“Markgrafen Gero im 10. Jahrhundert, der rund dreißig slawische Fürsten zu einem solchen Mahl einlädt und sie dann doch hinterhältig umbringen lässt”

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Markgraf Gero als ein Symbol der Friedenspolitik? Markgraf Gero und die Westslawen haben gewiss eine eigene Geschichte, aber ist es wirklich als “Symbol der Friedenspolitik” tauglich?

Markgraf Gero als ein Symbol der Friedenspolitik?

Ursprünglich ließ er ein Gastmahl als Symbol für Frieden und Freundschaft ausrichten. Im Jahr 965 nahm Markgraf Gero an einem Gastmahl teil, das von den Wenden-Slawen organisiert worden war. Das Ziel war es, sich gegenseitig kennenzulernen und einen Weg zu finden, um zusammenzuarbeiten und in Frieden miteinander zu leben. Allerdings hat dieses Gastmahl ein ganz anderes – tödliches – Ende gefunden. Lange Zeit wurde diese Episode der Geschichte völlig verklärt dargestellt.

Verklärte Geschichte: “Verbundenheit mit dem Jenseits” oder Verbundenheit mit dem Diesseits

>>Deutsche Geschichte (3 Bände) von Ricarda Huch (Buch) <<

“Die Verbundenheit mit dem Jenseits bewog so viele Adlige, die diesseitige Welt, nachdem sie ihre Freuden erprobt hatten, plötzlich mit einer heroischen Gebärde von sich zu stoßen, zuweilen jung, vor der Hochzeit, trotz des Flehens der Eltern, zuweilen auf der Höhe des Ansehens und der Erfolge. Gero, der berühmte Markgraf Ottos des Großen, der einen Teil des slawischen Landes zwischen Elbe und Oder eroberte, von dem das Volkslied sang, daß er dreißig slawische Große ermordet habe, endete sein Leben im Kloster.”

“Gero, der berühmte Markgraf Ottos des Großen, der einen Teil des slawischen Landes zwischen Elbe und Oder eroberte”

Dieses Bände wurden ungefähr Mitte des 20. Jahrhunderts verfasst und die Geschichtsschreibung der NS-Zeit sind mit hoher Wahrscheinlichkeit noch spürbar. Sicherlich hat die damaligen Adeligen nicht die “Verbundenheit mit dem Jenseits” , sondern wohl eher die Verbundenheit mit dem Diesseits zum Feldzug bewogen. Für gewöhnlich hat es sich entweder um verarmten Adel oder um Zweitgeborene – ohne nennenswerte Erbschaft – gehandelt.

“Wendenkreuzzug” – “Denn nicht alle Slawen sind Heiden, manche bekennen sich längst zum Christentum”

>>P.M. HISTORY (Heft) <<

“Der Wendenkreuzzug, der noch im Sommer aufbricht, ist eine in der Forschung höchst umstrittene Unternehmmung. Sie dauert gerade einmal drei Monate und gilt schon den damaligen Chronisten als Fehlschlag, wenn nicht sogar als Rückschritt für die christliche Sache. Denn nicht alle Slawen sind Heiden, manche bekennen sich längst zum Christentum. Schon seit Jahrhunderten gibt es die sogenannte Slawenmission, bei der Herrscher wie Territorien erobern. Sie unterwerfen die dort lebenden Stämme, machen sie christlichen Glauben auf. … Das eigentliche Ziel der Fürsten ist nicht die Seelenrettung, sondern die Eroberung neuer Territorien und die Ausweitung ihrer Macht. Noch bevor die Mission beginnt, teilen sie die erhoffte Beute unter sich auf.”

“Das eigentliche Ziel der Fürsten” – “Eroberung neuer Territorien und die Ausweitung ihrer Macht”

>>Die kürzeste Geschichte Deutschlands von James Hawes (Buch) <<

“Doch die längeren Vegetationsperioden ließen auch diese Gegend als potentielles neues Ackerland verlockend erscheinen. Deutsche Fürsten hatten bereits begonnen, sich ihren Teil des Kuchens zu sichern. Im Jahr 1147 verkündeten der Papst und sein Vertrauter und Berater Bernhard von Clairvaux (der Heilige Bernhard) offiziell den Wendenkreuzzug.  … Doch der Plan ging nicht auf. Die Heiden wehrten sich so heftig, dass die deutschen Kreuzritter anfingen, die oberflächlichsten Zeichen der Bekehrung, etwa auf den Zinnen belagerter Burgen hastig aufgestellte Kreuze, anzuerkennen. Die Beobachter des Papstes schickten erzürnte Berichte nach Rom, wonach die deutschen Fürsten lediglich ihre eigene feudale Agenda von Eroberung und Tribut verfolgten  … . Weit entfernt von dem harten Streich, den Bernhard sich vorgestellt hatte, zerfaserte die Eroberung Ostelbiens in eine Abfolge von Ad-hoc-Abmachungen mit lokalen Anführern. Der unvollständige deutsche Sieg jenseits der Elbe sollte tiefgreifende Wirkungen auf die Zukunft der Region haben. Obwohl sich viele landhungrige Deutsche in Ostelbien ansiedelten, konnte die alte slawische Bevölkerung ihre Sprache und Kultur in Nischen erhalten. Ihre Anwesenheit erinnerte die Bevölkerung über Generationen daran, dass dies ein Kolonialgebiet war, das man mit Gewalt Menschen geraubt hatte, die weiterhin auf diesem Gebiet siedelten und eines Tages zurückschlagen könnten. Bis heute leben Nachfahren der Wenden, die Sorben, nordöstlich von Dresden.”

