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Geschichte: Der europäische Siebenjährige Krieg im Indien und Nordamerika

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Vor weniger als hundert Jahren hatten sich in Nordamerika europäische Siedler verschiedener Herkunft – Spanier, Franzosen, Holländer und Engländer – entlang der südlichen Atlantikküste niedergelassen. Beim weiteren Vordringen ins Landesinnere kam es zwangsläufig zu Konflikten unter ihnen. Wer würde sich in diesen Auseinandersetzungen durchsetzen? Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges schien die spanische Vormachtstellung gebrochen, während Holland zunächst die Oberhand gewann.

Die Niederländer verfügten über eine stärkere Seemacht als England und Frankreich und kontrollierten das wertvolle Hudsontal. Frankreich dagegen beherrschte mit dem St.-Lorenz-Strom einen noch günstigeren Zugang zum Kontinent. Von den beiden englischen Kolonien hatten jene, die auf fruchtbarem Boden und in einem milden Klima lebten, bessere Überlebenschancen. Ihre Verwandten in Neuengland hingegen, die in einem kargen Gebiet siedelten, standen unter erheblichem Druck durch Holländer und Franzosen und befanden sich in einer schwierigen Lage. Diese Situation änderte sich 1664, als der Herzog von York den Holländern Neu-Amsterdam abnahm und es in New York umbenannte.

England entwickelte sich zielstrebig zum Rivalen im Seehandel. Bereits 1651 hatte das englische Parlament mit der Navigationsakte den Anspruch auf maritime Vorherrschaft festgeschrieben. Nach vier Kriegen – der letzte wurde zwischen 1780 und 1784 ausgetragen – musste Holland die Kontrolle über die See an England abgeben. Bevor England seine Position im Hudsontal weiter ausbauen konnte, erreichte 1673 der Franzose Louis Joliet vom Michigansee aus über den Wisconsin-Fluss den Mississippi. Neun Jahre später folgte Rene-Robert La Salle dem St.-Lorenz-Strom zu den Großen Seen und gelangte über die Wasserscheide ins Mississippibecken. Dort gründete er die französische Kolonie St. Louisiana, errichtete den Hafen La Nouvelle Orleans und sicherte das Gebiet durch das Fort St. Louis ab. Die Aussichten der Engländer waren sowohl im Norden als auch im Süden eher begrenzt.

Die Zukunft Nordamerikas schien für die Franzosen entschieden zu sein. Ihre Militärstützpunkte lagen hinter den englischen Kolonien und bildeten eine Art kontinentalen Schutzwall. Noch heute erinnern Ortsnamen wie Detroit, Saint Paul, Saint Louis und New Orleans daran. Auf See musste Frankreich jedoch 1692 in der Schlacht von La Hogue einer niederländisch-englischen Flotte unterliegen. Sowohl Holland als auch England konnten damit ernsthaft als Konkurrenten der spanischen Seemacht gelten. Die europäischen Machtkämpfe setzten sich in den Kolonien fort; die dortigen Auseinandersetzungen beeinflussten wiederum das Machtgefüge Europas.

Ein Beispiel hierfür ist der Siebenjährige Krieg – häufig mit Friedrich II.s Eroberungspolitik gleichgesetzt –, der auf den ersten Blick wenig mit dem nordamerikanischen Indianerkrieg zu tun hatte, abgesehen von der Einführung der Kartoffel durch den „Alten Fritz“. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch ein Zusammenhang: Die Bewohner des früheren Herrschaftsgebiets Friedrichs des Großen – Brandenburg, Pommern und Ostpreußen – mussten sich in einer ähnlich kargen Umgebung behaupten wie die Neuengländer: dünne Kiefernwälder und sandige Böden prägten ihre Landschaft. In einem harten Kampf wurden diese armen Böden urbar gemacht. Zwei Jahrhunderte später spielten deren Nachfahren in Nordamerika eine ebenso bedeutende Rolle wie die Preußen in der deutschen Geschichte.

