Strukturwandel: “Vielmehr entpuppten sich vermeintliche Übergangsphänomene als Dauerprobleme”

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Warum sollen deutsche Wiedervereinigung und der angedachte Kohleausstieg unmittelbar zusammenhängen? Es geht schon mal damit los: Das eine Insolvenzwelle und breite Verarmung der Bevölkerung sich schon in der gegenwärtigen Energiekrise abzeichnen.

“Der Getriebehersteller Zimm Germany mit Sitz in Ohorn steht vor dem Aus”

>>Alles-Lausitz.de<<

“Der Getriebehersteller Zimm Germany mit Sitz in Ohorn steht vor dem Aus. Ende vergangener Woche informierte die Fraktion der Linkspartei im Sächsischen Landtag darüber, dass alle 140 Beschäftigten die Kündigung erhalten hätten. Wenig später bestätigte dann Insolvenzverwalter Franz-Ludwig Danko der Sächsischen Zeitung, dass alle Mitarbeiter ihre Jobs verlieren. Ein Investorendeal sei in letzter Minute geplatzt. Damit endet eine mehr als 150-jährige Industrietradition.”

“Kosten-Schock” – Warum das Böhmisch Brauhaus schließen muss

>>Tag 24<<

“Das “Böhmisch Brauhaus” hat in seiner rund 130-jährigen Geschichte Kriege und Krisen überstanden, doch der aktuelle Kosten-Schock bringt das Fass zum Überlaufen. “Wenn wir uns künftig auf der Grundlage der aktuellen Preise für Strom und Gas mit Energie versorgen müssten, würden uns die Mehrkosten in den sicheren Ruin treiben”, sagt Chef … “

Böhmisch Brauhaus: “Würden uns die Mehrkosten in den sicheren Ruin treiben”

Die Insolvenzen und Werksschließungen ließen sich so unvermindert fortsetzen. Insbesondere energieintensive Unternehmen haben zu kämpfen. Doch der Fokus ist bisweilen nur auf die unmittelbar betroffenen Sektoren gerichtet.

Lausitzer Kohle: „Arbeitsplätze für Zuliefererunternehmen“

>>Vorwärts<<

„Nach der Einigung zum Kohleausstieg hält sich der Jubel in der Lausitz in Grenzen. – Rund 8600 Arbeitsplätze hängen nach Angaben des Bundesverbandes Braunkohle an der Stromerzeugung und dem Kohleabbau in der Lausitz. In den Tagebauen vor Ort stecken die größten Braunkohle-Vorkommen in Deutschland. Hinzu kommen Arbeitsplätze für Zuliefererunternehmen sowie die Industrie, die von den Kraftwerken vor Ort abhängig ist, weil sie beispielsweise die produzierte Abwärme für die eigene Produktion nutzt. Sprembergs Bürgermeisterin Christine Herntier – dort steht das Kraftwerk Schwarze Pumpe – spricht in anderen Medien von „dem Industriezweig“ in der Lausitz – weitere 20.000 Jobs würden von dem fossilen Energieträger abhängen.“

„20.000 Jobs würden von dem fossilen Energieträger abhängen“ 

In der Tat wurden beim angedachten Kohleausstieg die Arbeitsplätze für die Zuliefererunternehmen weitesgehend vergessen. Auch die steigenden Energiepreise und die allgemeine Sicherheit immer Energie zu haben, das wurde ebenfalls einfach ausgeblendet. Inwieweit kann am Ende überhaupt noch wirtschaftliche Tätigkeit dargestellt werden? Vergleichbare Fragen haben sich ebenso nach der Wiedervereinigung aufgetan.

“MZ Motorradwerk” – “Vor dem Krieg die größte Motorradfabrik der Welt”

>>Spiegel<<

“Zschopau am Rande des Erzgebirges: 70 000 der antiquierten Zweiräder will das MZ Motorradwerk, vor dem Krieg die größte Motorradfabrik der Welt, herstellen, 5000 mehr als im vergangenen Jahr. Das Wunder soll ein Großauftrag aus der Sowjetunion bewirken. Ein russischer Kunde hat 50 000 Motorräder bestellt. Wie er die bezahlen soll, weiß allerdings niemand.”

Währungsreform: Warum sich ehemalige Kunden die Produkte nicht mehr leisten konnten

Neben der Wiedervereinigung fand auch eine Währungsunion statt. Eigentlich wurde die DDR-Währung aufgelöst und durch die West-Mark ersetzt. Dadurch mussten ausländische Kunden – quasi über Nacht – plötzlich ein vielfaches für Ex-DDR-Produkte oder Produkte aus dem neuen Bundesländern zahlen. Vereinfacht: Währung und Staaten konnten schlicht nicht zusammen funktionieren. Ein vergleichbarer Konstruktionsfehler weist der Euro auf, was durch Euo-Rettungsaktionen und Hilfspaketen immer wieder auf das Neue bestätigt wird.

Währungsunion Euro & DDR-Währung: Die selben Konstruktionsfehler und wirtschaftlichen Probleme

Zurück zu deutschen Wiedervereinigung: Es sollte nach damaligen Plänen ein neues Wirtschaftssystem aufgebaut und massiv in Infrastruktur investiert werden. Dies sollte als eine Art positiven “Schock” verkauft werden.