Ostelbien: “Die deutschen Fürsten lediglich ihre eigene feudale Agenda von Eroberung und Tribut verfolgten”

Da der erhofft allumfassende Sieg zunächst ausbliebt, wurden Friedensgespräche aufgenommen. Zu jener Zeit war das in Form eines Gastmahls üblich. Bei dem Gastmahl sollten sowohl die religiösen Differenzen als auch die politischen Interessengegensätze diskutiert werden. Nach dem Treffen war vermutlich eine Vereinbarung vorgesehen, in der beide Parteien sich dazu verpflichteten, nicht mehr miteinander in Fehde oder Krieg zu leben. Doch es sollte anders kommen.

“Markgrafen Gero im 10. Jahrhundert, der rund dreißig slawische Fürsten zu einem solchen Mahl einlädt und sie dann doch hinterhältig umbringen lässt”

>>Ein Jahr im Mittelalter von Tillmann Bendikowski  (Buch) <<

“Schon lange bekannt ist beispielsweise das friedenstiftende Mahl, mit dem die Kontrahenten feierlich einen oft langen und blutigen Konflikt beenden. Wenn alles gut geht. Leider sind aber immer auch Fälle bekannt, in denen genau dieses Instrument der Schlichtung schändlich missbraucht wird. Legendär ist das Vorgehen des Markgrafen Gero im 10. Jahrhundert, der rund dreißig slawische Fürsten zu einem solchen Mahl einlädt und sie dann doch hinterhältig umbringen lässt.”

Gero: „Begründer der deutschen Herrschaft in den Slawenländern östlich der Elbe“

>>Stadtwiki Dresden<<

„König Otto I. betraute Gero 937 in der Nachfolge des verstorbenen Bruders mit der Grenzwacht gegen die Slawen. Das von ihm beherrschte Gebiet umfasste große Teile der heutigen Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg zzgl. Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Gero verband ungewöhnliches kriegerisches Talent mit hoher Einsicht und Tatkraft und wurde der eigentliche Begründer der deutschen Herrschaft in den Slawenländern östlich der Elbe. Dabei ging er häufig brutal vor. 939 ließ er 30 sorbische Fürsten ermorden, um deren Aufstände zu beenden. 941 hatte Gero den größten Teil der Gebiete an der mittleren Elbe und unteren Saale unterworfen. Neben Waffengewalt setzte er erfolgreich auf Verrat durch einzelne sorbische Fürsten.“

„939 ließ er 30 sorbische Fürsten ermorden“

Durch dieses Gastmahl gelang es Markgraf Gero, den Anfang der Unterwerfung einzuleiten. Es ist bis heute ein Symbol geblieben. Am bleibt die Frage: Wie soll man mit dieser Geschichte heute umgehen? Eine Antwort darauf könnte ein Projekt liefern.

Sorben und Deutsche: „Ganz natürliches Verhältnis zur Zweisprachigkeit finden“

>>Markus Michauk<<

„So könnten sowohl Sorben als auch Deutsche animiert werden, sich mit der in ihr verarbeiteten gemeinsamen Geschichte, die vor etwa 1000 Jahren Realität war, zu beschäftigen und über diesen Einstieg ein ganz natürliches Verhältnis zur Zweisprachigkeit finden.“

„Vor etwa 1000 Jahren“ – Lausitz: An die gemeinsame Geschichte erinnern

Die Idee rührt ursprünglich vom Ehepaar Judit und Markus Herold her. Eine Wanderroute entlang des Drohmberges soll Touristen und Geschichtsinteressierte an die Lausitzer Sage erinnern.

„Verbundenheit der Bevölkerung an diesem Ort stärken und Geschichte erlebbar machen“

>>Judit Herold<<

„Darüber hinaus möchten wir mit dem Vorhaben die Verbundenheit der Bevölkerung an diesem Ort stärken und Geschichte erlebbar machen. … Aufgrund der Zweisprachigkeit lässt sich das Projekt auch für die Bildungsarbeit nutzen.“

“Aufgrund der Zweisprachigkeit lässt sich das Projekt auch für die Bildungsarbeit nutzen”

Auf jene Weise kann ein besseres historisches Verständnis gefördert werden. Immerhin handelt es sich um ein Ereignis, was bis in die Gegenwart nachwirkt.