Ostelbien: “Die deutschen Fürsten lediglich ihre eigene feudale Agenda von Eroberung und Tribut verfolgten”

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Kronkolonie Ostelbien” – Diese Gedankenrichtig oder falsch – wurden den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und seiner Rolle bei der deutschen Wiedervereinigung nachgesagt. Zumindest ist es – aus historische Perspektive – korrekt. Dieses Gebietungefähr östlich der Flüsse Elbe und Saale – wurden tatsächlich kolonialisiert. Ostelbien hat viel fruchtbares Ackerland geboten.

Ostelbien: “Längeren Vegetationsperioden ließen auch diese Gegend als potentielles neues Ackerland verlockend erscheinen”

>>Die kürzeste Geschichte Deutschlands von James Hawes (Buch) <<

“Doch die längeren Vegetationsperioden ließen auch diese Gegend als potentielles neues Ackerland verlockend erscheinen. Deutsche Fürsten hatten bereits begonnen, sich ihren Teil des Kuchens zu sichern. Im Jahr 1147 verkündeten der Papst und sein Vertrauter und Berater Bernhard von Clairvaux (der Heilige Bernhard) offiziell den Wendenkreuzzug.  … Doch der Plan ging nicht auf. Die Heiden wehrten sich so heftig, dass die deutschen Kreuzritter anfingen, die oberflächlichsten Zeichen der Bekehrung, etwa auf den Zinnen belagerter Burgen hastig aufgestellte Kreuze, anzuerkennen. Die Beobachter des Papstes schickten erzürnte Berichte nach Rom, wonach die deutschen Fürsten lediglich ihre eigene feudale Agenda von Eroberung und Tribut verfolgten  … . Weit entfernt von dem harten Streich, den Bernhard sich vorgestellt hatte, zerfaserte die Eroberung Ostelbiens in eine Abfolge von Ad-hoc-Abmachungen mit lokalen Anführern. Der unvollständige deutsche Sieg jenseits der Elbe sollte tiefgreifende Wirkungen auf die Zukunft der Region haben. Obwohl sich viele landhungrige Deutsche in Ostelbien ansiedelten, konnte die alte slawische Bevölkerung ihre Sprache und Kultur in Nischen erhalten. Ihre Anwesenheit erinnerte die Bevölkerung über Generationen daran, dass dies ein Kolonialgebiet war, das man mit Gewalt Menschen geraubt hatte, die weiterhin auf diesem Gebiet siedelten und eines Tages zurückschlagen könnten. Bis heute leben Nachfahren der Wenden, die Sorben, nordöstlich von Dresden.”

Ostelbien: “Die deutschen Fürsten lediglich ihre eigene feudale Agenda von Eroberung und Tribut verfolgten”

Ostelbien wurde in einer Abfolge mehrerer militärischer Unternehmungen unterworfen. Insgesamt hat sich dieser Konflikt über mehrere Jahrhunderte hingezogen und es ist zwischenzeitlich auch zu Waffenstillständen gekommen.

Ostelbien: “Erst um 1200 endgültig christianisiert und deutsch besiedelt”

>>Welt<<

“Das Wort borgt Hawes von Max Weber; es trennt das Deutschland der römisch-lateinisch-rheinischen Tradition von den ehemals slawischen Gebieten, die erst um 1200 endgültig christianisiert und deutsch besiedelt wurden. „Die Deutschen im Westen waren immer die unangefochtenen Einwohner Deutschlands, östlich der Elbe waren sie immer Kolonisten und Siedler.“

“Deutschen im Westen waren immer die unangefochtenen Einwohner Deutschlands, östlich der Elbe waren sie immer Kolonisten und Siedler”

Auch nach der militärischen Eroberung – insbesondere im ländlichen Gebiet – ist die Bevölkerung mehrheitlich slawisch geblieben. Das heutige Konzept einer “Kolonialmacht” wurde damals weitestgehend perfektioniert und die Auswirkungen reichten bis in die moderne Zeit hinein.

“Fatale Rolle Preußens auf, das bis 1945 auch immer Grenzland und Kolonialmacht war”

>>Leipziger Zeitung<<

“Hinter Hawes These von Ostelbien taucht also die fatale Rolle Preußens auf, das bis 1945 auch immer Grenzland und Kolonialmacht war, was seine eigenen Ostgebiete betraf, wo in der Regel deutschsprachige Minderheiten über eine slawische Mehrheit regierten. Und sie entsprechend ausplünderten. Die Leibeigenschaft hatte Friedrich Zwo ja nur auf den königlichen Domänen abgeschafft, auf den Gütern der ostelbischen Junker blieb die Unfreiheit der meist polnischen Arbeitskräfte erhalten.”