Im 19. Jahrhundert stiegen diese Preußen nicht nur „zu den Herren Deutschlands auf“, so Toynbee, „und führten die Deutschen im zwanzigsten Jahrhundert in dem ernsten Versuch an, unserer Gesellschaft einen allumfassenden Staat zu verschaffen; zugleich lehrten sie ihre Nachbarn, wie man sandige Böden durch künstliche Düngemittel für den Getreideanbau nutzbar macht; wie man durch allgemeine Schulpflicht das Niveau sozialer Kompetenz hebt und durch Unfall- sowie Arbeitslosenversicherung soziale Sicherheit auf ein bisher unerreichtes Niveau bringt.“ Toynbee stellt fest: „Wir mögen die Preußen nicht leiden, doch können wir nicht leugnen, dass wir von ihnen wichtige und wertvolle Lehren erhalten haben.“

Die Neuengländer wurden schließlich nicht nur zur dominierenden Kraft Nordamerikas, sondern Mitte des 20. Jahrhunderts auch zur bestimmenden Macht über Deutschland – denn Preußen wurde 1945 abgelöst. Der britische Sieg in Nordamerika wäre ohne preußische Unterstützung kaum möglich gewesen; dieses Detail ließ Toynbee jedoch in seiner Weltgeschichtsstudie unerwähnt. An diesem Beispiel lässt sich hervorragend die Raffinesse englischer Außenpolitik studieren.

1753 war Englands Lage in den nordamerikanischen Kolonien bedrohlich geworden: Die Franzosen hatten zusammen mit verbündeten Indianerstämmen des Ohio-Tals Festungen errichtet – für England ein unhaltbarer Zustand. Um das bereits verloren geglaubte Rennen doch noch zu gewinnen, entwarf die englische Führung im Auftrag der Handelsinteressen einen Plan zur Beseitigung der französischen Kolonialherrschaft in Nordamerika. Die Umsetzung scheiterte jedoch und führte zu mehreren blutigen Niederlagen. Es zeichnete sich eine Katastrophe ab – parallel begann in Europa der Siebenjährige Krieg.

Da England als Seemacht im Landesinneren Nordamerikas aufgrund mangelnder Truppen nicht siegen konnte, verlegte es kriegerische Aktionen ins Mittelmeer und nach Indien aus – ein Konflikt, der sich auf Asien und Afrika erstreckte und als erster globaler Eroberungskrieg der Moderne gilt. Gleichzeitig suchte England in Europa nach Verbündeten, die das französische Kontinentalheer binden sollten, damit es sich dank seiner starken Flotte auf den Kolonialkrieg konzentrieren konnte. Als potenzielle Partner kamen Österreich, Russland und Preußen infrage – doch welche Anreize konnte London bieten? Ein heikles diplomatisches Spiel begann. Friedrich II., König von Preußen aus dem Hause Hohenzollern, hatte mit französischer Unterstützung Schlesien von den Habsburgern erobert.

Der französische Gesandte La Touche erwartete nun eine Gegenleistung von Friedrich. Dieser erkannte die Gesamtlage klar und schlug vor, dass französische Truppen nach Kriegsausbruch Hannover besetzen sollten – denn König Georg II., zugleich Kurfürst von Hannover, war auch König von England. Friedrich wollte damit verhindern, so Olaf Groehler (1990), „dass ein europäischer Brand aus der Kriegsflamme entstehen konnte, die im amerikanischen Wald entfacht wurde.“

Frankreich war bereit, diesen Plan zu übernehmen, allerdings mit einer kleinen Änderung: Preußen selbst sollte Hannover besetzen. Dies hätte vermutlich ein Bündnis zwischen England, Österreich und Russland gegen Preußen zur Folge gehabt; daher lehnte Friedrich ab. Österreich musste noch den Verlust Schlesiens und der Grafschaft Glatz aus dem Österreichischen Erbfolgekrieg verkraften. Ein Bündnis mit England hätte jedoch einen Krieg gegen Preußen bedeutet und wäre für England teuer gewesen; zudem war Frankreich noch nicht eingebunden. Das oft erfolgreiche Prinzip „Die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde“ griff hier nicht; stattdessen musste gekauft werden: Am 30. September 1755 mietete England am Zarenhof gegen jährlich 100 000 Pfund Sterling 55 000 russische Soldaten an; für den Kriegsfall sollten weitere 500 000 Pfund Subventionen gezahlt werden.

