten zu entwerfen. Dafür muss der städtebauliche Kontext die Rahmen setzenden Vorgaben für die Dimensionierung und Gestaltung der Verkehrsanlagen bestimmen.
  8. Dimension Interdisziplinarität
    *Für den Entwurf von Verkehrsbauten und -infrastrukturen sind Ingenieure, Architekten, Stadt- und Landschaftsplaner gleichermaßen verantwortlich*
    Der Konvent der Baukultur empfiehlt, interdisziplinär zusammengesetzte Entwurfsteams mit klar festgelegten Verantwortungsprofilen. Als Voraussetzung dafür müssen die Curriculae in den Ausbildungs- und Fortbildungsstätten geändert werden, damit wieder ein fachübergreifendes Verständnis bei Ingenieuren, Architekten und Planern vermittelt wird. Darüberhinaus sollten auch verstärkt interdisziplinäre Forschungsprojekte zum Themenkomplex “Mobilität und Baukultur” gefördert werden.
  9. Dimension Partizipation
    *Wenn die Bürger Mitverantwortung übernehmen, können Planungen und Entscheidungen bereits während ihrer Entstehungsprozesse an Qualität, Transparenz und Verlässlichkeit gewinnen*
    Der Konvent der Baukultur empfiehlt, eine neue Kultur des Zusammenwirkens von Gesellschaft, und Verwaltung zu entwickeln. Das verlangt eine Beteiligung, welche die bürgerschaftliche Mitverantwortung und Kompetenz in den gesamten Planungsprozess integriert und so Lernprozesse initiiert, die eine attraktive Gestaltung und Einbindung von Projekten in den städtebaulichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontext sicherstellt.

 


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