Gegen die Interessen der Sorben: Das umstrittene Agieren der Domowina bei der ILO-Konvention Nr. 169

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Es ist mir auch nicht bekannt, dass wir Sorben „in Stämmen“ leben.” – Mit solchen Worten wird unter anderen die ILO-Konvention Nr. 169 abgelehnt. Weiter wird betont: “Da fallen uns natürlich spontan die Indianerstämme des Amazonas-Regenwaldes ein, dem die Kleinbauern aus der Nachbarschaft mit Brandrodungen zu Leibe rücken. Eine auch nur entfernt vergleichbare Konstellation in der Lausitz existiert nicht.

Fremdenfeindliche Stereotype bei der Domowina? – “Indianerstämme” “Es ist mir auch nicht bekannt, dass wir Sorben „in Stämmen“ leben.”

Um Missverständnisse auszuschließen: Es handelt sich hierbei nicht um irgendeinen staatlichen Regierungsvertreter, sondern um den Pressesprecher der Domowina. Formal soll die Domowina eine Interessenvertretung für die Sorben darstellen: Doch in der praktischen Wirklichkeit teilt dieser Vereines ist wirklich ein Verein – vornehmlich gegen Sorben aus. Häufig würde sich noch nicht mal ein Regierungsvertreter soweit aus den Fenster lehnen. Übrigens kann dieser Pressesprecher noch zu viel drastischen Worten greifen, sofern diese nicht veröffentlicht werden. Die Diskussion rund um die ILO-Konvention Nr. 169 kann hierbei als klassisches Beispiel für die Agitation gegen Sorben angesehen werden. Doch, worum handelt es sich überhaupt. Vielleicht sollte mal ein anderes drastisches Beispiel angeführt werden.

“Produkt nicht mittels ausbeuterischer Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention Nr. 182 hergestellt und/oder bearbeitet wurde”

>>juris PraxisKommentar Vergaberecht von Wolfgang Heiermann & Christopher Zeiss (Buch) <<

“Sie verlangen, „dass das Produkt nicht mittels ausbeuterischer Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention Nr. 182 hergestellt und/oder bearbeitet wurde“ – und verstecken sich dann hinter Eigenerklärungen der Bieter. Weit verbreitet sind Formulare, auf denen zu lesen ist: „Ich/Wir versichern, dass das Produkt ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention Nr. 182 hergestellt und/oder verarbeitet wurde. … ”

ILO-Konvention Nr. 182: “Versichern, dass das Produkt ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention Nr. 182 hergestellt und/oder verarbeitet wurde”

Im allgemeinen zeichnet sich internationales Regelwerk – wie immer es richtig Benannt wird – durch Minimal-Kompromisse – insbesondere bei Menschenrechten – aus. Das Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit kann als solches Beispiel angesehen werden. Irgendwelche hochtrabenden Menschenrechte sind darin kaum zu erwarten. Gerade deshalb ist das Agieren der Domowina gegen die ILO-Konvention Nr. 169 interessant.

Agieren der Domowina gegen die ILO-Konvention Nr. 169

>>Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<<

“Das Übereinkommen 169 über indigene Völker⁠ (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO⁠ (Lexikon-Eintrag zum Begriff aufrufen) ) aus dem Jahre 1989 ist das einzige rechtlich bindende internationale Vertragswerk, das einen umfassenden Schutz der Rechte indigener Völker zum Gegenstand hat. Deutschland hat die ILO Konvention 169 im Jahr 2021 ratifiziert, 2022 trat die Ratifikation in Kraft.”

“Übereinkommen 169” – “Umfassenden Schutz der Rechte indigener Völker zum Gegenstand hat”

Selbstverständlich drängt sich hierbei die Frage auf: Was treibt die Domowina beim Übereinkommen 169 überhaupt um? Nach logischen Überlegungen müsste die Domowina – als Interessenvertretung der Sorben – dieses Abkommen befürworten und nicht dagegen agitieren. Um diese Frage zu beantworten, wäre vielleicht ein Blick in die Geschichte hilfreich.