Im Gegenzug stellte Russland für den Transport von 10 000 Soldaten nach Nordwestdeutschland vierzig bis fünfzig Schiffe bereit. Der preußische Hof war über dieses Abkommen informiert und besorgt darüber, dass russische Truppen sich dauerhaft in Nordwestdeutschland niederlassen könnten. Russland sah das erstarkte Preußen wegen eigener Interessen in Polen und Schweden als Hindernis an; ein Krieg wäre eine willkommene Gelegenheit gewesen, Preußen zu schwächen. Dies erkannte man in Berlin; Schlesien sollte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.

Daher schloss Friedrich II. am 16. Januar 1756 mit England die Westminster-Konvention ab: Beide Parteien verpflichteten sich zum Frieden in Deutschland und verhinderten den Durchmarsch fremder Mächte – somit war Hannover sowohl für Russen als auch für Franzosen gesperrt. Doch Friedrichs Kalkül erwies sich als falsch: Er hatte Russlands Abhängigkeit von England überschätzt sowie die Empörung des französischen Hofes über seine Annäherung an England unterschätzt. Die daraus resultierende Verstimmung nutzte Österreich geschickt aus mit dem Ziel einer österreichisch-russisch-französischen Koalition gegen Preußen. Am 5. April 1756 stimmte Zarin Elisabeth dem Plan zu: Gemeinsam sollte Preußen angegriffen werden; Waffenstillstand erst nach Rückeroberung Schlesiens.

Russland beanspruchte Kurland und Semgallen als Entschädigung; Polen sollte mit Ostpreußen entschädigt werden – eine einfache Rechnung war das nicht. In Paris gelang es österreichischen Diplomaten ebenfalls erfolgreich, das preußisch-englische Abkommen als Angriff auf französische Interessen darzustellen – warum? Ein Landheer konnte England nur im Kurfürstentum Hannover bedrohen; dieser Weg war durch Westminster versperrt; zur See blieb England unangreifbar. Frankreich zögerte zunächst: Ein zerschlagenes Preußen neben einem mächtigen Österreich entsprach nicht seinen Wünschen. Diese Bedenken wurden zerstreut: Österreich bot Frankreich im Gegenzug für seine Unterstützung die österreichischen Niederlande an – sobald Schlesien und Glatz zurückerobert seien –, während Preußen auf ein Kurfürstentum reduziert werden sollte.

Andere Staaten witterten ebenfalls Morgenluft: Schweden und Sachsen traten der Koalition bei; Pommern sollte an Schweden fallen, Magdeburg an Sachsen, Kleve-Mark an die Kurpfalz und Ostpreußen an Polen gehen. Damit war eingetreten, was Friedrich II. unbedingt vermeiden wollte: Isolation Preußens. So blieb Friedrich nichts anderes übrig als ein Bündnis mit England einzugehen – militärische Hilfe war zwar nicht zu erwarten; dafür sah ein großzügiger Subsidienvertrag jährliche Zahlungen vor. Die im amerikanischen Wald entfesselte Kriegsflamme drohte nun tatsächlich zum europäischen Brand auszuwachsen.

In Europa wurden vor allem österreichisch-preußische Gegensätze ausgefochten, begründet durch Preußens Eroberungspolitik während des Österreichischen Erbfolgekrieges; primär jedoch ging es um den Gegensatz zwischen Frankreich und England um maritime Vorherrschaft sowie um Kontrolle über indische Kolonien. In Nordamerika galt es für die protestantisch-angelsächsischen Siedler zudem eine romanisch-katholische Herrschaft zu verhindern.

Darüber hinaus standen immense Handelsinteressen auf dem Spiel: Märkte sowie billige Rohstoffquellen von unermesslichem Wert – Besitzungen hundertfach kostbarer als Europa selbst und zehntausendfach größer als Schlesien einschließlich Glatz. Nachdem die preußische Armee französische Truppen auf dem europäischen Kriegsschauplatz band und William Pitt ab 1757 für England die Kriegsführung übernahm, gelang es Großbritannien bis 1758 Louisbourg sowie bis 1760 Kanada zu erobern. Der letzte bedeutende französische Stützpunkt Pondichery in Indien wurde im Oktober 1760 eingeschlossen.

