Wieso die Behauptung “Fahrradhelme verhüten 85% der Kopf- und 88% der Hirnverletzungen.” (Thompson et al. 1989) nicht belastbar ist

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Alles Wissenswerte zum Thema Radhelmpflicht und deren Wirkung auf den Radverkehr finden Sie in unserem Dossier.

Die Studie “A Case-Control Study of the Effectiveness of Bicycle Safety Helmets” von Frederick P. Rivara, Diane C. Thompson und Robert S. Thompson aus dem Jahr 1989 wird von Medien, der Politik, Versicherungen und medizinischen Vereinigungen sowie Befürwortern einer allgemeinen Radhelmpflicht oft zitiert.

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Von Martin Randelhoff

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Die damals erste größere Untersuchung der Wirksamkeit von Radhelmen kam zu dem Ergebnis, dass Fahrrad fahrende Personen durch Tragen eines Radhelms das Risiko einer Kopfverletzung um 85 Prozent und das Risiko einer Gehirnverletzung um 88 Prozent senken. Diese Werte werden seitdem oft wiederholt:

Internationale Studien zeigen, dass ein Radhelm das Risiko einer Schädel-Hirn-Verletzung bis zu 85 Prozent reduzieren kann.

– Kuratorium für Verkehrssicherheit (2003)

Der Fahrradhelm verhindert 85 Prozent aller Kopfverletzungen und 88 Prozent aller Gehirnverletzungen und schützt vor tödlichen Unfällen und Dauerschäden.

– Vorarlberger Landes-Versicherung VaG

Das Tragen eines Schutzhelms beim Fahrrad fahren reduziert nach einer Emnid-Studie das Risiko von Kopfverletzungen um 85 Prozent, die Gefahr einer Gehirnverletzung sogar um 88 Prozent. [Anmerkung Martin Randelhoff: Es steht zu vermuten, dass Emnid ebenfalls nur Thompson et al. zitiert hat.]

– Pressemitteilung der uniVersa Lebensversicherung a.G. vom 09.04.2008

Es gibt nur ein Problem: Die Werte sind nicht belastbar. Thompson et al. haben sich in einer neuen Studie aus dem Jahr 1997 sogar selbst widerlegt.

Die neuere Untersuchung aus dem Jahr 1997, die im Jahr 2015 erneut und unverändert publiziert wurde, umfasste eine Stichprobengröße von 3.390 Rad fahrenden Personen, die zwischen dem 01.03.1992 und dem 31.08.1994 in den Notaufnahmen Seattler Krankenhäuser behandelt wurden (2.438 Männer (71,9 %), 952 Frauen (28,1 %) | 62 % fuhren täglich Fahrrad, 26,1 % wöchentlich und 11,9 % einmal im Monat oder weniger). 252 der verletzten Radfahrer waren fünf Jahre alt oder jünger (7,4 %), 1.216 zwischen 6 – 12 Jahren (35,9 %), 545 zwischen 13 – 19 (16,1 %) und 1.377 20 Jahre oder älter (40,6 %). 50,7 % der Befragten gaben an, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls einen Fahrradhelm trugen.

22,3 % der verunfallten Radfahrer trugen eine Kopfverletzung (Kopfhaut, Schädel, Stirn und Gehirn) davon. 34,8 % hatten Verletzungen im Gesicht. Hirnverletzungen, definiert als Gehirnerschütterung oder ernsthaftere Hirnverletzung, erlitten sechs Prozent.

Bei 15,3 % der Unfälle war ein Pkw beteiligt. Weitaus häufiger verloren die Radfahrenden die Kontrolle über das Fahrrad und fielen hin (50,0 %) oder kollidierten mit einem Hindernis (29,0 %). 76,6 % der Unfälle geschahen mit einer Geschwindigkeit < 15 mph (24,14 km/h).

Die Schwere des Unfalls hing von mehreren verschiedenen Faktoren ab. So erhöhte die Beteiligung eines motorisierten Fahrzeugs die Wahrscheinlichkeit einer schweren Verletzung um das 3,6-Fache. Eine Geschwindigkeit über 24,14 km/h erhöhte das Risiko um 40 %. Das Tragen eines Radhelms reduzierte die Wahrscheinlichkeit einer schweren Verletzung um 10 %, war jedoch statistisch nicht signifikant. Ebenfalls insignifikant, wenn auch mit einem höheren Risiko verbunden, war ein Alter von über 40 Jahren oder unter zwölf Jahren.

