100,1 Prozent- Belastung & Transferentzugsrate: “Tausend Euro mehr Lohn, doch auf dem Konto kommt davon kein einziger Cent an”

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Transferentzugsrate – Ist eine Besteuerung von 100 Prozent möglich? Astrid Lindgren sollte 100,1 Prozent an Steuern und Sozialabgaben zahlen. Teilweise wird es sogar durch die deutsche Abgabenlast überboten.

“Für ihr Einkommen von 2 Millionen Kronen Steuern und Sozialabgaben in Höhe von 2 002 000 Kronen zu zahlen hätte – also 100,1 Prozent”

>>Zeit<<

“Die überzeugte Sozialdemokratin Astrid Lindgren rechnete 1976 aus, daß sie für ihr Einkommen von 2 Millionen Kronen Steuern und Sozialabgaben in Höhe von 2002 000 Kronen zu zahlen hätte – also 100,1 Prozent. Sie schrieb daraufhin ein Märchen (Pomperipossa in Monismanien), in dem sie die schwedischen Zustände karikierte, und rief zur Abwahl der Regierung von Olof Palme auf. Tatsächlich hatte sich die Kinderbuchautorin verrechnet, wie ihr der damalige Finanzminister Gunnar Sträng genüßlich vorhielt: Da sie – damals 68 Jahre alt – sich bereits im Rentenalter befinde, sei sie von den Sozialabgaben befreit und müsse nur die Steuern in Höhe von 85 Prozent zahlen. Von dem Rest könne sie aufgrund ihrer “sparsamen Veranlagung” wohl ihre laufenden Kosten decken.”

“Von dem Rest könne sie aufgrund ihrer “sparsamen Veranlagung” wohl ihre laufenden Kosten decken”

Diese speziellen “Rechenkünste” machen die Sache auch kaum besser. Wie auch immer. Das Thema der gleichmäßigen Besteuerung in Bezug auf die Leistungsfähigkeit sollte ein zentraler Aspekt der Steuergesetzgebung sein. Es bleibt dennoch die Frage: Ist ein normales Leben unter dieser 100,1 Prozent-Belastung überhaupt möglich? Eine Antwort auf die Frage könnte das Kindergeld liefern.

“Kindergeld ist rein rechtlich gesehen eine Steuervergütung”

>>Beamte – Was die Adeligen von heute wirklich verdienen von Torsten Ermel (Buch) <<

“Das Kindergeld ist rein rechtlich gesehen eine Steuervergütung. Seine Aufgabe ist es, das Existenzminimum des Kindes steuerfrei zu stellen. … Das heißt, dass es ein eigentliches »Kindergeld« in Deutschland nicht gibt. Die Bezeichnung ist irreführend. Es handelt sich ganz überwiegend nur um eine Erstattung von zu viel gezahlten Steuern. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass das Existenzminimum von Kindern steuerfrei ist. Das ist keine besondere soziale Leistung des Staates. Bei der Berechnung der familienpolitischen Leistungen darf das »Kindergeld« deshalb nicht mitgerechnet werden.”

“Es ein eigentliches »Kindergeld« in Deutschland nicht gibt”

Die allermeisten Kinder verdienen augenscheinlich kein Geld, müssen aber dennoch Steuern zahlen. Hierbei geht es also um die Transferentzugsrate und die Frage, ob eine Besteuerung von 100 Prozent überhaupt realistisch ist? – Teilweise wird dieser Wert in Einzelfällen sogar übertroffen. Bei einem entsprechenden Grundgehalt, wie viel kommt bei einer Gehaltserhöhung von 25 Prozent am Ende auf dem Konto an?

“Tausend Euro mehr Lohn, doch auf dem Konto kommt davon kein einziger Cent an”

>>Spiegel<<

“Tausend Euro mehr Lohn, doch auf dem Konto kommt davon kein einziger Cent an: Ein Gutachten für die Bundesregierung beschreibt den Irrsinn des deutschen Sozialstaats.  … Von den 1000 Euro wird gar nichts auf Ihrem Konto landen. Kein Cent. Ihre vierköpfige Familie in München wird jeden Monat sogar ein paar Euro weniger haben, kein Witz. Die gesamte Lohnerhöhung wird an anderer Stelle, beim Wohngeld und beim Kinderzuschlag, angerechnet und löst sich so in Luft auf. Die Experten der Bundesregierung nennen das: »Transferentzugsrate von z.T. über 100 Prozent«.

“Lohnerhöhung wird an anderer Stelle, beim Wohngeld und beim Kinderzuschlag, angerechnet und löst sich so in Luft auf”

Streng genommen steht diese Beispiel-Familie – nach der Gehaltserhöhung – sogar noch schlechter da. Trotz allen wird darüber debattieren, ob bestimmte Sozialabgaben irgendwie anders betrachtet werden sollten.

