Sudan: Christen im Bürgerkrieg von allen Seiten bedrängt

150 Kirchen zerstört – Angriffe und Zwangsehen schwächen christliche Gemeinschaft
Vor zwei Jahren brach im Sudan ein erbitterter Kampf zwischen den ranghöchsten Generälen des Landes aus, General Burhan (Sudanese Armed Forces, SAF) und General Hemeti (Rapid Support Forces, RSF). Der dadurch entflammte Bürgerkrieg hat zu einer humanitären Krise geführt. Davon besonders stark betroffen ist die christliche Minderheit.
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Von Open Doors
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Anfängliche Hoffnungen nach al-Bashirs Sturz verflogen
Seit Ausbruch der Kämpfe im April 2023 greifen beide Kriegsparteien immer wieder gezielt christliche Einrichtungen an. Kirchen, christliche Unterkünfte und Bibelschulen wurden bombardiert, beschlagnahmt und als Militärstützpunkte genutzt. Die paramilitärischen Kräfte der RSF haben vielfach gegen Zivilisten, insbesondere christliche Frauen, sexuelle Gewalt verübt und Eheschließungen erzwungen. Durch den Krieg ist zudem ein rechtsfreier Raum entstanden, welcher der willkürlichen Verfolgung von Christen durch Milizen Vorschub leistet.
Zum Hintergrund: Die christliche Minderheit im Sudan (aktuell 4,1 % der Gesamtbevölkerung) ist in dem stark islamisch geprägten Land seit vielen Jahren extremer Verfolgung ausgesetzt. Umso größer waren die Hoffnungen nach dem Sturz des berüchtigten Diktators und Armeeführers Omar al-Baschir im Jahr 2019 – nicht nur bei den Christen. Die Menschen auf den Straßen sangen von Religionsfreiheit und Gleichheit. Ein Übergangsrat wurde eingesetzt, in dem Zivilisten neben Generälen saßen. Die Todesstrafe für die Abkehr vom Islam wurde abgeschafft, die gefürchtete Religionspolizei aufgelöst. Doch als sich General Burhan und sein damaliger Stellvertreter, General Hemeti, nicht darauf einigen konnten, wie genau der Sudan zu einer zivilen Regierung zurückkehren könnte, eskalierte die Situation im Land zusehends.
Christen erleben Zerstörung auf vielen Ebenen
Zwei Jahre später werden weiter Christen verfolgt und kirchliche Einrichtungen zerstört. Davon betroffen waren beispielsweise die Gereif West Bible School, die Sudan Presbyterian Evangelical Church, die anglikanische Kathedrale in Khartum, die evangelische Kirche in Omdurman und zahlreiche andere Kirchen und Gemeinden. Das deutet darauf hin, dass es sich dabei nicht um Einzelfälle handelt, sondern um ein bekanntes Verfolgungsmuster der al-Baschir-Ära. „Trotz angeblicher Reformen zeigen die sudanesischen Streitkräfte eine ähnliche Bereitschaft, christliche Einrichtungen anzugreifen, wie das für das al-Baschir-Regime so charakteristisch war“, stellt Fikiru Mehari* fest, ein Experte von Open Doors für die Region.
Seit Beginn des Krieges sind über 150 Kirchen zerstört oder schwer beschädigt worden. Dies schwächt die christliche Präsenz in den von den SAF kontrollierten Gebieten. Das Land, auf denen die Kirchen stehen, ist wertvoll – verwüstete Grundstücke könnten eines Tages beschlagnahmt und verkauft werden. Die Zerstörung von Kirchen schafft zudem eine Atmosphäre der Angst, in der die Ausübung des eigenen Glaubens extrem schwierig wird.
Außerdem kommt es in von den RSF kontrollierten Gebieten verstärkt zu Gräueltaten gegen Zivilisten, darunter Vergewaltigungen und Zwangsehen durch sogenannte „Heiratsvermittler“. Diese treten an Eltern heran und teilen ihnen mit, dass sie nur wenige Tage Zeit haben, um ihre Tochter für die Heirat mit einem RSF-Kämpfer vorzubereiten. Als Angehörige einer kleinen Minderheit können Christen kaum auf Unterstützung außerhalb ihrer Gemeinschaft hoffen. Eine Heirat mit einem Muslim macht es jungen Frauen nahezu unmöglich, ihren christlichen Glauben beizubehalten. „Die Waffe der Zwangsverheiratung ist eine Praxis, die christliche Familien zerstört“, stellt Mehari fest.
Auch Milizen greifen Christen an
Neben den Hauptparteien des Konflikts, SAF und RSF, erleiden Christen auch Verfolgung durch angegliederte Milizen auf beiden Seiten. So griff im November 2023 die islamistische „al-Bara bin Malik-Brigade“ einen Konvoi des Roten Kreuzes an, bei dem mehr als hundert schutzbedürftige Zivilisten aus Khartum in Sicherheit gebracht werden sollten – vor allem Christen. Trotz der eindeutigen Kennzeichnung des Roten Kreuzes und seines offensichtlichen Zwecks wurde der Angriff durchgeführt, wobei zwei Menschen getötet und viele weitere verletzt wurden. „Die gewalttätigen Milizen in den von den RSF kontrollierten Gebieten sind stark an der Verfolgung von Christen beteiligt“, so Mehari. „Die RSF unternehmen nicht genug, um diese Gruppen zu stoppen – und betrachten sie mitunter sogar als Verbündete.“
Auf dem Weltverfolgungsindex 2025 steht der Sudan an 5. Stelle unter den Ländern, in denen Christen am stärksten wegen ihres Glaubens verfolgt werden.
*Name geändert