Die Risikofaktoren für Unfälle mit einem Injury Severity Score (ISS) > 8 (n = 232, Faktor von 43,6 stationär behandelt zu werden) waren ein Alter unter 12 oder über 40, die Beteiligung eines motorisierten Fahrzeugs (Faktor 4) und ein Unfall mit einer Geschwindigkeit über 24,14 km/h (20 % höhere Wahrscheinlichkeit). Das Tragen eines Helmes hatte keinen offensichtlichen Einfluss auf das Risiko einer schweren Verletzung. Ursache ist, dass Kopfverletzungen bei weniger als 16,6 % der Unfälle auftraten und der Großteil der Kopfverletzungen keine schweren Verletzungen waren.

Die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Halsbereichs konnte ebenfalls nicht mit dem Tragen eines Fahrradhelmes in Verbindung gebracht werden, weder für die gesamte Gruppe noch für die Patienten mit einer Verletzung der Halswirbelsäule oder einer Stauchung. Ein Wirkungszusammenhang zwischen Verletzungsrisiko des Nackenbereichs und Helmtyp (nach American National Standards Institute (ANSI) oder SNELL Foundation) konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Eine Korrelation bestand jedoch zwischen einer Nackenverletzung und einer Kopfverletzung bzw. einer Hirnverletzung.

Das Risiko eines tödlichen Verkehrsunfalls (n = 14) wurde maßgeblich durch die Beteiligung eines motorisierten Fahrzeugs (14,1-höhere Wahrscheinlichkeit) und einer Geschwindigkeit über 24,14 km/h (Faktor 2,6) beeinflusst. Männer starben 2,4 Mal öfters als Frauen. Das Tragen eines Helmes minimierte das Risiko eines tödlichen Verkehrsunfalls um 93 % (Faktor 14,3), jedoch ist die Stichprobengröße mit 14 getöteten Radfahrern, von denen einer einen Fahrradhelm trug, zu gering für allgemeingültige Aussagen.

Fazit

Statistisch konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Schwere und dem Risiko eines (schweren) Verkehrsunfalls und dem Tragen eines Fahrradhelmes nachgewiesen werden.

Die Beteiligung von motorisierten Fahrzeugen erhöht die Schwere eines Unfalls und die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls signifikant. Eine Trennung des Radverkehrs vom restlichen fließenden Verkehr kann nicht als Lösung angesehen werden, da insbesondere in Kreuzungsbereichen ein erhöhtes Risiko auftritt und es ebenfalls zu Konflikten mit Fußgängern kommen kann. Als mögliche Lösung erscheint eine Geschwindigkeitsdämpfung des motorisierten Verkehrs, da die kinetische Energie maßgeblich von der Geschwindigkeit abhängt (Ekin = 1/2 · m · v2).

Weitere Risikofaktoren beziehen sich hauptsächlich auf das Alter. Ältere Personen verletzen sich bei Unfällen aufgrund ihrer Physis schwerer als Jüngere. Letztere verhalten sich im Verkehr oftmals unsicher und benötigen eine sichere Infrastruktur bzw. Umgebung. Bei der Planung von Straßen sollten daher insbesondere die Anforderungen und Bedürfnisse von jüngeren sowie älteren Menschen im Fokus stehen.

Welche Fehler wurden in der Studie 1989 aus dem Jahr gemacht?

Die sogenannte “Seattle-Studie” von Thompson, Rivara et al. (1989) wird, wie bereits erwähnt, auch heute noch sehr oft als Beleg dafür herangezogen, um die behauptete Schutzwirkung von Radhelmen belegen zu wollen. Die Aussage, dass ein Radhelm vor 85 Prozent der schweren Kopfverletzungen schütze, hat seinen Ursprung in der erwähnten Untersuchung. Oftmals wird diese allerdings nicht vollständig zitiert angegeben, sondern nur auf eine “Studie amerikanischer Wissenschaftler” oder auf eine “US-Studie” verwiesen. Darüber hinaus war Thompson, Rivara et al. (1989) für viele Jahre Basis für weitere Untersuchungen, eine explizite Überprüfung der behaupteten Schutzwirkung des Radhelms wurde nicht näher überprüft und als gegeben vorausgesetzt.

