Saxonen – “Warum die Sachsen keine Sachsen sind” – Namensstreit: Warum West-Sachsen & Ostsachsen in England liegen?

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Sachsen, ein heutiges Bundesland Deutschlands, hat eine reiche historische Vergangenheit. Die Stadt Meißen wird manchmal als “Geburtsort Sachsens” bezeichnet. Tatsächlich erzählt die Geschichte des sächsischen Volkes jedoch eine ganz andere Geschichte.

“Das heutige Land Sachsen gehört zu den deutschen Bundesländern”

>>Bertuch Verlag<<

“Das heutige Land Sachsen gehört zu den deutschen Bundesländern, die auf eine lange Geschichte zurückblicken können – wenn auch unter anderer, wechselnder territorialer Gestalt und vor allem in der Frühzeit 400 Jahre lang unter einem anderen Namen! Denn wir müssen mehr als 1000 Jahre zurückgehen, um auf seinen Anbeginn zu stoßen – und wir finden ihn in der darauf noch immer stolzen Stadt Meißen, die zu Recht als „Wiege Sachsens” bezeichnet werden kann.”

Sachsen: Zwischen der vermeintlichen “Wiege Sachsens” oder ist es nur eine historischen Raubkopie?

Eigentlich müsste die Geschichte nochmal mindestens 1.000 Jahre weiter in die Vergangenheit zurückverlagert werden. Die Vorfahren der “ursprünglichen Sachsen” lebten einst in Nordschleswig und Süddänemark, sehr weit entfernt von dem heutigen Bundesland Sachsen. Obwohl es noch immer eine starke deutsche Präsenz in den lokalen Parlamenten im südlichen Dänemark gibt, handelt es sich dabei nur sehr bedingt um die Nachkommen der Sachsen, da diese vorwiegend weite Richtung Süden wanderten und eben auch vor Jahrtausenden ihre Heimat in eine ganz andere Richtung verließen. Zusammen mit den Angeln und Jüten überquerten sie die Nordsee und erreichten Britannien. Diese traten als Foederaten ihre Dienst an. Eine Praxis, welche damals üblich war und mit modernen Söldnertum ungefähr vergleichbar ist.

“Foederaten – ein fremdes, bereits auf römischem Territorium lebendes Volk erhielt den Status eines souveränen rechtlichen Partners”

>>Das Ende der Antike von Hartwin Brandt (Buch) <<

“Denn erst dieses Abkommen, nicht etwa schon der zwischen Konstantin dem Großen und den Goten geschlossene Pakt, kreierte den Typus des reichsangehörigen Foederaten – ein fremdes, bereits auf römischem Territorium lebendes Volk erhielt den Status eines souveränen rechtlichen Partners, gleichsam die Rolle eines Staates im Staate.”

“Foederaten” – “Gleichsam die Rolle eines Staates im Staate” 

Nachdem Kaiser Konstantin im Jahr 407 seine römischen Truppen abgezogen hatte, ändere sich die Lage grundlegend. Da die Sachsen bereits zuvor nach Britannien gekommen waren, konnten sie das entstandene Machtvakuum ausnutzen, um die keltischen Briten zu unterwerfen. Denn bevor die römischen Soldaten abgezogen wurden, konnten die angelsächsische Söldner genügend Erfahrung zur Unterdrückung der lokalen Bevölkerung sammeln.

“407 die römischen Truppen von dort abgezogen” – “Nutzten sie das Machtvakuum und unterwarfen die keltischen Briten”

>>50 einfache Dinge, die Sie über Sachsen wissen sollten von Gunter Böhnke (Buch) <<

“Gemeinsam mit den Angeln und Jüten überquerten sie die Nordsee. Sie erreichten Britannien. Kaiser Konstantin hatte 407 die römischen Truppen von dort abgezogen. … Jetzt aber nutzten sie das Machtvakuum und unterwarfen die keltischen Briten. Diese waren quasi selbst schuld, sollen sie nach Abzug der römischen Soldaten doch erste angelsächsische Söldner unter den Anführern Hengist und Horsa (»Hengst« und »Pferd«) ins Land gerufen haben. Die Angeln wurden schon von Tacitus (98 nach Christus) beziehungsweise von Ptolemäus (zweites Jahrhundert) erwähnt. Und der Kirchenhistoriker Beda behauptet 600 Jahre später: »Von den Angeln und den Jüten und den Altsachsen stammen die Angelsachsen.« Um 1000 setzte sich die Bezeichnung »Englaland« – von den Wikingern eingeführt – gegen die älteren einheimischen Bezeichnungen durch. Auch zur Unterscheidung: Dort, in England, lebten die »englischen Sachsen«, während auf dem Kontinent immer noch die Festlandsachsen wohnten. … Die Sachsen im Tal der Themse und südlich bis zum Ärmelkanal. … Die angelsächsische Sprache, die der altsächsischen ähnelt, ist eine Wurzel des Englischen. Noch heute gibt es Gemeinsamkeiten zwischen dem Englischen und dem Niedersächsischen.”