Im Gegensatz zu Premier Pitt sahen König und Bürgertum Englands damit ihre Kriegsziele weitgehend erreicht; folgerichtig stellten sie im Dezember 1761 die Zahlungen an Preußen ein. Aus englischer Sicht hatte Preußen seine Aufgabe vorbildlich erfüllt; nun befand es sich „in der Agonie und erwartete die letzte Ölung“. 1758 hatten russische Truppen Neumark verwüstet, Küstrin zerstört sowie die Festung Kolberg erobert; halb Schlesien sowie ganz Hinterpommern mussten aufgegeben werden ebenso Teile Sachsens. Mit dem Tod Zarin Elisabeths änderte sich jedoch überraschend die Lage: Ihr Nachfolger Peter III., Bewunderer Friedrichs II., stellte sofort alle Kampfhandlungen ein und schloss am 5. Mai Frieden; Russland gab alle Eroberungen ohne Entschädigung zurück. Im letzten Gefecht bei Burkersdorf schlug Friedrich zudem die Österreicher zurück und zwang sie zum Abzug – somit war der Sieg für Preußen vollständig erreicht.

Der Friedensvertrag von Paris (1763) zwischen England sowie der spanisch-französischen Koalition regelte global neue Verhältnisse: Kanada, Florida, das östliche Mississippi-Tal sowie große Teile der Westindischen Inseln fielen an England; Frankreich durfte seine indischen Kolonien innerhalb der Grenzen von 1749 behalten; Spanien erhielt Kuba sowie Havanna zurück. Dieser Vertrag bedeutete einen beispiellosen Territorialwechsel zwischen Nationen auf amerikanischem Boden. In Europa gab Premierminister Lord Bute preußische Interessen preis und gestattete Frankreich sogar Besitzansprüche auf Kleve sowie Geldern – wenig Anerkennung für Englands wichtigsten Helfer bei Sicherung seiner Vormachtstellung in Indien und Nordamerika.

Die Londoner Proklamation vom 7. Oktober 1763 war nicht nur großzügig formuliert sondern geradezu christlich: Den Indianern wurde feierlich das bisherige französische Einflussgebiet östlich der Appalachen- sowie Ohio-Wasserscheide als „Indianerschutzgebiet“ zugesichert. Anstelle des französischen Gegners trat nun plötzlich die englische Krone als Hindernis für weitere Siedlerausdehnung auf – ein Bruch des Grundprinzips vieler Kolonisten, westlichen Reichtum sowie Freiheit suchen zu dürfen.

Als Forderungen nach Unabhängigkeit vom Mutterland lauter wurden, verabschiedete der Kongress am 4. Juli 1776 jene Unabhängigkeitserklärung größtenteils vorbereitet von Thomas Jefferson: Eine Präambel mit naturrechtlicher Argumentation betonte Freiheit sowie Gleichheit aller Menschen; die rund 500 000 Sklaven mussten jedoch noch über hundert Jahre warten bis ihnen diese Rechte zugestanden wurden. Auf die amerikanische Revolution folgte jene Frankreichs: Unter dem Motto „Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit“ fanden viele Henker an der Guillotine Beschäftigung; Einem korsischen Artillerieleutnant eröffneten sich bald ungeahnte Möglichkeiten: Napoleon Bonaparte landete mit seinen Truppen in Ägypten; doch bereits 1798 vernichteten englische Streitkräfte vor Abukir die dort liegende französische Flotte; nach verlustreichen Gefechten übergab Napoleon das Kommando an General Kleber; er kehrte nach Frankreich zurück um neue Armeen zur Eroberung Europas aufzubauen.

