“Einlasskontrollen für das Internet” – Von der Vorratsdatenspeicherung zu Daten auf Vorrat als kompromittierendes Material?

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Willy Brandt, seine Liebschaft und die Vorratsdatenspeicherung? Wie soll das alles zusammenpassen? Die Snowden-Enthüllungen haben gezeigt, dass Geheimdienste wie das britische Tempora-Programm und das amerikanische Prism-Programm umfangreiche Überwachungsmöglichkeiten nutzen, um Bürger weltweit auszuspionieren. Eine der Hauptmethoden dieser Überwachung ist die Vorratsdatenspeicherung. Trotzdem sollte man sich die Begrifflichkeit “Vorratsdatenspeicherung” mal etwas näher anschaue. Der Duden hat hierfür eine sehr interessante Definition aufgestellt.

Vorratsdatenspeicherung: Daten auf Vorrat als kompromittierendes Material?

>>Duden<<

“im Hinblick auf eine eventuelle spätere Auswertung erfolgende Speicherung von (die Telekommunikation betreffenden) Daten …”

“Hinblick auf eine eventuelle spätere Auswertung erfolgende Speicherung von (die Telekommunikation betreffenden) Daten”

Normalerweise wird fast immer die Vorratsdatenspeicherung mit irgendwelchen kriminellen Taten in Verbindung gebracht. Doch das Wort selbst sagt etwas ganz anderes aus. Es werden schlicht Daten auf Vorrat gespeichert.

“Aufklärungsraten mit und ohne Vorratsdatenspeicherung nicht erkennbar unterscheiden”

>> Finger weg von unseren Daten!: Wie wir entmündigt und ausgenommen werden von Jan Philipp Albrecht (Buch) <<

“Es wird so getan, als sei das Internet ein Hort der Kriminalität und ein rechtsfreier Raum, was sich nur durch die Vorratsdatenspeicherung ändern ließe. Dabei ist die Aufklärungsquote gerade im Bereich der Internetkriminalität mit 65 Prozent vergleichsweise hoch. Das Bundeskriminalamt musste schon mehrfach eingestehen, dass sich die Aufklärungsraten mit und ohne Vorratsdatenspeicherung nicht erkennbar unterscheiden. Schon bei der Verabschiedung der EU- Richtlinie Anfang 2006 hatte es massive Kritik wegen der mangelnden Belege für die konkrete Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung gegeben.”

“Mangelnden Belege für die konkrete Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung”

Konkrete Belege für die Notwendigkeit für eine Vorratsdatenspeicherung wurden bis heute nicht vorgelegt. Dabei werden sämtliche Kommunikationsdaten, wie Telefonate und E-Mails, gespeichert und könnten später von den Geheimdiensten ausgewertet werden. Diese Praktiken bergen jedoch ein hohes Risiko für Machtmissbrauch. Machtmissbrauch oder Amtsmissbrauch stellt eigentlich ein Straftatbestand dar.

“Polizei” – “Verbotenerweise Personendaten aus den dienstlichen Datenbanken abgefragt haben sollen”

>>Süddeutsche Zeitung<<

“In Sachsen-Anhalt ermittelt die Polizei gegen mehrere Kollegen, die verbotenerweise Personendaten aus den dienstlichen Datenbanken abgefragt haben sollen.”

Zweck der Vorratsdatenspeicherung ist irgendwie selbsterklärend

Schon die vorhandenen Datenbanken werden offenbar für alle nur denkbaren Szenarien zweckentfremdet. Also ist der eigentliche Zweck der Vorratsdatenspeicherung daher irgendwie selbsterklärend. Die “Daten auf Vorrat” hätte man vielleicht in der Vergangenheit einfach nur als Kompromat – sprich kompromittierendes Material – bezeichnet.  Und auch warum sich so viele Behördenvertreter dafür so emsig einsetzen. Wie passt hier nun der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt ins Bild?

Willy Brandt: “Im Dezember 1970 reist er nach Warschau und kniet vor dem Mahnmal für die Toten des Aufstands im Warschauer Ghetto”

>>Die Machtmaschine von Sascha Adamek (Buch) <<

“Wie wirkmächtig intime Details eines Politikers für die politischen Geschicke eines Landes sein können, hat in Deutschland wohl kein Ereignis so eindrucksvoll bewiesen wie die Spionageaffäre um Bundeskanzler Willy Brandt. Der Sozialdemokrat gehört bis heute zu jenen äußerst seltenen politischen Titanen, die Menschen gleichermaßen mit ihrer Vision und ihrem persönlichen Auftritt begeistern konnten. Brandts Vision war die Entspannung zwischen den Großmächten USA und Sowjetunion im Kalten Krieg und ein Ausgleich mit dem zweiten deutschen Staat DDR. Brandt war nicht nur ein guter Redner, sondern auch ein Mensch des Körpers. Dass er mit einer physischen Geste Weltberühmtheit erlangte, ist wohl kein Zufall. Im Dezember 1970 reist er nach Warschau und kniet vor dem Mahnmal für die Toten des Aufstands im Warschauer Ghetto. Er bittet um Vergebung für die Toten der NS-Diktatur und des Zweiten Weltkriegs. Nicht zuletzt wegen dieser großen Geste erhält Brandt später den Friedensnobelpreis. Und die deutschen Wähler bestätigen Brandt und seine Ostpolitik bei der Bundestagswahl 1972 mit einem Rekordergebnis für die SPD von 45,8 Prozent.”

