Sanktionsquoten statt Arbeitsplätze? – Wie der wirtschaftliche Niedergang bürokratisch verwaltet wird

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Eine effiziente Verwaltung und moderne, schlanke Regulierung sind wichtige Voraussetzungen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken und damit Wachstum und Beschäftigung in Deutschland zu erhöhen.“ – Die hochgesteckten Ziele des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wollen nicht so richtig überzeugen, da seit Jahrzehnten das exakte Gegenteil zu beobachten sei. Wirtschaftsverbände haben diese Entwicklung schon seit langer Zeit – ohne wirklichen Erfolg – kritisiert.

„Wirtschaftswunder-Erzählungen“ versus reale wirtschaftliche Kennzahlen

Allgemein ziehen sich Ministerien gerne auf diverse wirtschaftliche Kennzahlen wie die geringe Arbeitslosigkeit und die üblichen „Wirtschaftswunder-Erzählungen“ zurück. Doch ein genauerer Blick auf die Zahlen kann das exakte Gegenteil belegen: Die Reallöhne gehen schon seit Jahrzehnten zurück und das Arbeitsvolumen hat nicht zugenommen, sondern ist sogar gesunken. Im Hintergrund hat man sich auf diese Rezession eingerichtet. Statt Aufwärts geht es mindestens seit dem Jahr 1990 kontinuierlich abwärts.

Stand im Jahr 2010: „Reallöhne sind seit 1990 um bis zu 50 Prozent gesunken“

>>Spiegel<<

„Reallöhne sind seit 1990 um bis zu 50 Prozent gesunken – Ein großer Teil der Beschäftigten verfügt heute über eine geringere Kaufkraft als vor 20 Jahren. Das geht aus einer Untersuchung der Gehälter in den 100 häufigsten Berufen hervor. Die Einbußen im Vergleich zu 1990 liegen bei bis zu 50 Prozent.“

„Beschäftigten verfügt heute über eine geringere Kaufkraft“

Diese Ausgangslage spiegelt das Jahr 2010 wider. Seit dieser Zeit ist es kaum besser geworden. Ganz im Gegenteil: Die Reallöhne sind weiter stagniert. Aber damit längst nicht genug: Sogar die nackten Löhne – ohne Inflationsberücksichtigung – sind im Sinkflug begriffen.

„In den letzten Jahrzehnten sind in vielen Bereichen die Löhne stagniert“

>>Haufe<<

„In den letzten Jahrzehnten sind in vielen Bereichen die Löhne stagniert. Noch stärker als früher, hat das dafür gesorgt, dass sie Gehälter älterer Mitarbeiter die der jüngeren deutlich übersteigen. Diese Situation verschärft sich durch die verstärkten Bemühungen um Personalkostenabbau und Verjüngung der Belegschaft.“

„Verstärkten Bemühungen um Personalkostenabbau und Verjüngung der Belegschaft“ 

Durch eine „Verjüngung der Belegschaft“ werden zeitgleich häufig die Löhne gesenkt. Außerdem gesellt sich zu den „gewöhnlichen Mitarbeitern“ noch eine bunte Schar an Leiharbeitern und Mitarbeiter auf Basis von Werkverträgen hinzu. Solche wirtschaftlichen Entwicklungen wollen natürlich nicht so recht zum Mantra des Wirtschaftswunderlandes passen.

„In Deutschland stagnieren oder sinken die Reallöhne seit Jahren“

>>Der Crash ist die Lösung von Matthias Weik & Marc Friedrich (Buch) <<

„Im Klartext: In Deutschland stagnieren oder sinken die Reallöhne seit Jahren. Das »Hochlohnland« Deutschland ist nur noch eine schöne Mär, ein abgeschlossenes Kapitel der Wirtschaftswunder-Historie. Im Vergleich zu ihrer Wirtschaftskraft ist die Bundesrepublik heute zum Niedriglohnland verkommen.“

„Das »Hochlohnland« Deutschland ist nur noch eine schöne Mär“

Die allermeisten Niedriglohnländer bringen es auf einem gemeinsamen Nennen zusammen: Die Wirtschaft liegt brach und es gibt nur noch wenige Unternehmen, die überhaupt noch Arbeitsplätze anbieten können. Aber hierzulande soll ja alles anders und zudem viel „besser“ sein. Deshalb wird großen Wert auf die Arbeitslosenquote gelegt: Aber bei diesem Zahlenwerk findet eine „Bereinigung“ nach unten statt und zugleich sagen diese Zahlen recht wenig aus. Die Arbeitslosenquote gibt weder über unfreiwillige Unterbeschäftigung, noch über die Löhne irgendeine Auskunft preis. Dabei würde gerade die Anzahl der abgeleisteten Arbeitsstunden und somit das Volumen an Arbeit eine wichtige Kenngröße darstellen.

