“Einer als „Klassenjustiz” erscheinenden Urteilspraxis Vorschub geleistet wird”

Screenshot youtube.com Screenshot youtube.com

Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich: Die neue Klassenjustiz” – Das ist keine steile These, sondern der Titel eines Buches. Und darin werden zahlreiche Beispiele aufgelistet. Tatsächlich lässt sich dieser Vorwurf weit zurückverfolgen und wird sogar innerhalb der Juristen lebhaft diskutiert.

“Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich: Die neue Klassenjustiz”

>>Universität Leipzig<<

“Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich: Die neue Klassenjustiz” – Der Rechtsstaat basiert unter anderem auf dem Versprechen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. In der Realität sieht dies ganz anders aus. Die geltende Rechtsordnung begünstigt jene, die vermögend sind und benachteiligt gleichzeitig die, die wenig oder nichts haben. Unterschiedliche ökonomische Verhältnisse führen dazu, dass die Justiz den Menschen entsprechend dieser Ungleichheit unterschiedlich begegnet.”

“Rechtsstaat basiert unter anderem auf dem Versprechen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind”

Rein formal mögen vor dem Gesetz alle gleich seien. Aber alleine schon das Gutachterwesen – oder Gutachter(un)wesen – spiegelt ein ganz anderes Bild wider. Meist können die Auftraggeber von teuren Gutachten die – vermeintlichen oder tatsächlichen – besseren Argumente vortragen. Letztendlich ist in der Praxis der Faktor “Geld” ausschlaggebend.

“Im Geflecht der Gutachten überwintern Relikte der Klassengesellschaft”

>>Einspruch! Wider die Willkür an deutschen Gerichten von Norbert Blüm (Buch) <<

“Bei Gutachten geht es »nicht um Wahrheitsfindung, sondern um schnelle reibungslose Geschäfte«, behauptet der renommierte Wirtschaftsjurist Volker Boehlen und nennt dies einen Skandal. Die Schnelligkeit, mit der manche Gutachten geliefert werden, steht oft im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Seriosität.

Im Geflecht der Gutachten überwintern Relikte der Klassengesellschaft

Die »Gutachten-Großgemeinschaften« (siehe GWG) sind die eine Möglichkeit, aus dem Gutachtengeschäft eine Geldmaschine zu machen. Versteckter, aber ertragreich wirkt ein »Gutachterkauf«, der ein spätes Relikt der Klassenjustiz ist. Der angesehene Münchner Rechtsanwalt Dr. Hugo Lanz beschrieb das Gehege 1998 in der ebenso angesehenen Zeitschrift für Rechtspolitik: »Da diese Großen (Industrie, Versicherungen, Berufsgenossenschaften) laufend mit Gutachten zu tun haben, lohnt es sich, die Gutachter gefällig zu machen. Zuweilen geschieht das durch direkte Zuwendungen, meist geht man legal vor.« Man braucht keine besonders einfühlende Fantasie, um sich vorzustellen, dass es einer gewissen gutachterlichen Standfestigkeit bedarf, einem zahlungskräftigen Auftraggeber ein Gutachten zu liefern, das dessen »Bedürfnissen« krass widerspricht.”

“Bei Gutachten geht es »nicht um Wahrheitsfindung, sondern um schnelle reibungslose Geschäfte”

Nicht nur im Gutachterwesen, sondern auch in der Strafbemessung ist die “soziale Herkunft” entscheidend. Auch hier schneidet die Unterschicht tendenziell schlechter ab.

“Grundsatz der Schuldangemessenheit verlangt nicht unbedingt, dass in vergleichbaren Fällen objektiv gleiche Strafgrößen verhängt werden”