“Die angelsächsische Sprache, die der altsächsischen ähnelt, ist eine Wurzel des Englischen”

Die Existenz der Angeln wurde bereits von Tacitus (98 nach Christus) bzw. Ptolemäus (2. Jahrhundert nach Christus) erwähnt. Die Angelsachsen stammen sowohl von den Angeln als auch von den Jüten und altsächsischen Stämmen ab. Um das Jahr 1000 setzte sich schließlich die Bezeichnung “Englaland“, eingeführt durch Wikinger, gegenüber älteren einheimischen Namen durch. Zur Unterscheidung: In England lebten fortan die “englischen Sachsen“, während auf dem Kontinent weiterhin Festlandsachsen ansässig waren. Die “Saxonen” siedelten sich im Tal der Themse bis hinunter zum Ärmelkanal an. Die traditionellen englischen Grafschaften Wessex (West-Sachsen), Sussex (Südsachsen), East Sussex (Östliches Südsachsen) oder Essex (Ostsachsen) weisen noch immer darauf hin. Die angelsächsische Sprache ähnelt dem Altsächsischen und bildet eine Wurzel des Englischen. Bis heute gibt es Gemeinsamkeiten zwischen dem Englischen und dem Niedersächsischen. Die Begrifflichkeit “Sachsen” wurde im Laufe der Zeit auf andere Gebiete übertragen, wobei zur Unterscheidung von (Nieder-)Sachsen lange das Wort “Obersachsen” geläufig war.

“Habsburgischen Erblande des Kaisers in Burgund, Österreich, Kurrhein und Obersachsen”

>>Als unser Deutsch erfunden wurde von Bruno Preisendörfer (Buch) <<

“Das Reich war in zehn Kreise eingeteilt: Franken, Schwaben, Bayern, Oberrhein, Westfalen, Niedersachsen und des Weiteren seit 1512 unter Einschluss der kurfürstlichen Territorien und der habsburgischen Erblande des Kaisers in Burgund, Österreich, Kurrhein und Obersachsen. Die kulturellen Gepflogenheiten, die familienpolitischen Machtvernetzungen und die ökonomischen Interessenverbindungen waren je nach Kreis verschieden.”

“Familienpolitischen Machtvernetzungen und die ökonomischen Interessenverbindungen waren je nach Kreis verschieden”

Die heutigen Bewohner des Bundeslandes Sachsen sind demzufolge keine wirklichen “Sachsen” , sondern die historische Bezeichnung bezieht sich hauptsächlich auf die Vorfahren der Niedersachsen.

Bundesland Sachsen: “Warum die Sachsen keine Sachsen sind”

>>Björn Bohling<<

“Warum die Sachsen keine Sachsen sind – Die Sachsen sind keine Sachsen – jedenfalls die Bewohner des heute so genannten Bundeslandes sind eigentlich keine Sachsen. Sachsen sind ursprünglich nur in Niedersachsen zu finden. … Im Laufe von Jahrhunderten kann es zu Wandlungen in der Bedeutung von Begriffen kommen und heutige Bezeichnungen von Regionen und Menschen müssen nicht mit denen in der Geschichte identisch sein – dieses gilt insbesondere für die Sachsen. Dabei ist es zu keiner “Völkerwanderung von der Nordsee ins Erzgebirge” gekommen, sondern gewandert ist nur der Name.”

“Ist es zu keiner “Völkerwanderung von der Nordsee ins Erzgebirge” gekommen, sondern gewandert ist nur der Name”

Im Laufe der Zeit haben sich Bedeutungen von Begriffen verändert und heutige regionale Bezeichnungen stimmen nicht immer mit denen in der Geschichte überein – das gilt besonders für die Sachsen. Es gab keine riesige-umwälzende Völkerwanderung vom Nordseegebiet ins Erzgebirge, sondern lediglich eine Verschiebung des Namens. Altsachsen, Angelsachsen, die Kriege und Kaiser der Sachsen sowie das Stammesherzogtum und andere Aspekte stehen alle nicht im Zusammenhang mit dem heutigen Sachsen. Die historische Grenze der historischen “Sachsen” ist sehr weit im Westen gelegen und dies wird durch den Limes Sorabicus verdeutlicht.

