Lausitzer Revier – “Politik muss wieder lernen, mit dem Geld auszukommen, das die Bürgerinnen und Bürger erwirtschaften”

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Lausitzer Revier – “Die Politik muss wieder lernen, mit dem Geld auszukommen, das die Bürgerinnen und Bürger erwirtschaften” – So die eindeutige oder doppeldeutige Aussage des Bundesfinanzministers. Gleichzeitig sollen – durch Steuergeld – neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Oder, wie lange sollte diese Versprechen eigentlich anhalten? In der Tat zeigen die Zeichen mehr in eine ganz andere Richtung: Geht der Regierung scheinbar langsam das Geld aus?

„Lausitzer Kohlebürgermeisterin fordert Ersatzarbeitsplätze“ 

>>Lausitzer Rundschau<<

„Lausitzer Kohlebürgermeisterin fordert Ersatzarbeitsplätze – Sprembergs Bürgermeisterin … fordert die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen in der Industrie noch bevor die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden … Bürgermeister aus deutschen Braunkohleregionen pochen beim Kohleausstieg auf die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen in der Industrie. „Und zwar bevor die Kraftwerke abgeschaltet werden und dort in den Revieren, wo die Kumpel arbeiten“, sagte die Bürgermeisterin der Stadt Spremberg, … . „Das ist uns ganz, ganz wichtig, dass das gelingt“, sagte sie für das Lausitzer Revier.“

„Pochen beim Kohleausstieg auf die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen in der Industrie“ 

Augenscheinlich sind die Ersatzarbeitsplätze ersatzlos weggefallen. Auch die Lausitzmagistrale wurde ebenso beerdigt. Vielleicht sollte mal der Strukturwandel aus kindlicher Perspektive beleuchtet werden: Um mal zu verstehen, auf welchen Niveau hier mittlerweile argumentiert wird.

“Wie man ein Datum für den Kohleausstieg festlegen könne, will sie wissen, wenn man noch keine funktionierenden Ersatztechniken habe”

>>taz<<

“Eine Schülerin tritt ans Mikro. Sie beschäftige sich fürs Abi mit der Energiewende. Wie man ein Datum für den Kohleausstieg festlegen könne, will sie wissen, wenn man noch keine funktionierenden Ersatztechniken habe. Stimmt, sagt Kretschmer, (Ministerpräsident von Bundesland Sachsen, Anmerkung der Redaktion) man arbeite daran, deswegen seien ja die Überprüfungsfristen festgelegt worden. „Könntet ihr den jungen Leuten in der Region konkrete Perspektiven anbieten?“, bittet der nachfolgende Redner.”

“Könntet ihr den jungen Leuten in der Region konkrete Perspektiven anbieten?”

Tatsächlich stehen diese Überprüfungsfristen im Abschlusspapier der “Kohlekommission” genau so drin. Vereinfacht: Angesichts der hiesigen wirtschaftlichenenergiepolitischen Lage könnte quasi der Kohleausstieg per Federstrich abgesagt werden. Der Ausstieg vom Kohleausstieg wäre problemlos machbar. Doch das eigentliche Problem tritt ganz woanders auf. Es sind wohl eher psychologische Ursachen bei den Entscheidungsträgern. Denn die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit hat zu gewaltige Ausmaße angenommen. Ein kleiner Exkurs in die DDR-Geschichte könnte hierbei für Aufklärung sorgen.

DDR-Geschichte: “Mit gewaltigem Propagandagetöse verabschiedete die Volkskammer am 1. Oktober 1959 den Siebenjahrplan” 

>>Der große Plan – Alltag und Herrschaft in der DDR 1949-1961 von Stefan Wolle (Buch) <<

“Mit gewaltigem Propagandagetöse verabschiedete die Volkskammer am 1. Oktober 1959 den Siebenjahrplan. Die staunende Mitwelt wurde mit einer Flut von Planziffern, Steigerungsraten und Erfolgskurven überschüttet, an die man glauben mochte oder nicht. Eindeutig aber waren einige übergreifende Aussagen. In dem Plandokument hieß es ausdrücklich: »In der Landwirtschaft ist die Produktion von tierischen und pflanzlichen Erzeugnissen so zu erhöhen, daß der ständig steigende Bedarf der Bevölkerung an tierischen Produkten zunehmend aus der eigenen Produktion gedeckt und die Industrie besser mit landwirtschaftlichen Rohstoffen versorgt werden kann.« Als dieses Dokument verabschiedet wurde, zeichnete sich bereits die Versorgungskrise ab, die im Vorfeld des Mauerbaus zu einer zentralen politischen Frage werden sollte und nach dem 13. August 1961 keineswegs gelöst war. Im Laufe des Jahres 1959 wurden Fleisch, Butter und Milch knapp. Vorgezogene Butterimporte aus der Sowjetunion mussten die Versorgungslücke schließen. Knapp vier Wochen nach Verabschiedung des Siebenjahrplanes, am 28. Oktober 1959, mussten die DDR-Medien einräumen, dass der Bedarf der Bevölkerung an Rind- und Schweinefleisch, Milch und Butter sowie Obst und Gemüse nicht gedeckt werden könne. In der Fernsehsendung »Treffpunkt Berlin« erklärte Landwirtschaftsminister Hans Reichelt, »der Getreideertrag sei im Durchschnitt der Republik fast so hoch wie im vorigen Jahr, während die Kartoffelerträge sogar über denen von 1958 liegen. Empfindliche Ertragseinbußen hingegen seien in der Futterwirtschaft und bei Obst und Gemüse zu verzeichnen.«