Wegen Geldmangels verkaufte er am 30. April 1803 Louisiana – noch immer große Gebiete des Mittleren Westens umfassend – für 15 Millionen Dollar an Präsident Thomas Jefferson; damit verdoppelte sich das Staatsgebiet der USA binnen kurzer Zeit; da Kanada samt französischer Bevölkerung schon seit vierzig Jahren britisches Territorium war, verschwand damit endgültig die französische Flagge vom politischen Nordamerika; Napoleon entging wohl dieser strategisch günstige Vorteil zugunsten Englands.

Er marschierte daraufhin mit seinen Heeren nach Mitteleuropa: 1805 besiegte er vereinte preußisch-russische Truppen bei Jena sowie Auerstedt; die deutschen Fürsten unterwarfen sich Napoleon; im Folgejahr legte Kaiser Franz aus dem Hause Habsburg den Titel Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nieder und nannte sich fortan Kaiser von Österreich; damit endete jenes Reich, das mit Karls des Großen Krönung begonnen hatte; Napoleon dankte Bayern für dessen Unterstützung und krönte noch im selben Jahr dessen Herrscher zum König. 1806 gerieten Portugal sowie Spanien unter französische Kontrolle, 1809 wurden Österreicher bei Wagram erneut geschlagen und zum Frieden von Schönbrunn gezwungen; ein Jahr später annektierte Napoleon Bremen, Lübeck, weitere Teile Norddeutschlands und das gesamte Königreich Holland; in ganz Europa wuchs daraufhin Widerstand gegen Napoleons Fremdherrschaft.

Nach Spanien erhoben sich Tiroler Bauern gegen französisch-bayerische Truppen, bis Napoleon ihren Anführer Andreas Hofer gefangen nahm und hinrichten ließ; in deutschen Landen formierte sich Unmut gegen Napoleons Willkür, der überall Monarchien errichtete, die er bevorzugt mit Familienmitgliedern besetzte; erstmals fühlten sich alle Deutschen trotz unterschiedlicher Herkunft verbunden: Sie waren Deutsche statt Franzosen; zum ersten Mal sehnten Dichter wie Bauern gemeinsam Befreiung herbei, doch Napoleon blieb zu mächtig; Goethe warnte: „Schüttelt nur an euren Ketten; der Mann ist euch zu groß!“.

Napoleons Ehrgeiz kannte keine Grenzen: Nachdem Russland seinen Handel mit England verweigerte, hob er fast 700 000 Soldaten entlang der Weichsel aus – ein Heer beispielloser Größe; 1812 marschierte Napoleon mit seiner Grande Armée zusammen mit Hilfstruppen aus verbündeten Staaten bis vor Moskau, doch Ressourcenerschöpfung durch Kriege, strenge Steuerpolitik und Polizeiherrschaft hatten ihn beim Volk diskreditiert; der verlustreiche Rückzug im strengen Winter verstärkte diese Stimmung und gab Europas Herrschern neue Hoffnung; seiner sterbenden Armee eilte Napoleon verkleidet per Bauernschlitten voraus nach Paris, um seine Herrschaft zu festigen; dort erklärte er im „29.Bulletin“: „Der Kaiser ist gesund, die Große Armee so gut wie vernichtet.“ Unverzüglich stellte er eine neue Armee auf – sein letztes Aufgebot –, um nun vor allem junge Männer gegen aufständische Völker einzusetzen.

Am 30.Dezember 1812 schloss General York eigenmächtig einen Neutralitätsvertrag mit russischem General Diebitsch und besetzte Gebiete zwischen Memel, Tilsit und Kurischem Haff; König Friedrich Wilhelm III.entband ihn daraufhin seines Postens, doch dieser Akt des Ungehorsams löste eine Volksbewegung gegen Napoleon aus, nach längerem Zögern stellte sich auch Friedrich Wilhelm III.an deren Spitze. Napoleon setzte seine neue Armee wieder gen Osten in Bewegung, während Kaiser Franz Metternich sandte um Friedensverhandlungen einzuleiten; nach einem Tag zögerlichen Verhandelns fragte Metternich ihn schließlich: „Was wollt Ihr tun wenn auch diese junge Armee vernichtet wird?“ Napoleon verlor daraufhin seine Fassung: „Ihr seid kein Soldat und wisst nicht was im Herzen eines Soldaten vorgeht! Ich bin im Felde groß geworden und pfeife auf das Leben einer Million Menschen.“