Die Hauptkritik an Thompson, Rivara et al. (1989) bezieht sich auf die Wahl der Kontrollgruppe.

In der Fall-Kontroll-Studie wurden 235 Personen (Helmquote bei Unfall: 7 %), die während des Radfahrens verunfallt und mit einer Kopfverletzung in einem der fünf Krankenhäuser in Seattle behandelt wurden, zwei Kontrollgruppen gegenübergestellt. Die eine Gruppe bestand aus 433 Personen, die sich bei einem Fahrradunfall andere Verletzungen zugezogen haben und in ein Krankenhaus eingeliefert wurden (Helmquote bei Unfall 23 %). Die andere Kontrollgruppe bestand aus 558 Personen, die Mitglied in der health maintenance organization (HMO) “Group Health Cooperative” waren und im Bezugszeitraum einen Fahrradunfall hatten (Helmquote [bei Unfall?] 24 %). HMO sind eine private Sonderform eines bestimmten Krankenversicherungs- und Versorgungsmodells, welches sich in den USA entwickelt hat. Von den 235 verunfallten Radfahrern erlitten 99 eine Gehirnverletzung (Gehirnerschütterungen und schwerer, keinen Schädelbruch). Die Helmtragequote lag hier bei vier Prozent.

143 der 235 betrachteten Patienten (60,9 Prozent) waren Kinder. 21 waren jünger als sechs Jahre, 78 zwischen sechs und zehn Jahre und 44 zwischen elf und 14 Jahre alt. 65 % der 99 Gehirnverletzungen und 68 Prozent der ernsthaften Gehirnverletzungen erlitten Kinder unter 15 Jahre. Das Durchschnittsalter der betrachteten Personen lag bei 17,3 Jahren, das Durchschnittsalter der behandelten Personen ohne Kopfverletzung bei 20,1 Jahren und das Durchschnittsalter der HMO-Kontrollgruppe bei 11,0 Jahren. Die Kontrollgruppen hatten im Vergleich zur Fallgruppe ein höheres Bildungs- und Einkommensniveau. (vgl. Thompson, Rivara et al. (1989), S. 1363).

Auffällig ist zum einen, dass die Fallgruppe einen signifikant höheren Anteil an Unfällen mit fahrenden Kraftfahrzeugen aufweist. Insbesondere treten Unterschiede zur zweiten Kontrollgruppe auf. In dieser ist der Anteil der Eigenunfälle (Stürze) weitaus höher. Im Allgemeinen haben Unfälle mit Beteiligung eines fahrenden Kfz aufgrund der höheren kinetischen Energie weitaus schlimmere Folgen als Zusammenstöße mit stehenden Objekten. Dies zeigt sich auch hinsichtlich der Reparaturbedürftigkeit des Fahrrades nach dem Unfall. Darüber hinaus verunfallte die Fallgruppe zu über 90 Prozent auf asphaltiertem bzw. betoniertem Untergrund mit den daraus resultierenden schwereren Unfallfolgen. Zur zweiten Kontrollgruppe liegen für diesen Bereich gar keine Daten vor.

DiGuisseppi et al. stellten in einer Studie über die Radhelmnutzung bei US-Schulkindern im Jahr 19904 fest, dass Kinder mit weißer Hautfarbe weitaus häufiger einen Radhelm trugen als Kinder mit farbiger Haut. Nicht-farbige Kinder waren darüber hinaus weitaus häufiger in Parks und auf Radwegen (in den allermeisten Fällen nicht straßenbegleitend) unterwegs als Kinder mit farbiger Haut. Im Rahmen einer weiteren Studie wurde ermittelt, dass Schulkinder, die auf der Straße Fahrrad fahren mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einen Fahrradhelm trugen als Kinder, die in Parkanlagen oder Bike-Parks unterwegs waren. Ursache für dieses Verhalten ist die unterschiedliche Risikowahrnehmung. Es steht zu vermuten, dass sich in der Fallgruppe ein geringerer Anteil verletzter Kinder mit weißer Haut als in den beiden Kontrollgruppen befand. Dies wird aufgrund der Differenzierung der sozio-ökonomischen Daten unterstützt.

