Wirtschaftskrise: Wird der “akzeptablen Mindestlebensstandard” jetzt neu ausgehandelt?

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Wirtschaftliche Probleme und die steigende Inflation macht sich insbesondere bei Produkten des täglichen Bedarfs bemerkbar. Schon mal etwas von einer sehr seltsamen offiziellen Erhebung mit der merkwürdigen Fragestellung: “Welche der folgenden Dinge sollte sich eine Person oder Familie in unserem Land Ihrer Meinung nach auf jeden Fall leisten können, um einen akzeptablen Mindestlebensstandard zu haben?” – Der Mindestlebensstandard wird jetzt also neu ausgehandelt? – Autos, Reisen und viele andere Dinge tauchen darin nicht mal mehr auf.

“Welche der folgenden Dinge sollte sich eine Person oder Familie in unserem Land Ihrer Meinung nach auf jeden Fall leisten können, um einen akzeptablen Mindestlebensstandard zu haben?”

Längst hat die Wirtschaftskrise eine Form von Eigendynamik entwickelt. Mit Verbote und Regulierungen versucht man der Krise her zu werden, während gleichzeitig die Schattenwirtschaft wächst. Denn immer häufiger sind selbst Grundnahrungsmittel nicht mehr verfügbar.

“Lebensmittel werden jetzt rationiert”

>>Bild der Frau<<

“Diese Lebensmittel werden jetzt rationiert und so wird auf Nachfragen reagiert – Wer in den letzten Tagen Grundnahrungsmittel wie Speiseöl und Mehl kaufen wollte, stand oftmals vor leer geräumten Regalen im Supermarkt. Nun greifen die großen Discounter und Supermärkte wie Lidl, Aldi und Rewe durch und sanktionieren folgende Lebensmittel.”

“Wer in den letzten Tagen Grundnahrungsmittel wie Speiseöl und Mehl kaufen wollte, stand oftmals vor leer geräumten Regalen”

Sind es nur temporäre und lokale Krisen oder ist hierbei mehr eine stete Entwicklung zu beobachten? Neben der gezielten Rationierung von Lebensmitteln werden auch reihenweise Produkte aus dem Sortiment genommen.

“Weniger Vielfalt im Supermarkt – Hersteller streichen Sortiment zusammen”

>>Handelsblatt<<

“Weniger Vielfalt im Supermarkt – Hersteller streichen Sortiment zusammen – Hersteller wollen Kosten senken. Produktvarianten fliegen deshalb aus dem Programm. … Denn in Zeiten der Inflation und Kaufzurückhaltung will sich Nestlé eine solch breit gefächerte Produktpalette nicht mehr leisten. … „Das ist ein gewaltiger Einschnitt und ungewöhnlich, aber vernünftig“, urteilt … Experte für Konsumgüter und Handel. Allein zur Finanzkrise 2008 habe es Sortimentsbereinigungen in ähnlichem Umfang gegeben.”

“In Zeiten der Inflation und Kaufzurückhaltung” – “Solch breit gefächerte Produktpalette nicht mehr leisten” 

Auf der anderen Seite sind augenscheinlich schon “Essens-Empfehlungen” vorgesehen. Demzufolge soll vorwiegend der Fleischkonsum rapide sinken.

“Höchstgrenze von gerade einmal zehn Gramm Fleisch pro Tag!”

>>Bild<<

“Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) plant neue Richtlinien für ihre Essens-Empfehlungen. Und will den Bundesbürgern einen radikalen Fleischverzicht nahelegen.

Aus einem brisanten internen Dokument zur neuen „Lebensmittel-Strategie“ (liegt BILD in Auszügen vor) geht hervor: Sie will eine neue Höchstgrenze von gerade einmal zehn Gramm Fleisch pro Tag!

Das entspricht nicht einmal einer ganzen Scheibe Mortadella (15 Gramm)! Oder anders gesagt: Pro Bürger wäre nur noch eine Currywurst pro Monat drin!”

