Das Selbstverständnis im Lausitzer Braunkohlerevier

Für viele die Lausitzer Revier arbeiten, stellt der Beruf mehr als nur ein bloßer Arbeitsplatz zum Geldverdienen dar. Die Herausforderung zum Abbau von Kohle, ist noch immer technisch Anspruchsvoll und die Fördertechnik entsprechend ehrfurchterregend. Nicht wenige sind Stolz darauf, beim Kohleabbau mitzuwirken und damit dafür mit zu sorgen, dass die Stromversorgung sicher bleibt.
„Das immense Bagger-Schaufelrad räumt im Lausitzer Braunkohlerevier Sand und Erde beiseite – in der Fachsprache heißt dieser Gruben-Bereich Vorschnitt. Die Arbeiter wollen auf das stoßen, was der Region seit mehr als 150 Jahren Arbeitsplätze und Auskommen bringt – Braunkohle. Gaebel arbeitet auf dem Bagger an einer Verladestelle, wo die weggeschaufelte Erde auf ein Förderband fällt. Er fühlt sich wohl, seinen Job mag er. „Ich kann draußen arbeiten, und der Zusammenhalt hier ist sehr groß“, sagt der sportliche Mann. Wenn er an der Tagebaukante in die Weite der gigantischen Grube mit ihren Sandhügeln blickt, kommt er ins Schwärmen. „Ich habe Hochachtung vor der technischen Leistung.“ Die kleine Stadt Welzow mit rund 3500 Einwohnern, in der Gaebel seit Kindheitstagen lebt, liegt in direkter Nachbarschaft. „Stadt am Tagebau“ ist auf Schildern an den Ortseingängen zu lesen. Ein Besucher-Zentrum informiert über die Kohle, Touristen können Touren in das Revier buchen. Viele Einwohner arbeiten „in der Kohle“, wie sie es selbst bezeichnen. Sie sind stolz auf ihren Beruf. Die Braunkohle gehört zu ihrer Identität. Die Industriejobs sind gut bezahlt. Kommt man mit Welzowern ins Gespräch, kann gefühlt beinahe jeder in seiner Familie jemanden aufzählen, der in der Braunkohlenindustrie beschäftigt ist oder es einst war. So geht es vielen kleinen Orten und Städten in der Lausitz, die im zweitgrößten Braunkohlerevier Deutschlands liegen. „Wir sind besonders von der Braunkohle geprägt“, sagt Welzows Bürgermeisterin Birgit Zuchold. Vom stärksten Industriezweig in der sonst strukturschwachen ostdeutschen Gegend leben nicht nur die Kohlekumpel. Auch Handwerksbetriebe und Dienstleister seien auf die Aufträge des Tagebaubetreibers angewiesen, zum Beispiel der Erd- und Rohrleitungsbau, Maler-, Heizungs- sowie Sanitärfirmen und viele Unternehmen mehr, ergänzt Zuchold. Selbst Bäcker und Gastronomie mit Mittagstisch haben dadurch Kundschaft. “
„Feierabend in Commerau: Wenn Uwe Katscher von der Früh- oder Nachtschicht kommt, springt er mit Hündin Keira meist sofort auf sein Quad, um sein Jagdrevier zu begehen und die Tiere zu füttern. Heimat, Hobbies und Familie mit einem gesicherten Einkommen kombinieren zu können, ist ein Segen, sagt er. Das „andere“ Revier ist bei den Katschers, die inzwischen in dritter Generation in Commerau leben, ein familiärer Fixpunkt: Uwes Bruder, sein Neffe und seine Nichte arbeiten ebenfalls in der “Kohle“. „Mit den sicheren Tarifgehältern können die für diesen Landstrich typischen Dreiseitenhöfe mit den angeschlossenen kleinen Landwirtschaften erhalten bleiben,“ erklärt Uwe, der neben Job und Flinte auch im Gemeinderat aktiv ist. Uwe arbeitet als Betriebsschlosser bei Knauf. Die Firma produziert am Standort Schwarze Pumpe mit rund 80 Mitarbeitern Gipskartonplatten für den Bau und den Einzelhandel. „Ein ehrliches Produkt, ein guter Job“, sagt er. Knauf und das benachbarte Kraftwerk Schwarze Pumpe sind quasi betriebswirtschaftliche Zwillinge: Der Gips fällt in der Energieanlage als Nebenprodukt bei der Rauchgasreinigung an und wird bei Knauf direkt weiterverarbeitet. Der Betrieb war für Uwe und viele seiner heutigen Kollegen der Rettungsanker in der schwierigen Nachwendezeit. Nachdem der gelernte Schlosser mehr als 14 Jahre im Braunkohlekombinat gearbeitet hatte, kostete ihn der Strukturbruch in den 90ern seinen Job: „Wir waren im besten Alter, gut ausgebildet, aber eben ohne jede berufliche Perspektive “, blickt er zurück. Durch die Ansiedlung der Gipsfabrik neben dem Neubaukraftwerk Schwarze Pumpe konnten Uwe und seine Kollegen beruflich neustarten. „Bei einem heutigen Bruch im Revier sähe es deutlich schlechter für uns aus“ , schätzt der mittlerweile 54-Jährige ein. Für ein Revier mit Zukunft: Glückauf und Waidmannsheil!“