1813 standen Napoleons Truppen zusammen mit Bayern gegenüber einer Allianz aus Preußen, Russland, England, Österreich und Schweden bei Leipzig; am ersten Tag hielt Napoleon stand, am zweiten Tag wechselten bayerische Truppen die Seiten – die Völkerschlacht bei Leipzig war verloren, sein Großreich zerfiel; Österreicher rückten nach Norditalien vor, Engländer landeten auf der Iberischen Halbinsel und drangen über Pyrenäen vor; da Napoleon Friedensverhandlungen ablehnte, marschierten Alliierte am 31.März1814 in Paris ein; Napoleon wurde ins Exil nach Elba verbannt – damit endete auch die Revolution endgültig.

Mit Ludwig XVIII., Bruder Ludwigs XVI., kam ein neuer König an die Macht, der ähnlich pompös regierte und unbeliebt blieb; auch beim Wiener Kongress ab 1814 versuchte man Revolution ungeschehen zu machen und stellte politische Verhältnisse wieder her wie vor1789; unter dem Motto „Solidarität“ wollten fünf Großmächte – England, Russland, Österreich, Preußen und Frankreich – Gleichgewicht, Frieden und Ordnung sichern; doch während daran gearbeitet wurde schlossen England, Frankreich und Österreich schon im Januar 1815 ein geheimes Bündnis gegen Russland sowie Preußen – ein frühes Zeichen geopolitischer Spannungen zwischen Seemacht England und Kontinentalmacht Russland – deren Konflikte später Asien prägen sollten und erste Anzeichen dafür waren, dass europäische Gegensätze bald weltweite Bedeutung gewinnen würden.

Im Frühjahr 1815 erschütterte Napoleons Rückkehr nach Frankreich den Wiener Kongress; in Waterloo beendeten alliierte Truppen Napoleons „Herrschaft der hundert Tage“ endgültig; als „Feind“ „Zerstörer des Weltfriedens“ wurde er verbannt nach St.Helenainmitten des Atlantiks. Trotz seiner langjährigen Kriege hielt Frankreich Europa fast ein Vierteljahrhundert lang in Unruhe gehalten hatte man es maßvoll behandelt und ließ es territorial unverändert wie 1790 bestehen– ein Gleichgewichtswahrer Europas ebenbürtig geblieben.

Auf Initiative Zar Alexanders I.schlossen Russland, Österreich und Preußen noch vor Friedensschluss am 26. September 1815 eine „Heilige Allianz“ – eine Verpflichtung zur Führung ihrer Staaten basierend auf christlichen Grundsätzen wie Gerechtigkeit, Liebe und Frieden – wobei Großbritannien sowie Heiliger Stuhl fernblieben. Wohl auch um Fürstenherrschaften zu sichern und Aufstände zu verhindern– vor allem aber verpflichteten sie sich zur friedlichen Lösung von Konflikten; für England standen hingegen eigene Interessen sowie Machtausgleich im Vordergrund– daher entsandte man keine Vertreter zu Kongressen dieser Allianz – man kann darin eine frühe Vorform moderner Sicherheitsorganisationen sehen.

Doch wo englisches Interesse berührt wurde erlitt diese Allianz ihren Todesschlag– ausgelöst durch Befreiungskriege Serbiens sowie Griechenlands gegen osmanisches Joch. Zur Niederschlagung des Aufstands verübten die Osmanen im April 1822 an der griechischen Bevölkerung der Insel Chios ein Massaker, das weltweit für Entsetzen sorgte und die Entstehung des Philhellenismus maßgeblich förderte. Insgesamt sollen etwa 25.000 Einwohner der Insel getötet worden sein: alle Kinder unter zwei Jahren, sämtliche Männer über zwölf und alle Frauen über vierzig Jahre. Die verbliebenen rund 45.000 Menschen wurden auf Sklavenmärkten verkauft. Diese Ereignisse blieben auch der britischen Öffentlichkeit nicht gleichgültig. Das bürgerliche Engagement in Großbritannien stand jedoch den geopolitischen Interessen des Landes auf dem Balkan entgegen, denn der britische Imperialismus war vor allem am Fortbestand des Osmanischen Reiches interessiert, das als Gegengewicht zur »Heiligen Allianz« betrachtet wurde; es wurde daher als notwendiges Übel geduldet und notfalls unterstützt. Angesichts des wachsenden Drucks aus der Bevölkerung unterstützte Großbritannien schließlich trotz widersprüchlicher außenpolitischer Ziele den Freiheitskampf der Griechen.

