Lausitzer Geschische – Sorben: Warum der Wendenkreuzzug bis heute ein Tabuthema geblieben ist

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Der Wendenkreuzzug richtete sich vorwiegend gegen slawische Stämme: Die leidtragenden waren in erster Linie die Sorben. Bis heute stellt der Wendenkreuzzug ein Politikum da. Kaum ein moderner Historiker traut sich an das Thema heran. Denn der Kreuzzug gegen die Wenden beschränkt sich keinesfalls auf einen mittelalterlichen Kriegszug der nur – ein paar Monate – dauerte, sondern erstreckt sich auf über Tausend Jahre und reicht bis in die Gegenwart hinein.

„Seit Karl dem Großen bemühte sich der deutsche Feudalstaat – Die slawischen Gebiete tributpflichtig zu machen“

>>Gemeinde Schlepzig<<

„Den sorbischen/wendischen Stämmen – erstmals urkundlich im Jahre 631 als Surbi erwähnt – gehörte das Land bis an die Saale; in Streusiedlungen gelangten sie bis an Werra und Main. … Seit Karl dem Großen bemühte sich der deutsche Feudalstaat, die slawischen Gebiete tributpflichtig zu machen. Zur Abwehr der unter dem Vorwand der Christianisierung vorgetragenen Wendenkreuzzüge bauten die Slawen eine Vielzahl von Burgwällen.“

„Vorwand der Christianisierung vorgetragenen Wendenkreuzzüge“

Möglicherweise lässt sich die Geschichte der Ostexpansion noch weiter zurückdatieren. Schon das Römische Reich strebte vom heutigen Frankreich aus: In Richtung Osten. Durch die Varusschlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9. Jahr nach Christus kam diese Expansion „vorerst“ zum Erliegen: Infolge der vernichtenden militärischen Niederlage wurden die expansiven Plänen auf Eis gelegt.

Mit Varusschlacht im Teutoburger Wald kam die Expansion zum Erliegen

>>Als die römischen Adler sanken: Arminius, Marbod und die Legionen des Varus von Walter Böckmann (Buch) <<

„Da immer wieder Germanen, allen voran Sugambrer mit Usipetern und Tenkterern, aber auch Chatten und Marsen (Marser) den Rhein plündernd überschritten und die Rheingrenze sich längst als nicht so sicher erwiesen hatte wie erhofft, wurde ein offenbar schon alter Plan wieder aufgenommen und man begann im Jahr 12 v. Chr. die Unterwerfung des bisher freien Germaniens zwischen Rhein und Elbe, der Germania Magna.“

„Die Unterwerfung des bisher freien Germaniens zwischen Rhein und Elbe – Der Germania Magna“

Bis auf einige kleine römische Provinzen sollte das Projekt „Germania Magna“ für die Römer ein unerfüllter Traum bleiben. Allerdings standen vermutlich – für die Römer – die nördlichen Provinzen ohnehin nicht allzu hoch im Kurs. Die Römer kamen aus dem Mittelmeerraum und waren daher ein anderes Klima gewöhnt. Zudem gab es in diesem Gebiet auch nicht allzu viel lohnenswertes zu erobern. Denn die Eroberungskriege von Rom waren zugleich auch immer Plünderungszüge.

Wie der slawische Osten erobert wurde

Hingegen viel mehr militärisches Arrangement wurde dem Osten des Römischen Reiches zuteil. Die Römisch-Persische Kriege stellen eine lange Abfolge von militärischen Eroberungszügen da und erstrecken sich über viele Jahrhunderte. Vereinfacht: Es gehörte zum gutem Ton – fast jeden römischen Herrscher – ein Krieg mit dem Perserreich anzufangen. Kurzum: Zu Zeit der Römischen Herrschaft lag der Schwerpunkt überwiegend im Kleinasien.

Drang nach Osten: Seit dem Fränkischen Reich

Erst nach dem Untergang des Weströmischen Reiches und der Etablierung des Fränkischen Reiches wurde die Eroberungszüge – überwiegend vom heutigen Frankreich und Westdeutschland aus – wieder aufgenommen. Auch das spätere Heilige Römische Reich setzte jene „Tradition“ ungehindert fort. Beide Reiche verstanden sich selbst als unmittelbarer Nachfolger des zuvor untergegangen Weströmischen Reiches. Diese Sichtweise muss zwar niemand teilen, doch deren militärischen Eroberungszüge wohnt sehr wohl ein „Römischer Charakter“ inne.