“Als dieses Dokument verabschiedet wurde, zeichnete sich bereits die Versorgungskrise ab”

Nach eigener Darstellung ist der DDR-Staat ständig von einen Erfolg zum nächsten geeilt: Die Wirklichkeit sah gewiss etwas anders aus. Inwiefern die DDR am Ende tatsächlich Pleite war, dass soll mal hier offen bleiben. Wenngleich die wirtschaftlichen Probleme sehr wohl sichtbar waren. Mit viel Aufwand wurden zu DDR-Zeiten große Hochöfen errichtet, aber für die praktisch dazugehörige Warmwalzanlage hat das Geld gefehlt.

“Warmwalzanlage wurde zu DDR-Zeiten nie gebaut” – “Stahlblöcke teils von Eisenhüttenstadt zum Walzen nach Westdeutschland transportiert” 

>>Handelsblatt<<

“Jahrzehntelang fehlte dem EKO die Möglichkeit, das in den Hochöfen erzeugte Roheisen selbst zu verarbeiten. Erst 1984 folgte das Stahlwerk. Die Warmwalzanlage wurde zu DDR-Zeiten nie gebaut, was dazu führte, dass Stahlblöcke teils von Eisenhüttenstadt zum Walzen nach Westdeutschland transportiert werden mussten, bevor sie zurück im Osten weiterverarbeitet wurden.”

“Jahrzehntelang fehlte dem EKO die Möglichkeit, das in den Hochöfen erzeugte Roheisen selbst zu verarbeiten”

Dieser Missstand war hinlänglich bekannt. Nur die Errichtung einer Warmwalzanlage wäre sehr teuer gekommen und der DDR hat hierfür schlicht das Geld gefehlt. Auch beim Abbau von Rohstoffen zeichnete sich dasselbe Bild ab.

“Kupferbergbau in der Lausitz” – “Wir waren finanziell nicht in der Lage, die Lagerstätte zu erschließen”

>>Deutschlands verborgene Rohstoffe von Christoph Seidler (Buch) <<

“Entscheidende Hilfe bei der Arbeit der Kupfersucher sind Erkenntnisse aus längst vergangenen Zeiten. Denn bereits in den Jahren 1959 bis 1980 hatten DDR-Geologen das Kupfervorkommen in der Lausitz systematisch erkundet. Die Fachleute des Volkseigenen Betriebs Geologische Forschung und Erkundung Halle, Betriebsteil Freiberg, hatten den Auftrag, in der Gegend nach heimischen Rohstoffen zu fahnden. Es ging darum, dass die notorisch klammen Staatsbetriebe möglichst wenige Bodenschätze auf den Weltmärkten einkaufen mussten. Harte Devisen waren schließlich knapp. Rund 100 Millionen DDR-Mark ließ man sich die Vorarbeiten für den Kupferbergbau in der Lausitz deswegen kosten. Die Hälfte des Geldes ging in die geologische Erkundung. Die Attacke auf das riesige Kupferlager der Lausitz wurde vom Mansfeld-Kombinat geplant. Etwa 100 Mitarbeiter, unter ihnen 40 Ingenieure, bereiteten die Förderung vor – bis das zuständige Ministerium für Erzbergbau und Metallurgie Anfang der 80er-Jahre dann die Reißleine zog. Das Vorhaben erschien zu teuer und wurde deswegen einstweilen nicht weiterverfolgt. »Wir waren finanziell nicht in der Lage, die Lagerstätte zu erschließen«, erinnerte sich Horst Näther, der damalige Chef der Bergbautechnologie im Mansfeld-Kombinat, nach der Wende wehmütig.”

“Kupferbergbau in der Lausitz” – “Das Vorhaben erschien zu teuer und wurde deswegen einstweilen nicht weiterverfolgt”

Diese Kupfervorkommen sind in der Gegenwart erneut interessant geworden, was aber eine anderes Thema ist. Auf alle Fälle zeichnete sich am Fehlen von Geld die wirtschaftliche Misere der DDR schon lange vor der Wiedervereinigung ab.