Nachdem der Sultan letztlich vor dem Zaren nachgeben musste, sah das Londoner Protokoll von 1830 die Gründung eines kleinen, unabhängigen griechischen Königreichs vor. Dieses sollte gemäß dem Willen Frankreichs, Russlands und Englands vom bayerischen Prinzen Otto regiert werden. Trotz aller Sympathien für die Griechen war Großbritannien als damalige Weltmacht nicht bereit, das Osmanische Reich nachhaltig zu schwächen. Das Reich sollte weiterhin so stark bleiben, dass es den Zugang Russlands zum Mittelmeer blockieren konnte. Daher fürchtete der Zar ein gegen ihn gerichtetes englisch-griechisches Bündnis. Frankreich hingegen wollte seine strategischen und finanziellen Interessen sichern und bevorzugte den Erhalt des Status quo. Die Unabhängigkeit Griechenlands sowie die Autonomie Serbiens schwächten das Osmanische Reich, ließen zuvor unterdrückte Konflikte zwischen Slawen und Muslimen auf dem Balkan erneut aufflammen und lösten einen Machtkampf zwischen Wien und Sankt Petersburg aus. Diese Spannungen konnten bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 nicht beigelegt werden.

Neben den um Freiheit kämpfenden Serben und Griechen kam es im Juli 1830 in Paris zu Aufständen von Arbeitern, Studenten und Bürgern gegen die Auflösung der liberaldominierten Kammer sowie gegen verschärfte Pressezensurmaßnahmen. König Karl X. musste ins Exil nach England fliehen. Sein Nachfolger wurde der »Bürgerkönig« Louis Philippe. Die Auswirkungen der »Juli-Revolution« waren auch in Belgien, Polen und Italien spürbar.

Im Deutschen Bund – einem Geflecht aus zahlreichen kleinen Herzog-, Fürsten- und Königreichen, die teils verbündet, teils verfeindet waren – blieb ein großer Teil der Bevölkerung seit dem Wiener Kongress von politischen Entscheidungen weitgehend unberührt. Im Gegensatz dazu erreichten Kunst und Kultur ungeahnte Höhepunkte: In der Musik durch Mozart, Beethoven und Schubert; in der Literatur durch Schiller und Goethe; sowie in der Philosophie durch Hegel, Schelling und Schopenhauer. Diese ruhige und beschauliche Epoche wurde später unter dem Begriff »Biedermeier« zusammengefasst.

1834 vereinten sich unter preußischer Führung 18 von 39 deutschen Staaten zum »Deutschen Zollverein«. Die 1839 eröffnete Bahnstrecke Leipzig-Dresden markierte den Beginn des Eisenbahnzeitalters in Deutschland. In Frankreich führten Missernten sowie die Bevorzugung der Besitzenden unter Louis Philippe 1848 zur »Februarrevolution«, infolgedessen er abdanken und ins Exil fliehen musste. Unter dem romantischen Dichter Alphonse Lamartine bildete sich die »Provisorische Regierung« der Zweiten Republik heraus. Doch die revolutionäre Stimmung hielt an: Im Mai kam es in Paris zu massiven Demonstrationen radikaler Sozialisten unter Auguste Blanqui, die Enteignungen der Reichen sowie eine Vergesellschaftung des Eigentums forderten. Die Regierung ließ die Aufständischen mit militärischer Gewalt niederschlagen; dabei gab es etwa 10.000 Todesopfer.