Ostelbien: “Wo in der Regel deutschsprachige Minderheiten über eine slawische Mehrheit regierten”

Selbst in der Weimarer Republik spiegelten sich die damaligen Ereignisse am Eigentumsverhältnissen von Grundbesitz wider. Vereinfacht: Das Land wurde über Generationen hinweg immer weiter vererbt.

“In Schlesien besaß der Adel 30,8 Prozent des Bodens, in Pommern waren es 27,8, in Mecklenburg 26,7 und in Brandenburg 22,3 Prozent der Gesamtfläche”

>>Hurra, wir dürfen zahlen von Ulrike Herrmann (Buch) <<

“In der Weimarer Republik machten die Adeligen rund 0,1 bis maximal 0,3 Prozent der Bevölkerung aus – je nach Region. So gab es in Preußen deutlich mehr Adelige als etwa in der Pfalz. Die Bastion des Adels war der Grundbesitz, vor allem in Ostelbien. In Schlesien besaß der Adel 30,8 Prozent des Bodens, in Pommern waren es 27,8, in Mecklenburg 26,7 und in Brandenburg 22,3 Prozent der Gesamtfläche. In Bayern und in Baden hingegen verfügte der Adel nur über rund drei Prozent des Bodens.”

“Weimarer Republik machten die Adeligen rund 0,1 bis maximal 0,3 Prozent der Bevölkerung aus”

Inwieweit diese historische Gegebenheit in die heutige Politik reichen: Das kann an dieser Stelle mal offen bleiben. Zumindest üben einige Handlungen bei der deutschen Wiedervereinigung einem gewissen faden Nachgeschmack aus.

“Nach dem Willen Kohls und seiner Geldgeber verwandelten sich die Länder der DDR in eine Art »Kronkolonie Ostelbien« – so Jens Reich”

>>Schwarzbuch. Helmut Kohl, eiserner Kanzler des grossen Geldes von Bernt Engelmann (Buch) <<

“Nach dem Willen Kohls und seiner Geldgeber verwandelten sich die Länder der DDR in eine Art »Kronkolonie Ostelbien« – so Jens Reich als Sprecher der demokratischen Bürgerbewegungen in der damals neu gewählten Volkskammer, wo sie rasch in die Opposition gedrängt wurden. Die Rolle der Gounverneurin durfte – nach der Ermordung des ersten Präsidenten der Treuhandanstalt, Detlev Rohwedder – die CDU-Politikerin Birgit Breuel übernehmen. Kohls Vertraute gerantierte für die Anwendung frühkapitalistischer Methoden der Ausbeutung, des Ramsch-Einkaufs von Grund und Boden und des sozialen und kulturellen Kahlschlags.”

“Kohls Vertraute gerantierte für die Anwendung frühkapitalistischer Methoden der Ausbeutung, des Ramsch-Einkaufs von Grund und Boden und des sozialen und kulturellen Kahlschlags”

Die Folgen der deutschen Wiedervereinigung wirken sich bis in die Gegenwart aus. Bis heute wurde dieses Thema nicht aufgearbeitet, obwohl selbst Abgeordnete eindeutige Worte fangen.

“Organisierte Kriminalität beginnt im Nadelstreifen”

>>Schwarzbuch. Helmut Kohl, eiserner Kanzler des grossen Geldes von Bernt Engelmann (Buch) <<

“Als Folge des Vernichtungswerks der »Treuhandanstalt« liegt Ostdeutschlands Wirtschaft vier Jahre nach dem Fall der Mauer am Boden, etwa auf dem Niveau eines Entwicklungslandes wie Sri Lanka. Nur noch etwa drei Prozent steuerten 1992 die neuen Länder zur deutschen Industrieproduktion bei. Ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen wurde alles zerschlagen, was dem Großen Geld beim Einzug in Ostdeutschland als hinderlich oder unbrauchbar erschien, und die Anstalt belohnte diejenigen, denen sie das DDR-Volkseigentum übereignete, noch mit üppigen Zusatzgeschenken. Die Konditionen der Übereignungsverträge, zum Beispiel Freistellung der Erwerber von Verpflichtungen und Risiken, wurden von der Breuel-Anstalt in manchen Fällen so günstig gestaltet, daß der Bündnis 90-Abgeordnete Ulrich-Karl Engel im Landtag von Sachsen-Anhalt dafür nur diese Erklärung fand: »Organisierte Kriminalität beginnt im Nadelstreifen.« “

“Ostdeutschlands Wirtschaft vier Jahre nach dem Fall der Mauer am Boden, etwa auf dem Niveau eines Entwicklungslandes wie Sri Lanka”

Auf alle Fälle haben die Geschichte von Ostelbien und die deutsche Wiedervereinigung eines gemeinsam: Trotz offenkundiger Fakten wird diese kaum aufgearbeitet und in der öffentlichen Wahrnehmung meist unterm Teppich gekehrt.