Geleistete Arbeitsstunden: „Insgesamt aber arbeiteten die Deutschen weniger als noch im Jahr 1991“

>>Zeit<<

„Bei der Vorstellung des Reports, einer Sammlung von Studien verschiedener Forschungsstellen, erklärte Roderich Egeler, der Präsident des Statistischen Bundesamts: „Das sogenannte deutsche ‚Jobwunder‘ relativiert sich jedoch, wenn man nicht nur die Personen betrachtet, sondern die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden und damit das Arbeitsvolumen.“ Zwar seien heute mehr Menschen erwerbstätig als je zuvor. Insgesamt aber arbeiteten die Deutschen weniger als noch im Jahr 1991. Unterm Strich werde heute nicht mehr gearbeitet, sondern weniger.“

„Unterm Strich werde heute nicht mehr gearbeitet, sondern weniger“

Das viel gepriesene „Jobwunder“ geht also hauptsächlich nur auf die Umverteilung von geleisteten Arbeitsstunden zurück. Vereinfacht: Zwei Teilzeitbeschäftigte haben einen Vollzeit-Arbeitsplatz ersetzt und somit die Arbeitslosenstatistik nach unten korrigiert. Ausgenommen von der reinen Exportindustrie fällt diese negative Entwicklung auch auf viele Unternehmen indirekt zurück: Sinkende Einkommen setzen sich im schwindenden Konsumverhalten fort und somit gehen auch deren Umsätze zurück, was wiederum zum Sinken des Arbeitsvolumens führt: Diese wirtschaftliche Negativspirale ist als Deflation bekannt. Der Automobilhersteller Henry Ford hat es auf eine einfache Formel gebracht: „Autos kaufen keine Autos.

Deflation: Und die wirtschaftliche Negativspirale dreht sich immer weiter

Nach offizieller Lesart will die Bundesregierung die Arbeitslosigkeit bekämpfen: Doch bei genauerer Betrachtung kommt ein ganz anderes Bild heraus.

Sanktionsquoten statt Arbeitsplätze?

>>Deutscher Bundestag (PDF-Datei) <<

„Werden durch die Bundesagentur für Arbeit (wie durch diverse Betroffenenvereinigungen auf Grund von Aussagen von Jobcentermitarbeitern seit längerem gemutmaßt wird, … den Jobcentern gegenüber in irgendeiner Art Vorgaben zur sogenannten Sanktionsquote gemacht, d. h. pauschale Richtwerte bezüglich einer Sanktionsprozentzahl vorgegeben?

Antwort der Bundesregierung (Anmerkung  der Redaktion):

Von der Bundesagentur für Arbeit werden keine Zielvorgaben für eine sogenannte Sanktionsquote gemacht.“

Wie der wirtschaftliche Niedergang bürokratisch verwaltet wird

Speziell bei dieser Antwort drängt sich die Frage auf: Ob die Aussage schlicht nur dreist Gelogen sei? – Immerhin stehen nicht nur irgendwelche Vorwürfe im Raum, sondern der interne E-Mail-Verkehr hat hierzu eine unmissverständliche Aussagen gemacht. Da es kaum echte Arbeitsplätze zu verteilen gibt, sind die allermeisten Sanktionen wegen Meldeversäumnissen oder umstrittener Bildungsmaßnahmen ausgesprochen worden. Auch die hohe Anzahl der ausgesprochenen Sanktionen und deren unmittelbarer Vollzug – ohne aufschiebende Wirkung – deuten aber in eine ganz andere Richtung hin. Der Staat zieht sich aus seiner sozialen Verantwortung schrittweise zurück und hat selbst dem Glauben an einem wirtschaftlichen Aufschwung verloren.