Louis Napoleon (1808–1873), Neffe Napoleons I., hatte bereits 1836 und 1840 erfolglose Putschversuche unternommen. Nun bot sich ihm eine neue Chance: Mit Versprechen wie Gemeineigentum für Arbeiter, Sicherheit vor Umstürzen für Bürger und einer Erneuerung nach napoleonischem Vorbild für Bauern gewann er bei den Wahlen im November 1848 drei Viertel der Stimmen. Als Präsident setzte Louis Napoleon den Ausbau von Eisenbahnen, Straßen und Wohnraum durch und ließ breite Prachtboulevards mit repräsentativen Gebäuden für Banken und Handel errichten. Ein Jahr vor Ablauf seiner vierjährigen Amtszeit führte er einen Staatsstreich durch, um seine Regierungszeit ohne Neuwahlen zu verlängern – erfolgreich: Im Januar 1852 wurde seine Amtsdauer auf zehn Jahre festgesetzt. Noch im Dezember desselben Jahres ließ er sich zum Kaiser Napoleon III. krönen; dieses Vorgehen wurde in einem Plebiszit von 97 % der Wahlberechtigten bestätigt.

Verpflichtet durch dieses Ergebnis strebte er an, Frankreich weltweite Bedeutung zu verschaffen, indem er das Land in europäische wie überseeische Abenteuer führte. 1853 nutzte er die russische Besetzung der Fürstentümer Walachei und Moldau als Vorwand, um Großbritannien zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen den Zaren zu bewegen.

Der kluge Ministerpräsident Sardinien-Piemonts, Camillo Cavour (1810–1861), schloss sich diesem Bündnis an in der Hoffnung auf französische Unterstützung im italienischen Einigungskrieg; Österreich verhielt sich neutral. Im September 1854 begann bei Sewastopol auf der Krim mit einem Stellungskrieg eine moderne Form kriegerischer Auseinandersetzungen, die etwa 100.000 Soldaten das Leben kostete. Nach einem Jahr fiel Sewastopol; im Frieden von Paris 1856 verlor Russland das Donaudelta.

Daraufhin unterstützte Kaiser Napoleon III. Cavours Ziel zur Errichtung eines italienischen Königreichs aktiv: Frankreich führte 1859 Krieg gegen Österreich, wobei nach verlustreichen Schlachten bei Magenta und Solferino die Donaumonarchie sich aus der Lombardei zurückzog.

Vom Erfolg beflügelt begann Napoleon III. nun sein mexikanisches Abenteuer: Während des amerikanischen Bürgerkriegs hatte Benito Juárez (1806–1872) mit Unterstützung der Nordstaaten Vera Cruz eingenommen und europäisches Eigentum beschlagnahmt. Im Januar 1862 vertrieben vereinigte englisch-französisch-spanische Truppen Juárez wieder aus Mexiko. Nachdem ihre Forderungen erfüllt waren, zogen England und Spanien rasch ab.

Napoleon III. beabsichtigte nun, den Konservativen Mexikos nach deren Bürgerkrieg zur Macht zu verhelfen und eine von Frankreich abhängige Monarchie einzurichten – ein Mächtegleichgewicht in der westlichen Hemisphäre sollte so geschaffen werden, um die USA zu kontrollieren wie Russland im Osten gebändigt wurde. Der Zeitpunkt schien günstig: Die USA befanden sich im Bürgerkrieg.

So überredete Napoleon III., zunächst zögerlich, Maximilian, den jüngeren Bruder Kaiser Franz Josephs von Österreich, Mexiko in eine neue Ära zu führen.

Dieser Schritt verärgerte die Nordamerikaner erheblich, da Napoleon damit gegen deren politische Ziele in Mexiko verstieß; sie unterstützten Ministerpräsident Juárez. Während Napoleon III. ab 1863 in Mexiko eine katholische Erbmonarchie unter Erzherzog Maximilian etablierte, besetzte er gleichzeitig das Mekongdelta im Südwesten Vietnams.

Nach Ende des amerikanischen Bürgerkriegs konnte Juárez mit US-amerikanischer Unterstützung Mexiko zurückerobern; Napoleon III. musste seine Truppen abziehen. Maximilian wurde gefangen genommen und hingerichtet.