Lausitzer Mythen: Der Heidut

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Auf dem sogenannten Eierberge unfern des Landstädtchens Pulsnitz befand sich vor nicht gar zu langer Zeit noch eine hohe Fichte, welche als Mal- oder Ortszeichen gelten konnte, aus welcher zu manchen Zeiten bei Nacht ein tutendes Geheul ertönte, von dem man sagte: „Der Heidut läßt sich hören.“ Folgendes berichtet darüber die Sage:

War gedachter Heidut – sein wahrer Name ist im Strom der Zeiten versunken – aus Pulsnitz, ein gar frommer, gottseliger Mann, welcher fleißig in die Kirche ging, Kanzel und Altar kleidete, auch den Armen reichlich Spenden ertheilte, so, daß man ihn schon bei seinen Lebzeiten für einen halben Heiligen hielt.

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Von Heinrich Gottlob Gräve

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Von einer höhern Macht wurde auch solches anerkannt, indem er seinen Hut, Degen, Mantel, Wamms, Gürtel, Stiefeln und Sporen an Sonnenstäubchen aufhängen konnte, woran sie auch – Wunder genug! – wie Alle, die es gesehen haben, bezeugen können – wie an einen Nagel verblieben. Weniger Wunder aber ist es, daß er vom Teufel, welcher aus ihm ein Weltkind zu machen bemüht war, das er um so sichrer in sein Reich ziehen könnte, mancherlei Versuchungen – und da diese vom Harnisch seines Glaubens abprallten – vielerlei Neckereien und Unbilde erfahren mußte.

Einst, als sich der Fromme im Gotteshause befand und der Predigt aufmerksam zuhörte, erblickte er – was Andere nicht sahen – den Fürsten der Hölle in gar lächerlicher Gestalt, wie er auf einer Bockshaut sehr ämsig ein Sündenregister der gläubigen Lämmlein anfertigte und da die Bockshaut zu kurz war, selbige mit seinen bekrallten Fäusten und Füßen ausdehnte, dabei es aber versah, rücklings hinpurzelte, und so ein komisches Tableau machte, daß der fromme Mann eines lauten Gelächters an dieser heiligen Stätte sich nicht zu enthalten vermochte.

Nach Hause gekehrt, wollte er – wie gewöhnlich – seine Kleider aufhängen; allein das Kunststück gelang nicht und das Sonnenstäubchen verweigerte seine Pflicht, worüber Heidut ergrimmte, die Kleidungsstücke mit Füßen trat und fürchterlich fluchte. – Das wollte Beelzebub. – Von diesem Augenblicke an wurde der so lange fromm Gewesene ein wilder Wüstling. Sauf- und Spielgelage mit andern ungeschlachteten Gesellen waren bei ihm an der Tagesordnung, Kirchen besuchte er nie und an den heiligsten Feiertagen trieb er mit Saus und Braus, Lärm und Geschrei sein Weidwerk unter der Predigt. Die heiligen Diener der Religion machte er zur Zielscheibe seines Hohns und Spottes und vom Becher des Lebens nippte er nicht, sondern leerte ihn in vollen Zügen, so daß sich alle Gutgesinnten von ihm entfernten und nur der Teufel seine einzige Lust und Freude an ihm hatte.

So lebte er mit seinen Genossen unter rauschenden Vergnügungen Tag und Nacht fortwährend, bis ihn einst bei einem wüsten Mahle im Kreise seiner Zech- und Jagdbrüder der Schlag rührte oder – wie Andere behaupten – der leidige Satanas den Hals umdrehte. Wenigstens berechtigte sein schwarzes, entstelltes Gesicht und der im Zimmer sich verbreitende Schwefelgeruch zu dieser Vermuthung. Unstät und flüchtig irrte sein Geist unter Toben und Lärm – wie er in Körperhülle bei Lebzeiten gethan – bei nächtlicher Weile durch Berg und Thal, durch Wälder und Fluren, bis ihn endlich ein frommer Mönch in jene Fichte verbannte.

Auf dem Stadtkeller zu Pulsnitz befindet sich ein an Ketten hängendes, mit Hirschgeweihen umfaßtes hölzernes Brustbild mit langem schwarzen Bart, gemeiniglich der wilde Mann, auch der alte Schlieben genannt, welches dieser Heidut seyn soll. Allein nach Anderer Ansicht soll es den alten Schlieben, einen Wohlthäter der Pulsnitzer, denen er viel Gutes gethan, vorstellen.