“Zehn Gramm Fleisch pro Tag” – “Das entspricht nicht einmal einer ganzen Scheibe Mortadella (15 Gramm)!”

Die “Essens-Empfehlungen” für das gemeine Bürgertum gehen wohl weniger auf gesundheitliche Aspekte, sondern sicherlich mehr auf finanzielle Gründe zurück. Kurzum: Fleisch ist teuer und macht sich insbesondere bei der Inflationsberechnung bemerkbar. Je weniger Fleisch der Bürger essen soll oder darf, desto weniger erschreckend fallen die Inflationszahlen aus. Zusätzlich müssen zum Fleischimport keine Devisen aufgewendet werden.

“Drittstaaten liefern mehr Rindfleisch auf den EU-Binnenmarkt”

>>Proplanta<<

“Drittstaaten liefern mehr Rindfleisch auf den EU-Binnenmarkt – Die Rindfleischimporte der Europäischen Union haben im bisherigen Jahresverlauf deutlich zugenommen. … Tatsächlich hat den statistischen Daten zufolge die Einfuhr von frischen, knochenlosen Edelteilen aus Südamerika, den USA und Ozeanien spürbar zugenommen; diese werden in den Restaurants vorwiegend angeboten.”

“Rindfleischimporte der Europäischen Union haben im bisherigen Jahresverlauf deutlich zugenommen”

Im Endeffekt soll der allgemeine Lebensstandard sinken. Die wirtschaftlichen Probleme machen sich allerdings durch allerlei seltsame staatliche Verbote bemerkbar.

“Die EU führte den Verkaufsstopp für Glühbirnen schrittweise durch”

>>Verivox<<

“Die EU führte den Verkaufsstopp für Glühbirnen schrittweise durch. Zuerst waren im September 2009 Glühbirnen mit einer Leistung von 100 Watt von der Regelung betroffen, außerdem alle Glühbirnen mit mattiertem Glas. Im September 2010 folgten Lampen ab 75 Watt. 2011 waren Modelle ab 60 Watt fällig, im September 2012 folgten dann auch 25- und 40-Watt-Birnen.”

“Staubsauger mit 1600 Watt und mehr dürfen ab jetzt nicht mehr in den Handel kommen”

>>Spiegel<<

“Die EU jedenfalls scheint die berechtigte Sorge zu haben, die Verbraucher könnten das neue Etikett missverstehen und aus Versehen einen Stromfresser kaufen. Deshalb hat sie viele Modelle kurzerhand verboten. Staubsauger mit 1600 Watt und mehr dürfen ab jetzt nicht mehr in den Handel kommen.”

Zwischen halb-freiwilligen Fleischverzicht, allgemeinen Rationierungen, Staubsauger- und Glühbirnenverboten

Sicherlich ließen sich noch mehr Beispiele anführen. Die freiheitlich demokratische Grundordnung findet nun also irgendwo zwischen halb-freiwilligen Fleischverzicht, allgemeinen Rationierungen, Staubsauger- und Glühbirnenverboten statt. Natürlich sind diese Produkte auf internationalen Marktplätzen immer noch problemlos verfügbar. Es handelt sich hierbei vorwiegend um ein regionales Problem, was besonders die Mitgliedstaaten der Eurozone betrifft. Aus der Geschichte sind durchaus Parallelen bekannt. Auch die DDR-Mangelwirtschaft hat mit vergleichbaren Maßnahmen reagiert und richtete daraufhin  sogenannte “Intershops” ein.