“Schock nicht alsbald die Therapie folgte und dass sich auf den befreiten Märkten Ostdeutschlands kein selbsttragender Aufschwung entfaltete”

>>Geschichte der deutschen Wiedervereinigung von Rödder, Andreas (Buch) <<

“Bald war nicht mehr zu übersehen, dass Regierung und Verantwortliche bei der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion von viel zu optimistischen Grundannahmen ausgegangen waren, dass dem Schock nicht alsbald die Therapie folgte und dass sich auf den befreiten Märkten Ostdeutschlands kein selbsttragender Aufschwung entfaltete. Vielmehr entpuppten sich vermeintliche Übergangsphänomene als Dauerprobleme, die staatliche Intervention in einem ganz und gar unerwarteten Ausmaß erforderlich machten, ohne selbst damit das gewünschte Ergebnis zu erzielen.”

“Vielmehr entpuppten sich vermeintliche Übergangsphänomene als Dauerprobleme”

Die “Dauerprobleme” sind mittlerweile zur neuen Wirklichkeit geworden. Es konnte schlicht nicht funktionieren. Die DDR-Wirtschaft – mit all ihren Fehlern – war nun mal grundsätzlich ganz anders strukturiert. Selbst die Wirtschaft der USA weist ganz andere Strukturen auf. Zusätzlich wurde die ehemalige BRD-Wirtschaft völlig falsch eingeschätzt. Das BRD-Wirtschaftswunder der 1950er Jahre war schon zum damaligen Zeitpunkt weitestgehend verblasst und die Probleme der Ölkrise der 1970er Jahre – hauptsächlich steigende Energiepreise – wurden bis heute nie wirklich überwunden. Kurzum: Energie wurde im Durchschnitt erheblich teurer. Inflation und Arbeitslosigkeit wurden einfach als neue Wirklichkeit akzeptiert. Das gegenwärtige Wirtschaftsmodell ist nun mal auf billiger und verlässlicher Energie aufgebaut. Auf dieser Basis konnte der Aufbau Ost niemals gelingen. Demzufolge sollten die “Kosten der Wiedervereinigung” völlig anders bewertet werden.

“Wenn man genauer hinschaut, dann erkennt man, dass Ostdeutschland zu einem Großteil die Kosten der Einheit selbst getragen hat – und immer noch trägt”

>>Welt<<

„Die finanziellen Lasten der Wiedervereinigung sind keineswegs hauptsächlich vom Westen geschultert worden. „Wenn man genauer hinschaut, dann erkennt man, dass Ostdeutschland zu einem Großteil die Kosten der Einheit selbst getragen hat – und immer noch trägt“, sagt … Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in der „Welt am Sonntag“. … widerspricht damit dem gängigen Eindruck, wonach der Westen die Kosten weitgehend allein zahle. Zwar hätten die alten Länder netto 1,4 Billionen Euro in den Osten transferiert. „Berücksichtigt man jedoch alle gesamtwirtschaftlichen Effekte, werden die Lasten der Wiedervereinigung überwiegend im Osten geschultert“, sagt … von der Universität Leipzig. Die Rechnung ist kompliziert, da es um mehr geht als nur um die Steuergelder, die vom reichen Westen in den armen Osten geflossen sind: Unter dem Strich haben rund 1,8 Millionen Menschen nach der Wende ihre alte Heimat verlassen und im Westen ihr Glück gesucht. Da es sich dabei meist um gut ausgebildete Arbeitskräfte handelte, erwirtschaften sie rund ein Viertel des Wirtschaftswachstums auf dem Territorium der alten Bundesrepublik. Grob überschlagen machten allein die Steuergelder der Ostdeutschen im Westen ein Drittel der Transferleistungen von 75 Milliarden Euro pro Jahr aus, rechnet … vor.“

“Unter dem Strich haben rund 1,8 Millionen Menschen nach der Wende ihre alte Heimat verlassen und im Westen ihr Glück gesucht”

Die gesamtdeutsche wirtschaftliche Entwicklung hätte ohne die neuen Bundesländer ganz anders ausgesehen. Oder anders: Die bestehenden wirtschaftlichen Probleme der West-BRD – ab etwa 1970 – wurde durch die Wiedereinigung überdeckt und aber niemals gelöst. Ähnlich wie bei der Wiedervereinigung soll nun erneut beim angedachten Kohleausstieg in Infrastruktur investiert und darauf ein “neues Wirtschaftssystem” aufgebaut werden.

“Sollte sich die Modernisierung der DDR selbst finanzieren” – “Ostdeutschen Staatsbetriebe lukrativ verkaufen ließen”

>>Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen von Ulrike Herrmann (Buch) <<

“Der Staatsvertrag zur Währungsunion sah vor, dass man 1990 lediglich 25 Milliarden D-Mark an die ostdeutschen Länder überweisen würde. 1991 sollten noch einmal 40 Milliarden folgen. Ansonsten aber sollte sich die Modernisierung der DDR selbst finanzieren, denn anfangs hatte man große Hoffnungen, dass sich die ostdeutschen Staatsbetriebe lukrativ verkaufen ließen. Manche Schätzungen gingen gar davon aus, dass das DDR-Vermögen etwa 600 Milliarden D-Mark wert sei.”

“DDR-Vermögen etwa 600 Milliarden D-Mark wert sei”

Der “Plan” sah also vor: Ehemalige DDR-Betriebe zu verkaufen und dieses Geld in die “Modernisierung der DDR” zu stecken. Hauptsächlich war damit die Infrastruktur – einschließlich Telekommunikation – gemeint. Vergleichbare Ideen können im gegenwärtigen Kohleausstiegsplänen nachgelesen werden.