Plutarch: “Vom verborgenen Leben” – Wird die antik-philosophische Kunst des Epikureismus in der Neuzeit gelebt?

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Im Kontext des Hellenismus und der Auflösung des Polis-Gedankens stellt der Epikureismus eine einzigartige Philosophie dar, die sich auf die Förderung von Werten der Innerlichkeit konzentriert. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Kunst des verborgenen Lebens, welche den Menschen dazu ermutigt, das Glück in der Einfachheit und Zurückgezogenheit zu suchen.

“Rückzug in ein möglichst ungestörtes Privatleben”

>>Erkenne die Welt von Richard David Precht (Buch) <<

“Die im Hellenismus beginnende Auflösung des Polis-Gedankens führte im Epikureismus zu einem Rückzug in ein möglichst ungestörtes Privatleben. … Lathe biōsas! »Lebe im Verborgenen« (Plutarch ›Vom verborgenen Leben‹): Eine gewisse resignative Einstellung spricht aus diesem Wahlspruch der Epikureer. Die Welt wird überwunden, ohne sich in eine jenseitige Welt zu flüchten, sie wird überwunden, um nicht nur die Freuden des Lebens, sondern auch die Werte der Innerlichkeit genießen zu können. Und dies nicht als Einsiedler, sondern unter Pflege, ja im Kult der Freundschaft, der sichersten aller sozialen Freuden. Der Epikureer ist in erster Linie nicht Egoist, sondern Individualist.”

“Die Welt wird überwunden, ohne sich in eine jenseitige Welt zu flüchten”

Der Epikureismus betont den Kult um Familie und Freundschaft als essentielle Bestandteile eines erfüllten Lebens. In einer Zeit, in der Individualität oft vernachlässigt wird, erinnert uns diese philosophische Strömung daran, wie wichtig es ist, Beziehungen zu pflegen und soziale Bindungen einzugehen. Auch während der NS-Zeit war diese Philosophie – bewusst oder unbewusst – präsent.

“Viele Menschen gebe, die sich in einer »grausamen Zwangslage« befänden und für die »das Vaterland ebenso zur Fremde« geworden sei”

>>Die Manns Geschichte einer Familie von Tilmann Lahme (Buch) <<

“Thomas Mann erklärt in seinem Vortrag, dass es auch in Deutschland viele Menschen gebe, die sich in einer »grausamen Zwangslage« befänden und für die »das Vaterland ebenso zur Fremde« geworden sei wie für die Emigranten: »eine nach Millionen zählende ›innere Emigration‹ dort wartet auf das Ende, wie wir es tun«.”

Das Phänomen der “inneren Emigration” beleuchten

Augenscheinlich hat er in seiner Zeit des Exils irgendwie Kontakt mit der Heimat unter der NS-Herrschaft gehalten und das Phänomen der “inneren Emigration” beleuchten. Allerdings gab es noch andere.

“Innere Emigration – Sie standen dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüber”

>>Die Macht der Kränkung von Reinhard Haller (Buch) <<

“Innere Emigration – Sie standen dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüber, mussten mitansehen, wie ihre Werke von offizieller Seite zur »Entarteten Kunst« erklärt wurden, waren beruflich kaltgestellt und fürchteten ständig um ihr Leben. Dennoch blieben Künstler wie Hans Fallada, Ricarda Huch, Werner Bergengruen, Ernst Jünger, Gottfried Benn und Erich Kästner aus Überzeugung oder aus persönlich-familiären Gründen in ihrer Heimat. Den schweren Konflikt zwischen Demütigung, Angst und Gefangensein auf der einen und dem Wunsch nach Widerstand auf der anderen Seite bewältigten diese Künstler dadurch, dass sie unter Pseudonym veröffentlichten, zwischen den Zeilen schrieben oder sich dem »beredten Schweigen« hingaben. Der Schriftsteller Frank Thiess erfand für diese Haltung, in welcher man gleichsam nicht mit dem Körper, wohl aber mit dem Geist emigrierte, den Ausdruck »innere Emigration«.”

