Verstärkung der soziale Schieflage durch Wehrpflicht: “Zwangsaushebungen aus ärmeren Bevölkerungsschichten rekrutierte”

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Die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Kaum ein anderes Thema scheint noch Umstrittener zu sein. Die Armee versucht ihrerseits sich als großer “Gleichmacher” zu präsentieren. Oder ganz korrekt: “Staatsbürger in Uniform

Welches öffentliche Bild von der Bundeswehr herrscht wirklich in der Bevölkerung vor?

Innerhalb der Bevölkerung herrscht hingegen ein anderes Bild vor. Außerhalb der Kaserne kann ein Soldat schon mal angepöbelt oder gar beleidigt werden. Auch ansonsten bleibt wenig von versprochenen Prestige übrig. Insbesondere durch die Wehrpflicht nimmt die soziale Schieflage zusätzlich noch zu und es ist kein neues Problem. In Zeiten der Wehrpflicht kann weder ein Schulabschluss, noch eine Lehre oder ein Studium absolviert werden. Seit Aussetzen der Wehrpflicht ist daher der Ansturm durch freiwillige Rekruten auf die Kasernen ausgeblieben.

Bundeswehr ohne Wehrpflicht: “Seither muss sie sich als Arbeitgeber auf dem Markt durchsetzen”

>>Welche Zukunft wollen wir? von Walter Kohl (Buch) <<

“Die Entscheidung zur Aussetzung der Wehrpflicht zum Juli 2011 bescherte der Bundeswehr eine neue Herausforderung. Seither muss sie sich als Arbeitgeber auf dem Markt durchsetzen und steht in einem Wettbewerb, den sie aufgrund von Bezahlung, Ausrüstung und Sozialprestige in ihrer jetzigen Form schwerlich gewinnen kann.”

“Sozialprestige in ihrer jetzigen Form schwerlich gewinnen kann”

Die Schlussfolgerung ist eigentlich als nüchternes Résumé gedacht, aber es hört sich wie eine Bankrotterklärung an. Trotzdem ist die Bundeswehr keine isolierte Institution, sondern sie ist in ein Gesamtgefüge des Staates eingebettet. Die geringe Bereitschaft sich freiwillig zur Bundeswehr zu melden, sagt eben viel über den dazugehörigen Staat aus. Schon Montesquieu hat sich über die “Natur der Dinge” zu diesem Punkt ausgelassen.

“Aufstieg und den Niedergang des Römischen Reiches” – “Art Blaupause für das Funktionieren und Scheitern von Staaten”

>>Erkenne dich selbst von Richard David Precht (Buch) <<

“Zurück in Frankreich, schreibt er ein Buch über den Aufstieg und den Niedergang des Römischen Reiches – eine Art Blaupause für das Funktionieren und Scheitern von Staaten. Für Montesquieu gibt es eine »Natur der Dinge«, eine Gesetzmäßigkeit, nach der alle Staaten sich entwickeln. … Am Ende stehen sich eine moralisch verwahrloste Oberschicht und verarmte Massen gegenüber. Wo früher ein Gemeinschaftsgefühl den Staat im Innersten zusammenhielt, bekämpfen sich jetzt Mächtige und Ohnmächtige. Allmächtige Kaiser leben weit abgehoben vom »Pöbel«. Aus der Wehrpflicht werden Söldnerheere. Brot und Spiele sollen die Abgehängten ablenken, befriedigen und befrieden. Und am Ende geht das ganze morsche Gebilde zugrunde. Montesquieu redet von Rom, aber er meint auch Staaten wie England und Frankreich.”

“Aus der Wehrpflicht werden Söldnerheere”

Schon damals konnte ein zu loses Mundwerk schwerwiegende Folgen haben. Insbesondere der PunktAus der Wehrpflicht werden Söldnerheere” scheint in die heutige Zeit zu passen. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr können mittlerweile fast den gesamten Globus umfassen. Hingegen die Landesverteidigung scheint wohl eher als vernachlässigbarer Unterpunkt zu laufen. Meist hängen diese Auslandseinsätze mit wirtschaftlichen Interessen zusammen. Die ärmer Bevölkerung kann hieraus häufig keinen Nutzen ziehen. Diese Entwicklung hat es schon während der Antike gegeben. Die Expansion des Römischen Reiches hat begüterten Familien viel genützt, während die ärmeren Schichten immer länger der Wehrpflicht unterlagen.