Darüber hinaus erscheint die Helmtragequote mit 23 % in Kontrollgruppe 1 und 24 % in Kontrollgruppe 2 vergleichsweise hoch und nicht zwingend repräsentativ zu sein. DiGuisseppi et al. haben für das Bezugsjahr 1987 eine umfangreichere Auswertung der Helmtragequote in Seattle durchgeführt. Im Mai 1987 ergab sich bei einer Analyse von 1957 Kindern zwischen fünf und 14 Jahren eine Helmtragequote von 3,1 % und im September 1987 bei 2544 Kindern zwischen fünf und 14 Jahren eine Helmtragequote von 3,3 % (Summe: 4501 Kinder; Helmtragequote 3,2 %).

Hätte die Kontrollgruppe aus Personen bestanden, die in Seattle Fahrrad fahren anstatt aus Personen, die beim Fahrrad fahren einen Unfall hatten, hätte sich ein vollkommen anderes Bild hinsichtlich der Effektivität des Fahrradhelms ergeben.

An dieser Stelle ist darüber hinaus zur Kenntnis zu nehmen, dass nur 17 der 235 betrachteten Patienten in der Fallgruppe zur Zeit des Unfalls einen Helm trugen. Bei den 99 Patienten mit Hirnverletzung lag die Quote nur bei 4 %, d.h. vier der Verletzten trugen zum Zeitpunkt des Unfalls einen Helm. Diesen vier verletzten Personen wurden die beiden Kontrollgruppen mit ihren Helmtragequoten gegenüber gestellt und das um 88 % geringere Risiko einer Hirnverletzung ermittelt (angepasstes Quotenverhältnis von 0,12).

Die Aussage, dass das Tragen eines Fahrradhelms das Risiko einer Kopfverletzung um 85 % reduzieren könne, basiert vorrangig auf einem Vergleich der Kinder <15 Jahre in Fallgruppe und der Kontrollgruppe 2 mit einer Helmtragequote von 2,1 % in der Fall- versus 21,1 % in der Kontrollgruppe. Nach einer Korrektur der Altersstruktur ergibt sich die erwähnte Risikominimierung von 85 % (angepasstes Quotenverhältnis von 0,15).

Die Problematik der gewählten Methodik verdeutlicht sich, wenn sie auf die Kontrollgruppe 1 angewendet wird. Zur Erinnerung: In diese Gruppe fallen alle verletzten Personen, die nach einem Fahrradunfall in einem der fünf Krankenhäuser in Seattle behandelt wurden und keine Kopfverletzung erlitten haben. Zwölf dieser 202 verletzten Personen trugen einen Helm (5,9 %). Bei Anwendung der Methode kommt man zu dem Ergebnis, dass Fahrradhelme bei Personen ohne Kopfverletzung (!) theoretisch in der Lage sind, 72 % (1-5,9 / 21,1) der erlittenen Verletzungen an anderen Körperteilen zu verhindern.

McDermott et al. (1993)6 stellten darüber hinaus fest, dass sich das Ergebnis einer Risikominimierung von 85 % auf 61 % verringere, wenn Verletzungen des Gesichts aus den von Thompson, Rivara et al. (1989) verwendeten Daten herausgerechnet werden. Für diesen Bereich des Kopfes bieten die betrachteten Arten (kein Voll-Visierhelm) von Fahrradhelmen keinen Schutz. In der Studie belegten McDermott et al. eine Reduktion der Kopfverletzungen von 40 % beim Tragen eines geprüften Fahrradhelms, jedoch gleichzeitig ein erhöhtes Verletzungsrisiko des Nackens, der Extremitäten und der Becken-Region.

Ursache für diese Erkenntnisse und gleichzeitig auch Beleg für eine mögliche Verzerrung des Ergebnisses von Thompson, Rivara et al. ist die mögliche Risikokompensation. Fahrradfahrer, die einen Helm tragen, scheinen risikobewusster und somit vorsichtiger unterwegs zu sein, als jene, welche keinen Helm tragen. Aus diesem Grund ist es problematisch, wenn die Helmtragequoten innerhalb der Kontrollgruppen signifikant vom allgemeinen Durchschnitt abweichen. Zu einer weiteren Verzerrung in die andere Richtung kann es kommen, wenn Radfahrer mit Fahrradhelm aufgrund der Schutzwirkung und des damit gefühlt höheren Sicherheitsniveaus aggressiver und risikobehafteter fahren. Akkurate Aussagen über die Risikounterschiede lassen sich nur treffen, wenn Kontrollgruppe und allgemeiner Durchschnitt nahezu identisch sind.