“Wähler bestätigen Brandt und seine Ostpolitik bei der Bundestagswahl 1972 mit einem Rekordergebnis für die SPD von 45,8 Prozent”

Willy Brandt hat schon zu Lebzeiten – im positiven Sinne – als eine Art von Übermensch gegolten. Lange vor der Spionageaffäre wurde bereits versucht ihn wegzubekommen, was sich logischerweise als schwieriges Unterfangen herausstellte. Allerdings wenn Geheimdienste unbegrenzten Zugriff auf alle Kommunikationsdaten haben, können sie diese auch missbrauchen, um politische Gegner zu überwachen oder private Informationen zu sammeln. Klingt weit hergeholt? Nun, es hat auch eine andere Seite von Willy Brandt gegeben.

“Willy Brandt und seine erotischen “Zuführungen” – 1974 erschütterte ein Geheimdossier”

>>Welt<<

“Willy Brandt und seine erotischen “Zuführungen” – 1974 erschütterte ein Geheimdossier die Regierung Brandt. Das Bundeskriminalamt hatte eine Liste mit Damen aufgestellt, die dem Bundeskanzler zu Diensten waren. … Etwa der Eintrag über einen mehrtägigen Hotelaufenthalt des Kanzlers in München. Der Security-Chef habe da einen neuen Mitarbeiter angewiesen: „Wenn ich mal weg bin, und der Chef braucht was, dann gehst du runter in die Halle und nimmst eine von denen, die da rumsitzen. Du fragst nach dem Preis und schickst sie dem Kanzler rauf. Der Referent bezahlt dann alles.“

“Bundeskriminalamt hatte eine Liste mit Damen aufgestellt, die dem Bundeskanzler zu Diensten waren”

Willy Brandt war grundsätzlich dem weiblichen Geschlecht sehr zugeneigt. Selbstverständlich dürfte auch der Geheimdienst – inklusive der restlichen Öffentlichkeit – im Bilde gewesen sein. Sein Privatleben wurde schon damals in aller Öffentlichkeit ausgebreitet, was wohl viele konservative Wähler abschrecken sollte. Vermutlich sind diese Details über die Hintergrundgespräche an die Presse gelangt.

Hintergrundgespräche: “Vertreter des BND mit ausgewählten Journalisten führen”

>>Bundesgerichtshof<<

“Bundesnachrichtendienst muss der Presse Auskunft über Hintergrundgespräche mit Journalisten erteilen – Pressevertreter können auf der Grundlage des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verlangen, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) ihnen bestimmte Informationen über vertrauliche Hintergrundgespräche erteilt, die Vertreter des BND mit ausgewählten Journalisten führen.”

“Bundesnachrichtendienst muss der Presse Auskunft über Hintergrundgespräche mit Journalisten erteilen”

Diese Causa “Willy Brandt” wirft natürlich auch grundsätzliche Fragen auf: Wer will unter solchen Umständen ein öffentliches Amt bekleiden und vielleicht sogar noch kritische Positionen vertreten? Damit wird nicht nur die Privatsphäre der Bürger massiv eingeschränkt, sondern auch die Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaft untergraben. Zu allen Überfluss sind auch andere Formen von Vorratsdatenspeicherung angedacht.

“Einlasskontrollen für das Internet – Um Kinder und Jugendliche vor Pornografie zu schützen”

>>Süddeutsche Zeitung<<

“Einlasskontrollen für das Internet – Um Kinder und Jugendliche vor Pornografie zu schützen, sollen Alterskontrollen ein Teil des digitalen Alltags werden. Jugendschützer knüpfen sich soziale Netzwerke vor.”

“Alterskontrollen ein Teil des digitalen Alltags werden”

Das Bundeskriminalamt hat bei Willy Brandt auch eine “eine Liste mit Damen aufgestellt” und später sind diese Informationen auf wundersamerweise in Presse gelandet. Am Ende können zukünftige Personen des öffentlichen Lebens ihr intimstes Privatleben im öffentlichen Bekanntmachungen nachlesen. Normalerweise müssten schon für die vorhandenen gespeicherten Daten klare und nachvollziebare Regeln für den Zugang geschaffen und richtige Strafen für Amtsmissbrauch verhängt werden.