“Freien Bauern, die bis zum Alter von 46 Jahren der Wehrpflicht unterlagen”

>>Rom: Aufstieg einer antiken Weltmacht von Dietmar Pieper & Johannes Saltzwedel (Buch) <<

“Begüterte profitierten von der beständigen Expansion des Imperiums, indem sie sich in den eroberten Gebieten Land verschafften, während die freien Bauern, die bis zum Alter von 46 Jahren der Wehrpflicht unterlagen, immer länger zum Militärdienst eingezogen und in immer weiter entfernten Gebieten eingesetzt wurden. Bis zum Beginn des 2. Jahrhunderts ließen sich die Militäreinsätze noch einigermaßen mit der bäuerlichen Existenz vereinbaren. Als sich aber, wie in Spanien, Feldzüge fern der Heimat in die Länge zogen, brachte das die Landleute in Schwierigkeiten.”

“Immer länger zum Militärdienst eingezogen und in immer weiter entfernten Gebieten eingesetzt wurden”

Die jahrelange Wehrpflicht ließ sich nur schwerlich mit der bäuerlichen Existenz unter einen Hut bringen. Sicherlich mögen ein paar Soldaten im Römischen Heer ein Bilderbuchkarriere hingelegt haben: Doch im Allgemeinen dürfte es die soziale Schieflage noch verschärft haben. Die Zwangsaushebung waren offenbar sehr unpopulär gewesen.

“Der Dienst in der Armee scheint recht unpopulär gewesen zu sein”

>> Geschichte der Antike (Buch) <<

“Der Dienst in der Armee scheint recht unpopulär gewesen zu sein. Man der Soldaten suchte sich der Zwangsaushebung zu entziehen. Söhne von Veteranen sowie andere Kriegsdienstpflichtige schnitten sich gar den Daumen ab, um nicht in der Armee dienen zu müssen.”

Antike: “Söhne von Veteranen sowie andere Kriegsdienstpflichtige schnitten sich gar den Daumen ab, um nicht in der Armee dienen zu müssen”

Wehrpflichtentziehung durch Verstümmelung” – Dieser Straftatbestand ist noch heute gültig. Sicherlich hat das antike Rom keine Wehrpflicht im heutigen Sinne gekannt, aber die Parallelen sind verblüffend. In der jüngeren Geschichte hat Preußen eine Art von Wehrpflicht eingeführt, aber es hat auch hier interessante Ausnahmen gegeben.

Gegenwart: “§ 109 StGB Wehrpflichtentziehung durch Verstümmelung”

>>Als Deutschland noch nicht Deutschland war: Reise in die Goethezeit von Bruno Preisendörfer (Buch) <<

“Johann Christoph Pickert: 1807/08 ließ sich Pickert im Bördekreis bei Magdeburg anstelle von Jacob Röper in die Konskriptionsliste der preußischen Armee eintragen. Die Möglichkeit, der Wehrpflicht durch Ersatzstellung zu entgehen, war legal. Pickert vereinbarte mit Röpers Vater für die dreijährige Dienstzeit (zu der es dann nicht kam) 300 Taler in drei Raten, zusätzlich pro Jahr drei neue flächserne Hemden, acht Ellen Leinwand und zwölf Pfund Wolle.”

Freikauf: “Wehrpflicht durch Ersatzstellung zu entgehen, war legal”

Auch hier konnten sich die begüterten Schichten von der Wehrpflicht freikaufen. Dieses System ist nicht nur auf Europa beschränkt, sondern ist auch auf anderen Kontinenten anzutreffen.

“Wehrpflicht” – “Höhere gesellschaftliche Gruppen konnten sich von dieser allerdings freikaufen”

>>Kleine Geschichte Brasiliens von Stefan Rinke & Frederik Schulze (Buch) <<

“Im Gegensatz zum regulären Heer, das sich durch Zwangsaushebungen aus ärmeren Bevölkerungsschichten rekrutierte und für die Verteidigung gegen äußere Feinde zuständig war, galt für die Nationalgarde, die im Landesinneren eingesetzt wurde, Wehrpflicht. Höhere gesellschaftliche Gruppen konnten sich von dieser allerdings freikaufen oder nahmen leitende Positionen wie die des coronel ein.”

“Zum regulären Heer, das sich durch Zwangsaushebungen aus ärmeren Bevölkerungsschichten rekrutierte”

Natürlich mag die Wortwahl “Zwangsaushebungen aus ärmeren Bevölkerungsschichten” etwas hart klingen, aber dennoch ist sie in der Sache richtig. Denn gerade für die sozial schwächeren Schichten stellt die Armee eher eine berufliche Sackgasse dar.