“Bund der Steuerzahler operiert nachweislich mit falschen Zahlen, schmeißt Steuern und Sozialabgaben willkürlich in einen Topf”

>>Vorwärts<<

“Warum der Steuerzahlergedenktag eine bewusste Irreführung ist – Der „Steuerzahlergedenktag“ müsste eigentlich „Tag der bewussten Irreführung“ heißen, denn der Bund der Steuerzahler operiert nachweislich mit falschen Zahlen, schmeißt Steuern und Sozialabgaben willkürlich in einen Topf und übergeht, dass die öffentlich finanzierte Infrastruktur selbstverständlich ganzjährig zur Verfügung steht. Er diskreditiert pauschal und undifferenziert den Sinn und die Legitimität von Steuern, verschweigt, dass durch Steuervorteile für Spitzenverdienende und Vermögende ein milliardenschwerer öffentlicher Investitionsstau entstanden ist und lässt völlig unerwähnt, dass den Sozialversicherungsbeiträgen unmittelbare individuelle Ansprüche bei Krankheit, Arbeitslosigkeit, Rente und Pflege gegenüberstehen.”

“Diskreditiert pauschal und undifferenziert den Sinn und die Legitimität von Steuern”

Inwiefern die heutigen Sozialversicherungsträger wirklich vor Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter und Pflege schützen? – Diese Frage kann mal hier offen bleiben. Allerdings handelt es sich hierbei um Pflichtversicherungen. Die Freiwilligkeit bleibt gänzlich auf der Strecke, was allenthalben an ganz andere Zeiten erinnert.

Sowjetunion: “Einer als freiwillige Verpflichtung getarnten Beschneidung des Gehalts, griff der Staat ins Portemonnaie der Bürger”

>>Lebt wohl, Genossen! Der Untergang des sowjetischen Imperiums von György Dalos (Buch) <<

“Indessen versuchte der Staat, Elend und Unfreiheit seiner Bürger juristisch zu legitimieren. Es hagelte geradezu Dekrete, Verordnungen, Beschlüsse und Gesetze, die einschneidende Änderungen im Alltag nach sich zogen und alle ein und dieselbe Unterschrift trugen. Durch das Leben der Menschen zog sich eine Kette staatlicher Einmischungen ins Privatleben. … Mit dem Gesetz über die «Beteiligung der Werktätigen aus den staatlichen Wirtschaftseinheiten an der Schaffung des Fonds für ökonomische Entwicklung», einer als freiwillige Verpflichtung getarnten Beschneidung des Gehalts, griff der Staat ins Portemonnaie der Bürger und machte nicht einmal vor dem Suppenteller halt. Mit dem «Beschluss zur wissenschaftlichen Ernährung der Bevölkerung» befahl das Regime seinem Volk eine als wohltuend propagierte Diät.”

Sowjetunion: “Beschluss zur wissenschaftlichen Ernährung der Bevölkerung”

Angesichts der steigenden Steuer- und Abgabenlast spielt die Transferentzugsrate eine wichtige Rolle, weil ohne Wohn- und Kindergeld viele Menschen heutzutage schlicht nicht mehr überleben könnten. Ohnehin läuft es auf eine Besteuerung von 100 Prozent zu. Nachdem alle finanziellen Mittel entzogen worden sind, springt der Staat als vermeintlicher Retter ein und “transferiert” nach seinem Vorstellungen die finanziellen Mittel zum Überleben zu. Ursprünglich hatte das Bundesverfassungsgericht mal etwas anderes geurteilt.

“Steuerpflichtigen ein angemessenes, steuerfreies Existenzminimum belassen werden muss”

>>Zum Teufel mit der Steuer! von Reiner Sahm (Buch) <<

“Gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bedeutet nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 25. 9. 1992 auch, dass dem Steuerpflichtigen ein angemessenes, steuerfreies Existenzminimum belassen werden muss. Die Einkommensteuer darf deshalb nur den Teil der Einnahmen belasten, der dem Einzelnen nach Abzug seiner zum Leben notwendigen Aufwendungen übrigbleibt, um seine Existenz und seinen Erwerb zu sichern. Auch in seinem Beschluss vom 27. 6. 1991 zur Besteuerung der Zinserträge stützt sich das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich auf die französische Erklärung der Menschenrechte von 1789, denn: „Der Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht“ nicht nur „dass die Steuerpflichtigen … gleich belastet werden“, sondern dass auch die verschiedenen Einkünftearten tatsächlich gleich belastet werden.”

“Gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bedeutet nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes” 

Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch klargestellt, dass jedem Steuerpflichtigen ein angemessenes Existenzminimum steuerfrei belassen werden muss. Somit wäre eine Besteuerung von 100 Prozent kaum möglich.