Mission im Dunkeln: Die dubiosen Quellen der vermeintlich großen Enthüllungen

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Immer mal wieder kommen große Enthüllen an die Öffentlichkeit. Bei näherer Betrachtung enthalten einige davon viel Datenmaterial, bringen aber kaum neue Erkenntnisse ans Tageslicht. Eine zentrale Frage die sich bei vielen Fällen stellt: Wie schafft es der Datenbeschaffer anonym zu bleiben?

>>Panama Papers: Die Geschichte einer weltweiten Enthüllung von Bastian Obermayer & Frederik Obermaier (Buch) <<

„»John Doe« ist so etwas wie die englische Entsprechung von Max Mustermann und wird in Großbritannien seit Jahrhunderten verwendet, auch in Kanada und den USA. In Gerichtsprozessen etwa werden Personen, deren wahre Identität nicht enthüllt werden darf, »John Doe« genannt. Oder unbekannte Tote, die irgendwo aufgefunden werden. Inzwischen gibt es aber längst auch Bands, Fernsehserien und Produkte, die »John Doe« heißen. John Doe ist also eine Tarnidentität, ein Irgendwer. Ein Irgendwer, der offenbar geheime Daten anbietet. Mit einem solchen Angebot macht man jeden Investigativjournalisten hellwach, und zwar auf der Stelle. Geheime Daten sind immer gut. Wir haben bei der Süddeutschen Zeitung in den vergangenen drei Jahren eine Menge Geschichten gemacht, die auf zugespielten – oder wie man auch sagt: geleakten – Daten basiert haben: mal ging es um Steuergeheimnisse in der Karibik (Offshore-Leaks), mal um geheime Schweizer Konten (Swiss-Leaks), ein andermal um Luxemburgs Steuertricks (Lux-Leaks). Das System ist immer das gleiche: Irgendwo fließt eine größere Menge geheimer Daten ab – und landet in den Händen von Journalisten. Bei größeren Mengen geheimer Daten ist rein statistisch die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass gute Geschichten darin stecken. … Im Laufe der Recherchen sind wir und unsere Prometheus-Kollegen immer wieder auf seltsame Firmen gestoßen, die zum Kosmos Mossfon zu gehören scheinen. Der Nachweis ist nur nicht ganz so einfach, weil die Aktien meist nicht von Mossack Fonseca oder den Partnern der Kanzlei gehalten werden, sondern von Mossfon-Holdings – die aber nicht auf den ersten Blick als Mossfon-Holdings zu erkennen sind. Es ist kompliziert. Mossack Fonseca verschleiert nach außen nicht nur die Besitzverhältnisse ihrer Kunden, sondern auch ihre eigenen. Das hat objektiv den Vorteil, dass Mossfon sich, wenn es bei einer ihrer Firmen rechtliche Probleme gibt, bequem von der Tochterfirma distanzieren könnte. Im Vice-Magazin beschreibt Jack Blum, ein ehemaliger Ermittler des US-Senats, diese Taktik, die nicht nur Mossfon anwendet, sondern auch andere Firmen: Der Trick sei, dass es »nahtlos und vertikal eng verknüpfte Organisationen« seien – »bis zu dem Punkt, an dem ein Ermittler oder Polizist aufkreuzt, dann lösen sie sich urplötzlich in eine Reihe separater Einheiten auf, und jeder behauptet felsenfest, nicht zu wissen, was irgendjemand sonst innerhalb des Systems tut. Es ist wie ein zusammengebasteltes Puzzle, das urplötzlich auseinanderfällt, wenn jemand zu ermitteln beginnt.« Allerdings verwaltet Mossfon alle eigenen Firmen selbst – und wir haben auch diese Unterlagen.“

 

>>n-tv<<

„Die von einem internationalen Netzwerk von Journalisten ausgewerteten Daten zu Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen setzen Politiker, Prominente und Firmen unter Druck. Die sogenannten „Paradise Papers“ wurden vom Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) ausgewertet, dem unter anderen die „Süddeutsche Zeitung“ angehört. Die 380 beteiligten Journalisten stießen bei der Auswertung von 13,4 Millionen Dokumenten auf die Namen von mehr als 120 Politikern aus fast 50 Ländern.“

 

>>Lausitzer Rundschau<<

„Am Freitag hat die Polizei Brandenburg via Facebook und Twitter mitgeteilt, dass ein „Tatverdächtiger zum Geheimnisverrat“ ermittelt werden konnte. Für die Aufklärung des Falls wurde laut Polizei eigens in der Polizeidirektion Süd eine Ermittlungsgruppe gebildet. Bei Facebook war am Mittwoch kurz nach dem Messer-Angriff eines jungen Syrers auf einen 16-jährigen Deutschen ein Foto von einem offenbar abfotografierten Computer-Monitor aufgetaucht.“

Auf der einen Seite sollen die Daten von einen abfotografierten Computer-Monitor ausreichen, um einen Informanten zu enttarnen. Und auf der anderen Seite sollen – sage und schreibeelf Millionen Dokumente keine einzige Spur zum Urheber ermöglichen. Nun der erste Fall klingt durchaus plausibel: Der Personenkreis, welcher Zugang zu diesen Daten hat, ist grundsätzlich immer eingeschränkt und durch den abphotographierten Bildschirm lässt sich ziemlich genau der Zeitpunkt und Ort des Geschehens ermitteln, womit die Person mitunter einwandfrei identifizierbar wird. Auch die Causa >>Manning<< mit den übermittelten Militärdokumenten fällt in dieses Raster. Aber all dies gilt beispielsweise nicht für „John Doe“ von den Panama-Papers, dessen Identität bis heute unbekannt ist. Ein Mann der scheinbar über Wasser laufen kann.

>>John Doe<<

„Um eines klarzustellen: Ich arbeite nicht für irgendeine Regierung oder irgendeinen Geheimdienst, und habe dies auch nie getan, weder als direkter Angestellter noch im Auftrag. Ich vertrete hier allein und einzig meine Meinung, genauso wie es allein meine Entscheidung war, die Dokumente der Süddeutschen Zeitung und damit dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) zuzuspielen.“

 

>>Focus<<

„Im Kampf gegen Geldwäsche und Steuerbetrug hat das Bundeskriminalamt (BKA) die im vergangenen Jahr veröffentlichen „Panama Papers“ gekauft. Nach Angaben aus Berliner Regierungskreisen vom Dienstag wurden für den riesigen Datensatz mit Informationen über dubiose Geschäfte mit Briefkastenfirmen fünf Millionen Euro an eine „Quelle“ gezahlt.“

An der Erklärung von „John Doe“ sind Zweifel angebracht: Schon seine Verlautbarung ließt sich wie das Geheimdienst-Standardprozedere, wie in solchen Fällen vorzugehen ist. Nein, ich arbeite für keinen Geheimdienst, das ist nur meine Meinung und so weiter. Seltsam, der US-Gefreite Manning musste sich mit solchen Vorwürfen nie herumschlagen, auch wenn er weitaus größere Probleme hatte. Obwohl alles auf Geheimdienstaktivität hindeutet, bekommt dieser nochmal fünf Millionen Euro – bezahlt von deutschen Steuerzahler – geschenkt.