>>Strafrechtliche Sanktionen von Bernd-Dieter Meier (Buch) <<

“Der Grundsatz der Schuldangemessenheit verlangt nicht unbedingt, dass in vergleichbaren Fällen objektiv gleiche Strafgrößen verhängt werden; seine Zielrichtung ist es vielmehr, in Fällen gleicher Schuld ein subjektiv gleiches Straflei- den zu erzeugen. Um das individuell unterschiedliche Strafleid richtig erfassen zu können, muss die als „Strafempfindlichkeit” bezeichnete Leidempfindlichkeit des Täters erfasst und bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. … Empirisch begründete Aussagen über die Quantifizierung von „Strafleid” sind derzeit genauso wenig möglich wie es überhaupt valide Indikatoren dafür gibt, was eigentlich „Strafleid” ausmacht. Auch besteht hier wieder die Gefahr, dass unzutreffende Fehlurteile über die Gesamtpersönlichkeit gefällt werden oder dass einer als „Klassenjustiz” erscheinenden Urteilspraxis Vorschub geleistet wird, indem bspw. einem in Gelddingen vielleicht besonders sensiblen Mittelschichtangehörigen wegen seiner größeren Strafempfindlichkeit eine geringere Geldstrafe auferlegt wird als einem insoweit möglicherweise unbekümmerteren Unterschichtangehörigen.”

“Einer als „Klassenjustiz” erscheinenden Urteilspraxis Vorschub geleistet wird”

Das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes wird also häufig konsequent ins Gegenteil verkehrt. Immerhin wurde das Problem erkannt und teilweise werden sogar vorsichtige Reformen angemahnt.

“Gesetzgeber” – “Auseinandersetzung mit der Legitimation der Urteilsabsprachen gescheut” 

>>Strafprozessordnung (Heidelberger Kommentar, Buch und als gekürztes Zitat) << 

“Mit der Behauptung in der amtlichen Begründung, dass die überkommenen Strukturen des Strafverfahrensrechts unberührt blieben, sei „das Gebäude auf den Sand einer gesetzgeberischen Falschaussage gebaut“. Dies gilt jedenfalls für die Annahme des Gesetzgebers, es gebe kaum noch Verfechter der Ablehnung einer, denn diese waren und sind nach wie vor ausgesprochen zahlreich. Tatsächlich hat der Gesetzgeber eine grds Auseinandersetzung mit der Legitimation der Urteilsabsprachen gescheut und auch die Schaffung belastbarer empirischer Grundlagen für die gesetzgeberische Entscheidung versäumt. Dies legt den Verdacht nahe, dass sich der Gesetzgeber die Auffassung zueigen gemacht hat, die Urteilabsprache sei zumeist kein rechtliches, sondern rechtskulturelles Phänomen, und es bedürfe nur entsprechender gesetzlicher Anforderungen, um dem Eindruck einer Klassenjustiz und einem Ansehensverlust der Strafjustiz entgegenzuwirken.”

“Eindruck einer Klassenjustiz und einem Ansehensverlust der Strafjustiz entgegenzuwirken”

Teilweise lässt sich dieses Phänomen sogar an einzelnen Straftatbeständen festmachen. Gerade beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk haben sich regelrecht feudale Strukturen breit gemacht. Selbstverständlich könnte man juristische dagegen vorgehen und genau dafür gibt es Gesetze.

“Untreue” – “Einer der unklarsten und willkür-anfälligsten des Strafgesetzbuchs”

>>Spiegel<<

“Der Straftatbestand der »Untreue« ist, so sagen viele, einer der unklarsten und willkür-anfälligsten des Strafgesetzbuchs. Dies gilt, obgleich die meisten, die man fragt, der Ansicht sind, sie wüssten, worum es geht. Strafbar »untreu« handelt in der praktisch wichtigsten Variante des Paragrafen 266 Absatz 1 StGB, wer 1) eine Pflicht hat, fremdes Vermögen zu »betreuen«, 2) diese Pflicht verletzt und 3) hierdurch dem zu betreuenden Vermögen einen Vermögensnachteil (Schaden) zufügt.”

Was vom Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes übrig blieb?

Ein gewöhnlicher Falschparker dürfte auf soviel Nachsicht wohl kaum hoffen. Alleine die teilweise utopischen Gehälter der Rundfunkintendanten sind mitnichten zu rechtfertigen. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Wirtschaftsunternehmen ist kein unternehmerisches Risiko vorhanden, deshalb wäre die Vergütung nach der Gehaltstabelle des öffentlichen Dienstes ausreichend und alles darüber hinaus, würde bereits den Straftatbestand der Untreue streifen.