Domowina – „Treuer Gehilfe der SED“ – „Vorsitzende Pawoł Nedo waren der KPD bereits 1945 beigetreten“

>>Prager Zeitung<<

„Die „Domowina“ (sorbischer Name für Heimat), der Dachverband sorbischer Vereine und Vereinigungen, erwies sich bereits ab 1946 als treuer Gehilfe der SED. Führende Mitglieder, wie der Vorsitzende Pawoł Nedo waren der KPD bereits 1945 beigetreten. Sie sahen ihre Aufgabe darin, die gesamte sorbische Lebenswelt in den Dienst der sozialistischen Gesellschaft zu stellen. Wahrung und Schutz der sorbischen Kultur wurden als Separatismus und Nationalismus diskreditiert. … Die Führung der „Domowina“ besaß keinerlei Ansehen bei der sorbischen Bevölkerung.“

„Die Führung der „Domowina“ besaß keinerlei Ansehen bei der sorbischen Bevölkerung“ 

Vielleicht sollte man diesen Satz nochmal hervorheben: “Sie (die Domowina, Anmerkung der Redaktion) sahen ihre Aufgabe darin, die gesamte sorbische Lebenswelt in den Dienst der sozialistischen Gesellschaft zu stellen.” – Mittlerweile ist die DDR ein Teil der Geschichte geworden und das “RegierungsManagement” hat sich gewandelt: Dementsprechend wurde augenscheinlich das Ziel einer “sozialistischen Gesellschaft” aufgegeben und durch andere “politische Leitlinien” ersetzt. – Die These ist nicht soweit hergeholt: Immerhin wurde die Geschichte der Domowina zur Zeiten der DDR nie richtig aufgearbeitet und ihre eignen heutigen Verlautbarungen sind regelrecht entlarvend.

Interessen der Domowina gegen Sorben bei der ILO-Konvention 169: “Agiert kontraproduktiv und verdreht völkerrechtliche Bestimmungen”

>>Domowina<<

“Eine Anerkennung der Sorben als „indigenes Volk“ nach der ILO-Konvention 169 würde uns nicht mit Zauberhand politische Selbstbestimmung und Autonomie bringen. Wer sich mit entsprechenden Ultimaten an Politik und Medien wendet, agiert kontraproduktiv und verdreht völkerrechtliche Bestimmungen sowie politische Wirklichkeiten. … Unser Anspruch ist es, die Interessen der Sorben in der Lausitz gemeinsam mit der Politik und allen gesellschaftlichen Akteuren zu gestalten.”

“Lehne jede Gesprächsbitte ab und lasse nur handverlesene und zum Teil in direkter finanzieller oder anderer Abhängigkeit vom Staat stehende Akteure zu”

Kaum ein Regierungsvertreter würde solche Aussagen von sich geben. Besonders bei der ILO-Konvention 169 wirkt die Domowina weniger wie eine Interessenvertretung der Sorben, sondern mehr wie die ungefilterten Aussagen – bei ausgeschalteten Mikrophons – eines Regierungsvertreters. Auch der Anspruch mit “allen gesellschaftlichen Akteuren” zu reden oder gestalten, stellt sich als reines Feigenblatt heraus: Gesprächsangebote des Sorbischen Parlamentes werden Seitens der Domowina abgelehnt und die Gründe dürften auf der Hand liegen.

“Der Freistaat ignoriere die Meinung des demokratisch gewählten Parlaments der Sorben”

>>Lausitzer Rundschau<<

“Der Freistaat ignoriere die Meinung des demokratisch gewählten Parlaments der Sorben, lehne jede Gesprächsbitte ab und lasse nur handverlesene und zum Teil in direkter finanzieller oder anderer Abhängigkeit vom Staat stehende Akteure zu. Viele Probleme blieben den Entscheidern dadurch verborgen.”

“Es sei notwendig, den Sorben wirkliche Mitbestimmungsrechte einzuräumen”

>>Süddeutsche Zeitung<<

“Es sei notwendig, den Sorben wirkliche Mitbestimmungsrechte einzuräumen. Die bisherige Praxis der Sorbenräte bei den Landtagen in Sachsen und Brandenburg habe sich als nicht ausreichend erwiesen, weil Sorben dort nur das Recht auf Anhörung hätten.”

“Praxis der Sorbenräte bei den Landtagen” – “Sorben dort nur das Recht auf Anhörung hätten”

In der gegenwärtigen Praxis laufen die viel-beschworenen Rechte der Sorben auf ein “Recht auf Anhörung” auf wenige handverlesene Akteure hinaus. Die Diskussion rund um die ILO-Konvention Nr. 169 kann hierbei als klassisches Beispiel für die Agitation gegen Sorben angesehen werden.