„Karl der Große oder Otto I. wenwendische Territorien erobern“

>>PM History (Heft) <<

„Der Wendenkreuzzug, der noch im Sommer aufbricht, ist eine in der Forschung höchst umstrittene Unternehmung. Sie dauert gerade einmal drei Monate und gilt schon den damaligen Chronisten als Fehlschlag, wenn nicht sogar als Rückschritt für die christliche Sache. Denn nicht alle Slawen sind Heiden, manche bekennen sich längst zum Christentum. Schon seit Jahrhunderten gibt es die sogenannte Slawenmission, bei der Herrscher wie Karl der Große oder Otto I. wenwendische Territorien erobern. Sie unterwerfen die dort lebenden Stämme, machen sie christlichen Glauben auf.“

„Unterwerfen die dort lebenden Stämme“

Zwar mag es formal nur ein Wendenkreuzzug gegeben haben, aber in jener Epoche gab es eine ganze Reihe von ähnlichen militärischen Unternehmungen. Denn die Deutsche Ostexpansion erstreckte sich über viele Jahrhunderte des Mittelalters und vielleicht sogar darüber hinaus, je nach Art der Definition. Aber selbst nach der militärischen Eroberung und der Unterwerfung vieler slawischer Stämme, ging trotzdem die antislawische Politik ungehindert weiter.

„Bis zum Ende des 12. Jh. war das Wendentum großenteils ausgelöscht“

>>Mittelalter-Lexikon<<

„Bis zum Ende des 12. Jh. war das Wendentum großenteils ausgelöscht oder in der deutschen Bevölkerung aufgegangen. Auch in den Städten der kolonisierten Gebiete wurde aktive antislawische Politik betrieben, wurde die sorbische Sprache fallweise unter Strafandrohung verboten, so 1293 in Anhalt, 1327 in Leipzig, Altenburg und Zwickau, 1424 in Meißen und Dresden. Hierdurch wurde sozialer Aufstieg mit der Aufgabe der slawische Muttersprache verbunden, wurde die Assimilierung der slawischen Einwohner beschleunigt. Einzig in den unzugänglichen Wäldern um die obere und mittlere Spree erhielten sich abgeschlossene Gruppen der sorbischen Sprachfamilie ihre ethnische und kulturelle Identität.“

„Auch in den Städten der kolonisierten Gebiete wurde aktive antislawische Politik betrieben“

Noch Ende des 19. Jahrhunderts erstreckte sich das Sorbische Siedlungsgebietvereinfacht – vom Rande Berlins bis zur heutigen Grenze Tschechiens. Der deutsche „Drang nach Osten“ beschränkte sich eben nicht nur auf das Mittelalter, sondern reicht weit bis in die vermeintlich aufgeklärte Neuzeit hinein.

Drang nach Osten: Wie Adolf Hitler seinem Angriffskrieg gegen die Sowjetunion rechtfertigte

Hierzu sind noch aus dem 1950er Jahren einige denkwürdige Zitate erhalten geblieben. Der Historiker Walther Hofer schrieb infolge der Niederlage des Zweiten Weltkrieges: „Eine vielhundertjährige geschichtliche Entwicklung, nämlich die deutsche Kolonisation im Osten, rückgängig gemacht (worden)“ , lediglich zwölf Jahre Herrschaft von Adolf Hitler hätten genügt um „die geschichtliche Arbeit von tausend Jahren zu verschleudern“ : Denn Adolf Hitler hatte bei seinem Angriff auf die Sowjetunion ausdrücklich auf den historisch deutschen „Drang nach OstenBezug genommen.

Niederlage im Jahre 1945: „Die geschichtliche Arbeit von tausend Jahren zu verschleudern“

Allerdings stand Adolf Hitler mit seiner „Ansicht“ offenbar nicht alleine da: Zugleich galt der Historiker Walther Hofer keinesfalls als irgendwie verschoben, sondern er war ein typischer Vertreter seiner Zeit. Daher ist der Wendenkreuzzug bis unsere Tage ein Politikum geblieben: Kaum ein etablierter Historiker traut sich an dieses „heiße Eisen“ heran.