Des Weiteren ist die Annahme, dass eine Kopfverletzung notwendig für eine Verletzung des Gehirns sei, nicht belegt7. Hirnverletzungen können bei jeder Art von Unfall auftreten, sobald der Aufprall eine Winkelbeschleunigung des Kopfes hervorruft. Dafür ausreichend können beispielsweise ein Fall auf das Gesäß und ein Schleudertrauma sein8. Ommaya et al. (1968) zeigten in Experimenten mit Affen, dass sogar eine Winkelbeschleunigung des Kopfes ohne eigentlichen Aufprall Gehirnerschütterungen, Hämorrhagie und Hirnkontusionen erzeugen kann9.

Im Allgemeinen haben Hynd et al. (2009) bei einer Analyse10 verschiedener Studien aus den Jahren 1998 – 2008 hinsichtlich der Effektivität von Fahrradhelmen im Auftrag des britischen Verkehrsministeriums festgestellt, dass keine einzige der betrachteten Fall-Kontroll-Studien alle möglichen Störvariablen benannt / betrachtet und herausrechnet. Zudem seien die Stichprobengrößen durchweg zu klein, um allgemeingültige Aussagen treffen zu können. So sei in Thompson et al. (1996)11 eine Stichprobengröße von 757 Personen untersucht worden, von denen jedoch nur 31 schwere Verletzungen davongetragen und nur sieben der 31 einen Helm getragen hätten. Darüber hinaus stützt auch diese Studie sich auf die Annahme, dass ausreichend wissenschaftliche Belege über die positiven Auswirkungen durch das Tragen eines Fahrradhelms vorliegen und zitiert als Beleg unter anderem die hier besprochene Studie von Thompson, Rivara et al. (1989).

Es ist im Allgemeinen kritisch, dass nahezu alle Studien die Hypothese aufstellen, dass das Tragen eines Fahrradhelms das Risiko einer Gehirnverletzung allgemein reduziert. Es werden keinerlei Abstufungen hinsichtlich der Helm-Art (Hartschalenhelm, Weichschalenhelm), den Typ und die Lokalisierung der Verletzung oder deren Entstehung vorgenommen. Kritik am Vorgehen wird wiederum mit dem Argument abgetan, dass es breite wissenschaftliche Meinung sei, dass Helme schützen.12

Meiner Meinung nach besteht eindeutiger Bedarf nach einer ergebnisoffenen und unabhängigen Analyse bezüglich der Schutzwirkung eines Fahrradhelms in verschiedenen Situationen und bei verschiedenen Unfalltypen. Bisherige wissenschaftliche Untersuchungen stützen sich zu oft auf die oftmals unbelegte Annahme, dass Fahrradhelme in der jeweils betrachteten Unfallsituation eine Schutzwirkung entfalten.

Die Problematik wird zudem nicht besser, wenn Wissenschaftler wie Fred Rivara ihre kritisierten Befunde unkommentiert wiederholen. Bei seinem Vortrag im Rahmen der TEDxMontlakeCut wiederholt er die Behauptung einer 85 % bzw. 88 %-Reduktion [siehe Minute 03:15] ohne auf die kritischen Anmerkungen anderer Wissenschaftler an seinem Ergebnis hinzuweisen. Oder darauf, dass dieses Ergebnis in dieser Größenordnung in den vergangenen 25 nicht ein einziges Mal belegt werden konnte. Darüber hinaus verweist er allgemein auf die hohen volkswirtschaftlichen Gesundheitskosten durch Schädel-Hirn-Traumata, ohne darauf zu verweisen, dass Radfahrer nur 0,6 % der amerikanischen Todesfälle infolge eines Schädel-Hirn-Traumas stellen.

Ebenso ist es kontraproduktiv, wenn Medien und Interessenverbände auf nicht näher genannte Studien “amerikanischer Wissenschaftler” verweisen und die Behauptungen für Dritte (z.B. Leser) nicht überprüfbar sind. Abgesehen davon, dass die zitierten Werte in ihrer Höhe nicht belastbar zu sein scheinen.

 


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