Intershops: “Zweck dieser exklusiven Läden war es, möglichst viel Westgeld oder Dollars von Transitreisenden oder Besuchern abzuschöpfen” 

>>Warte nicht auf bessre Zeiten! von Wolf Biermann (Buch) <<

“Nach dem Mauerbau wurde in der DDR eine spezielle Handelskette eingerichtet: Intershop. Zweck dieser exklusiven Läden war es, möglichst viel Westgeld oder Dollars von Transitreisenden oder Besuchern abzuschöpfen. Mit meinen AWA-Schecks konnte auch ich dort einkaufen – Schweizer Schokolade, italienischen Campari, Lindt-Pralinen, amerikanischen Kaugummi, Jacobs-Kaffee aus Bremen, Nivea-Creme von Beiersdorf, Omo-Waschpulver und Luxus-Lavendelseife von Henkel, englische Lucky-Strike-Zigaretten und dänischen Schlabber-Schnickschnack. Für Jürgen Böttcher kaufte ich dicke Zigarren aus Kuba. Holländischen Tabak, Javaanse Jongens, fand ich für meinen Freund, den Kohlenträger Novak in der Invalidenstraße. Echte Jeans für meinen heimlichen Tonmeister vom BE und Nylonstrümpfe für seine Frau, für Heiner Müller zwei Flaschen schottischen Whisky und für meinen Freund Havemann immer gleich drei Kartons à sechs Flaschen französischen Cognac Hennessy. Und für diese und jene Flamme ein Flakon Chanel N°5.”

Intershops: “Mit meinen AWA-Schecks konnte auch ich dort einkaufen”

Die DDR-Mangelwirtschaft hat also keineswegs die gesamte Bevölkerung gleichermaßen getroffen, sondern die obere Elite konnte sehr wohl aus dem Vollen schöpfen. Sogar Westautos waren per “Genex” ohne Wartezeit lieferbar.

Genex: “Praktisch jeden Käuferwunsch erfüllen konnte – inklusive der heiß begehrten Autos, die man sonst nur nach jahrelangem Warten erwerben konnte”

>>Lebt wohl, Genossen! Der Untergang des sowjetischen Imperiums von György Dalos (Buch) <<

“Flächendeckend war hingegen das «Intershop»-Verkaufsnetz, das dichter gespannt war als das der Genex in Polen, Tuzex in der ČSSR und Corecom in Bulgarien. Hier roch es nach Kaffee, Tee, Tabak, Schokolade und Parfum. Das Angebot, zu dem auch Spirituosen, Spielzeug, Jeans, Fernseher und anderes gehörte, bestand teilweise aus westlich etikettierten Produkten «Made in GDR», zeichnete sich jedoch durch ein im westlichen Vergleich niedriges Preisniveau aus. Wer sich nach mehr sehnte und großzügige Verwandte im Westen hatte, konnte den Geschenkdienst der staatlichen Firma Genex in Anspruch nehmen, der praktisch jeden Käuferwunsch erfüllen konnte – inklusive der heiß begehrten Autos, die man sonst nur nach jahrelangem Warten erwerben konnte.”

“Warum nicht zu Weihnachten ein Auto verschenken?”

>>Spiegel<<

“Warum nicht zu Weihnachten ein Auto verschenken? Einen VW Passat, BMW 318i oder Ford Orion, direkt aus den Werken des Klassenfeinds? Ach, was soll der Geiz! Lieber gleich für 128.000 D-Mark das “FHE 108”, ein 150-Quadratmeter-Fertighaus mit “edelholzfurnierten Türen”. Dazu passen auch perfekt der Swimmingpool (1650 Mark) und die Sauna (“vollflächig verleimt”, 3210 Mark). … Gibt’s doch gar nicht? Gab’s in der DDR doch! Im oft als marode verspotteten Mangelstaat fand sich überraschend viel Luxus.”

“Im oft als marode verspotteten Mangelstaat fand sich überraschend viel Luxus”

Im sogenannten Genex-Katalog konnten sogar Fertighäuser bestellt werden. Die DDR-Mangelwirtschaft wurde akribisch verwaltet und als Leidtragende waren die durchschnittliche Bevölkerung ausgemacht.