Limes Sorabicus und die Geschichte der Sorben

>>Sorabicon<<

“Seit der Kaiserkrönung Karls im Jahr 800 begann die fränkische Reichsadministration damit, eine durch Burgen gesicherte und mit befestigten Vorposten u. a. in Halle/Saale verstärkte Flussgrenze nach römischem Vorbild zu ziehen, ohne das Vorhaben wirklich realisieren zu können.”

Limes Sorabicus: “Befestigten Vorposten u. a. in Halle/Saale verstärkte Flussgrenze”

Einhard, der Biograf Karls des Großen, beschrieb die Saale als den Fluss, der die Thüringer und die Sorben trennte. Nach der Kaiserkrönung Karls im Jahr 800 begann die fränkische Reichsadministration damit, eine Flussgrenze nach römischem Vorbild zu ziehen.

“Die genaue Lage und Ausdehnung der „Sorbenmark“ wird in den Quellen nicht genannt”

>> Hans-Peter Willig<<

“Die genaue Lage und Ausdehnung der „Sorbenmark“ wird in den Quellen nicht genannt und ist deshalb in der Forschung immer noch sehr umstritten. Besondere Bedeutung kommt dabei der Auskunft Einhards zu, der in seiner um 830 entstandenen Biographie Karls des Großen, der Vita Caroli Magni, schreibt, jener habe die Saale als Grenze zwischen Thüringern und Sorben bereits von seinen Vätern übernommen (ac Salam fluvium, qui Thuringos et Sorabos dividit).”

“Saale als Grenze zwischen Thüringern und Sorben”

Nichtsdestotrotz lässt die Grenze des Limes Sorabicus verhältnismäßig gut nachvollziehen. Zwar hat neuzeitlich Form der Geschichtsklitterung zugenommen, aber besonders in Norddeutschland stößt dies in Teilen der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe. Auch aus Sorbischer Perspektive sind einige Merkwürdigkeiten festzustellen.

“Name Berlin”- “Eine wendische Bezeichnung und bedeutet Siedlungsstätte im Sumpf”

>>Der Tagesspiegel<<

„Dennoch ist es nahezu skandalös, wie der slawische Anteil an der deutschen Geschichte bis heute verdrängt wird“, sagt Werner Meschkank. Er arbeitet als Kurator am Wendischen Museum Cottbus und ist immer wieder von der Ahnungslosigkeit vieler Besucher überrascht. „Die glauben, dass der Name Berlin von Albrecht, dem Bären, kommt“, sagt er: „Dabei ist das eine wendische Bezeichnung und bedeutet Siedlungsstätte im Sumpf.“ … Die Deutschen sind später in die Lausitz gekommen.“ Noch 1843 seien 71 Prozent der Bevölkerung im Landkreis Cottbus wendisch gewesen, sagt Meschkank – und überhaupt: „In allen 16 Bundesländern, allen 294 Kreisen und 107 kreisfreien Städten Deutschlands leben Menschen mit slawischen Wurzeln, wovon Familiennamen wie Wendt, Wende, Wendisch, Windisch, Wünscher, Konzack oder Noack zweifellos Zeugnis ablegen.“ Das Wendische sei eben Teil der deutschen Geschichte.“

“Skandalös, wie der slawische Anteil an der deutschen Geschichte bis heute verdrängt wird”

Die eigene Geschichte wird verdrängt, während gleichzeitig so manche bunte Fabelerzählung wundersame Blüte treibt. Der heutige Name des Bundeslandes Sachsen ist dabei wenig hilfreich, wobei eine Umbenennung eine vielleicht Antwort wäre. Insbesondere in Zeiten von Namensstreitigkeiten haben schon so manche eine böse Überraschung erlebt.

“Nur noch 13 statt 22 Regionen: Frankreichs Parlament hat eine Gebietsreform beschlossen”

>>Zeit<<

“Nur noch 13 statt 22 Regionen: Frankreichs Parlament hat eine Gebietsreform beschlossen. … Die Regierung hatte ursprünglich 14 statt der nun beschlossenen 13 Regionen schaffen wollen.”

“Regierung hatte ursprünglich 14 statt der nun beschlossenen 13 Regionen schaffen wollen”

Im Zuge dessen wurde ebenfalls eine Umbenennung beschlossen. Auch hierzulande findet eine vergleichbare Diskussion statt, einige politische Vertreter möchten das Bundesland Rheinland-Pfalz in “Rheinland-Pfalzumbennen.