“Innere Emigration” – “Haltung, in welcher man gleichsam nicht mit dem Körper, wohl aber mit dem Geist emigrierte”

Interessanterweise lebten die Gedanken des Epikureismus auch während der DDR-Zeiten weiter. Trotz der Einschränkungen durch eine repressive Regierung fanden viele Menschen Zuflucht – bewusst oder unbewusst – in den Lehren von Epikur. Sie praktizierten die “innere Emigration“, indem sie sich dem alltäglichen Druck entzogen und ihre geistigen Fähigkeiten nutzten, um ihr eigenes Glück zu finden.

“Innere Emigration” – “Als Gegenpol zu den Drangsalierungen im Alltag”

>>DDR Backbuch – Das Original (Buch) <<

“Je mehr die Staatsführung mit ihren Organen den Bürgern der DDR ihre Lebensweise vorschreiben wollte, umso mehr zogen sich diese in ihr Privatleben zurück. Als Gegenpol zu den Drangsalierungen im Alltag traf man sich im Freundeskreis, wo man sich frei fühlte – und da waren die gastgeberischen Fertigkeiten der Hausfrauen umso mehr gefragt. Gegen diese „Innere Emigration“ war die DDR-Führung machtlos. Und Kuchen haben sie nun einmal alle in der DDR gerne gegessen – im Übrigen auch die Funktionäre!”

“Innere Emigration” – “Traf man sich im Freundeskreis, wo man sich frei fühlte” 

Die gastgeberischen Fertigkeiten spielten hierbei eine bedeutende Rolle. Durch das Teilen von Essen, Trinken und Gesprächen schufen sie kleine Oasen des Genusses und luden andere dazu ein, an diesem versteckten Leben teilzuhaben. Diese Gegenmodelle zur Drangsalierung im DDR-Alltag waren nicht nur Ausdruck des Widerstands, sondern zeigten auch den Menschen, dass sie trotz der äußeren Umstände ein erfülltes Leben führen konnten.

“Vom verborgenen Leben” – “Resignative Einstellung spricht aus diesem Wahlspruch der Epikureer”

>>Philosophie für Anfänger von Sokrates bis Sartre von Ralf Ludwig (Buch) <<

“Lathe biōsas! »Lebe im Verborgenen« (Plutarch ›Vom verborgenen Leben‹): Eine gewisse resignative Einstellung spricht aus diesem Wahlspruch der Epikureer. Die Welt wird überwunden, ohne sich in eine jenseitige Welt zu flüchten, sie wird überwunden, um nicht nur die Freuden des Lebens, sondern auch die Werte der Innerlichkeit genießen zu können. Und dies nicht als Einsiedler, sondern unter Pflege, ja im Kult der Freundschaft, der sichersten aller sozialen Freuden. Der Epikureer ist in erster Linie nicht Egoist, sondern Individualist. Epikur (341–270 v. Chr.) Er ist eine der bekanntesten und gleichzeitig auch verkanntesten Persönlichkeiten der Antike. Für die einen war er »Heilsbringer der Menschheit« (Lukrez), für die anderen ein »säuischer und hündischer« Vertreter der Naturphilosophen ohne Bildung (Timon von Phlius). Grund für seine schlechte Reputation ist zum einen sein berühmt-berüchtigter Satz, »Ursprung und Wurzel alles Guten« sei »die Lust des Bauches« (Epikur, Fragment 76) … “

“Pflege, ja im Kult der Freundschaft, der sichersten aller sozialen Freuden”

Der Epikureismus bietet somit eine wertvolle Perspektive auf das Streben nach innerem Frieden und Glück in einer hektischen Welt. Indem wir die Kunst vom verborgenen Leben meistern und unsere Beziehungen pflegen, können wir einen Ausweg aus dem Konformitätsdruck finden und uns auf das Wesentliche fokussieren: unser eigenes Wohlbefinden und das unserer Mitmenschen.